Landkarte
Nainital Siehe auch Bodhgaya 2, Hampi Almora 2

Almora अल्मोड़ा und Kasar Devi कसार देवी (Uttarakhand)

Rural agriculture (ploughing with oxen) in Kasar Devi, near Almora, Uttarakhand (North India)

Pflügen nach Großvaters Art

Pine forest (Pinus roxburghii) in Kasar Devi, near Almora, Uttarakhand (North India)

Pinienwald (Pinus roxburghii)

View over the Himalayas, with Nanda Devi in the backdrop, in Kasar Devi, near Almora, Uttarakhand (North India)

Blick auf die „Hauptstraße“, im Hintergrund der Nanda Devi (7816 m)

Liebe Birgit,

nach einer üblen Bus­fahrt auf einem rück­wärts ge­wand­ten Sitz von Naini­tal kam ich in Almora an und war zu­nächst mal nur ent­täuscht, denn die hek­tische Atmo­sphäre der hübsch ge­le­ge­nen Stadt paßte über­haupt nicht zu meiner Vor­stel­lung von einer hill station. Also schnappte ich mir ein Sammel­taxi zum nur 8 km ent­fern­ten Ört­chen Kasar Devi. Dort gibt es nämlich, un­bemerkt vom sonst fast all­wissen­den lonely planet, ein kleines aber feines „Tra­veller­paradies“, angeblich ein Relikt aus Hippie-Zeiten und mit ent­sprechend relaxter Atmo­sphäre und freund­lichen Unter­künften in einer wunder­bar fried­vollen Berglandschaft.

Beginnen wir mit der Land­schaft: Kasar Devi zieht sich auf ge­schätzt 1900 m ent­lang einer Straße auf einem Berg­rücken dahin, der all­seitig mit den drei­nadeli­gen Chir-Kiefern (Pinus rox­burghii), stellen­weise auch mit den heili­gen Deo­dar-Zedern (Cedrus deodara, mehr dazu nächstes Mal) be­wach­sen ist. Bei Sonnen­schein ent­wickeln die lockeren, licht­durch­flu­teten Pinien­wälder mit ihren himmel­hohen, perfekt cylindri­schen Stäm­men und ihrem sanft­grünen Gras­teppich eine fast märchen­artige Atmo­sphäre, ver­gleich­bar mit alpinen Lärchen­wäldern. Hier würden auch ein paar Ewoks gut hinein­passen, und mit dieser As­sozia­tion bin ich of­fen­bar nicht allein: So etwas ähn­liches muß sich auch der ano­nymer Texter gedacht haben, der er auf eine der un­zähli­gen zum Natur­schutz aufrufenden Pro­paganda­tafeln May the Forest be with you! schrieb.

Himalayan thyme (Thymus linearis) in Kasar Devi, near Almora, Uttarakhand (North India)

Thymian

Agava americana inflorescence and rainbow in Kasar Devi, near Almora, Uttarakhand (North India)

Blütenstände von Agava americana mit Regenbogen (Indradhanush „Bogen Indras“)

Kasar Devi Mandir Hindu temple near Almora, Uttarakhand (North India)

Der kleine Kasar Devi Mandir

Lemon (Citrus limon) ripening in Kasar Devi, near Almora, Uttarakhand (North India)

Echte Zitronen!

Grevillea robusta (southern silky oak) flower in Kasar Devi, near Almora, Uttarakhand (North India)

Blüten von Grevillea robusta (Silbereiche)

Zu den vie­len inter­essan­ten Pflan­zen ge­hören außer den hier Bu­ras ge­nann­ten Rhodo­dendren (Rhodo­dendron arboreum) vor allem Zitrus­gewächse: Neben Orangen und Limetten wachsen hier auch echte Zitronen, die etwas größer werden als die am Mittel­meer und deren Saft wie Limetten­saft ver­wendet wird. Auch blü­hende Granat­apfel­sträucher findet man häufig, und Kirschen (Prunus cerasi­formis) und sogar eß­bare Feigen (Ficus carica); in den Wäl­dern blüht gerade eine Thymian-Art (Thymus linearis), die unserem Feld­thymian (Th. serpyllum) ähn­lich sieht wie ein Ei dem anderen.

Der über­all in Ma­ssen ge­deihen­de Hanf (Can­nabis sativa) ist wohl so etwas wie ein Trumpf-As für den Touris­mus; jeden­falls verdankt die Gegend ihren Spitz­namen Crank’s Ridge („Berg­rücken der Be­kloppten“) den seit den Sech­zigern dauer­bekifften Hippies, von denen einige (mittler­weile in die Jahre gekommen) immer noch die bil­ligen Guest Houses be­wohnen und be­räuchern. Die Ein­heimi­schen nennen das Dorf auch augen­zwinkernd Ganja­nagar, und manche Ex-Hippies haben sich auch etwas spießig eigene Häu­ser gebaut, ver­mut­lich mit großem Kräuter­garten.

Einige der hier wach­sen­den Pflan­zen stam­men aus anderen Kon­tinen­ten und kamen wohl mit den Briten als Zier­pflanzen hier­her; in­zwischen sind sie teil­weise ver­wildert. Am auf­fällig­sten ist der Feigen­kaktus (Opuntia), dem die trockenen Böden recht ge­fallen und der so gut wie über­all wächst. Ein anderer Exilant aus Amerika ist die Agava americana, deren riesige Blatt­rosetten über­all die Hänge be­völ­kern; zur Zeit recken sie ihre pit­tores­ken, etwa 8 m hohen Blüten­schäfte in die Luft. Vor ein paar Wochen wurde ich mit den feuer­roten, flammen­ähnli­chen Blüten von Gre­villea robusta über­rascht, einem australi­schen Baum mit silber­grünen Blättern, der stellen­weise den Rand der Straße in Kasar Devi ziert. Nicht ganz über­raschend wächst auch überall den Jesuiten­tee, aber dieses méxicani­sche Gewürz­kraut ist der lokalen Be­völke­rung hier ge­nau­so un­bekannt wie an meinen frühe­ren Stationen.

Der für den klei­nen Ort na­mens­geben­de Tem­pel, Kasar Devi Mandir, liegt ganz ruhig auf dem höch­sten Punkt des Rückens; vom Stand­punkt der Archi­tektur bietet er nicht viel. Da gerade wieder einmal Nava­ratri gefeiert wird, wird er von segens­suchen­den Hindus ganz­tägig besucht. Nav­ratri ist das „Neun-Nächte-Fest“ der Göttin Parvati bzw. Durga und wird bis zu fünf­mal pro Jahr ge­feiert; der Herbst­termin ist der wich­tig­ste und endet in dem bereits zwei­mal be­schrie­benen Dussehra-Fest. Zu­min­dest jetzt, am Anfang der Neun Nächte, köcheln die Fest­lich­keiten auf sehr nied­riger Flamme.

Shivalingam in Nanda Devi Mandir Hindu temple in Kasar Devi, near Almora, Uttarakhand (North India)

Der Shiva­lingam im Nanda Devi Mandir

Mango and Apricot in Kasar Devi, near Almora, Uttarakhand (North India)

Gute Kombination: Marillen und Mangos

Nanda Devi Mandir Hindu temple in Kasar Devi, near Almora, Uttarakhand (North India)

Eingang zum Nanda Devi Mandir in Almora

Digitally illuminated sanctum Nanda Devi Mandir Hindu temple in Kasar Devi, near Almora, Uttarakhand (North India) Digitally illuminated sanctum Nanda Devi Mandir Hindu temple in Kasar Devi, near Almora, Uttarakhand (North India)

Das Heiligtum im Nanda Devi Mandir

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Almora bleibt selbst bei mehr­mali­gem Be­such eine ziem­lich laue Er­fah­rung. Die La­ge auf ei­nem lan­gen Rücken mit steilem Ab­stieg in beide Rich­tun­gen ist für eine hill station typisch, aber der laute Ver­kehr und der Mangel an Sehens­würdig­keiten macht es auch bei genau­erer Be­trach­tung nur wenig sym­pa­thisch. Ledig­lich der Nanda Devi Mandir, ein schöner Shiva-Tempel aus dem 13. Jahr­hundert, ist er­wähnens­wert: Der robuste Stein­bau wirkt von außen recht ur­tüm­lich; im Inneren herrscht (wahr­schein­lich feier­tags­bedingt) eine ernste religiöse Atmo­sphäre, und drei Mu­sikan­ten spielen live mit Trom­meln und Blas­instru­menten.

Der hohe Tempel­turm (Shikara) des Nanda Devi Mandir ist, wie auch an­ders­wo üb­lich, aus Stein er­baut; auf der Spitze trägt er eine balkon­artige Holz­konstruk­tion, wie sie für die Ku­maon-Region (also den Ost­teil von Uttara­khand) typisch ist; auch die Flach­reliefs auf sei­ner Außen­seite sind im lo­ka­len Ku­maoni-Stil ge­hal­ten. Im In­ne­ren des Turmes läßt sich ein Shiva­linga ganz­tägig aus einem Kupfer­kessel mit Wasser be­trop­fen; das kann man durch drei Spalten im Turm auch von außen be­obach­ten. We­ni­ger tradi­tio­nell ist die Be­leuch­tung des Garbha­griha mit bunt os­zillie­ren­den Leucht­dioden, die den Blinden­hund zum über­lauten Jaulen bringt und von der ich Dir auf dieser Seite einen kleinen Ein­druck ver­mitteln möchte, wenn Dein Browser es erlaubt.

Die Markt­straße von Almora ist ver­kehrs­frei und vol­ler lokaler Pro­dukte. Be­son­ders schmack­haft sind die Mangos, die gerade wieder einmal Saison haben (man be­kommt sie aber auch in ge­trock­neter Form, zum Kochen), aber ich will lieber das Lob­lied auf eine andere orange Frucht singen: Die Marille (Khubani). Denn hier, im westlichen Hima­laya, sind Marillen — für Dich natürlich Apri­kosen — recht ver­breitet, und sie schmecken ge­nau­so wie bei uns, nur inten­siver. Sie werden meist durch Trock­nung halt­bar gemacht und dann ganz­jährig genuß­voll ge­knabbert, ge­legent­lich auch zu moguli­schen Reis­gerichten ver­kocht. Diese Marillen sind etwas kleiner als die bei uns üb­li­chen Sorten und er­rei­chen nur den Durch­messer einer großen Wal­nuß. Letz­tere gibt es hier übri­gens auch, sie heißen Akhrot, und ein Baum mit halb­reifen Früchte steht genau vor meinem Guest House.

Indian Tourist Food: Penne alla Napoletana

Pasta Napoletana (ich verschweige, wie der Name auf der Speisekarte wirklich geschrieben war)

Indian Tourist Food: Hummus (chickpea paste) with raw veg and butter

Hummus mit Rohgemüsesalat

Indian Tourist Food: Olive Pizza

Pizza con olive

Das Es­sen in Tou­risten­para­diesen wie Kasar Devi ist im­mer eine zwei­schnei­dige Sache: Tourist Food ver­sucht ja zu­meist, dem Lang­zeit-Indien­reisen­den eine kuli­nari­sche Welt­gewandt­heit vor­zutäu­schen, die in der Reali­tät von den loka­len Köchen eher nicht er­reicht wird. An­derer­seits ist das echt indi­sche Essen im Markt­viertel von Almora nicht nur bil­liger sondern auch wesent­lich besser als in den gemüt­lichen Kneipen von Kasar Devi. In meinem Guest House gibt es zu­min­dest ganz pas­sable Pizza, auch wenn die Tomaten­sauce (Fertig­produkt) nicht über­zeugt und der dicke Boden eine zu lange Back­zeit er­forder­lich macht; dafür punk­tet sie mit frischem Käse, grünen Oliven (Glas) und viel gutem Willen. Ins­gesamt erreicht sie etwa die Quali­tät unserer Tiefkühl­ware in einem gas­betrieben oder elektri­schen Backofen.

Auch an­dere Eta­blisse­ments in Kasar Devi haben sich der „italieni­schen Küche“ ver­schrie­ben. Gute Nudeln (vor allem Penne) italieni­scher Pro­duktion sind tat­säch­lich er­hält­lich, auch Oliven­öl und Oregano, letz­terer sogar aus lo­kalem An­bau (gedacht für den Ex­port), aber das Kon­zept von al dente ist hier noch nicht ganz an­gekom­men, und die Ver­suche, Par­mesan durch Panir zu er­setzen, wirken ziem­lich erbärm­lich. Daß man italieni­sche Tomaten­sauce auch aus Tomaten machen kann, will nie­man­dem so recht ein­leuch­ten, solange man die Pampe auch aus in­dustri­eller Tomaten­paste zu­sam­men­rühren kann. Ins­gesamt ist das nur a mixed bles­sing, wenn­gleich auch nicht gänz­lich ungenießbar.

Wegen der vie­len is­raeli­schen Tou­ris­ten ver­su­chen sich die Restau­rants auch an ost­medi­terraner Küche; und zumin­dest beim Hummus gelingt dies auch tadel­los (kein beson­deres Wunder in einem Land, in dem Kicher­erbsen ein Grund­nahrungs­mittel dar­stellen). Kalt­gepreßtes Oliven­öl ist in Kasar Devi in jedem Touri-Laden erhältlich; das gilt, in viel geringerem Aus­maß, auch für den Rest Indiens, da dieses Import­produkt im Ayur­veda als Heil­mittel genutzt wird.

Nächstes Mal erzähle ich Dir nicht nur von ein paar Tempeln im Umfeld von Almora, sondern auch kuli­narischen Erfolgen mit echt indischem Essen.


Nainital Almora 2

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