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Dvarka દ્વારકા (Gujarat) |

Der Eingang zum Dwarkadhish-Tempel ist tagsüber versperrt

Der Dwarkadhish-Tempel begrüßt die Pilger mit einer orangen Fahne

Kuh beim Bad
mit Dvarka oder Dwarka habe ich nun einen richtigen Geheimtip für Indienreisende erreicht. Diese kleine Stadt liegt an der Mündung des Gomati-
Die Heiligkeit Dvarkas begründet sich darin, daß nach der Hindu-
Im Zentrum der Stadt liegt der Dvarkadhish Mandir, ein herrlicher, im indo–
Sadhus vor dem Samudra Narayan Mandir
Mit der Kuh auf Du & Du
Abends am Ghat der Gomati
Gleich dahinter bildet der Gomati-Fluß (der Name bedeutet „reich an Kühen“) die Grenze der Stadt; betonierte Stufen (Ghats) führen bis ans Wasser, und abends sieht man schwimmende Kerzen und Pilger bei einer heiligen Waschung. Hundert Meter weiter beginnt bereits der Strand, und der etwas klobige Samudra-Narayan-
Der freundliche Charakter Dvarkas paßt zu Krishna, dem menschlichsten und sympathischsten aller Hindu-
Hier tragen auch die Männer Ohrringe
Die Sadhus wandern vom Rukshmani Mandir zurück in die Stadt
Krishna erklärt sich als der Urgrund, aus dem alle anderen Wesen entstehen. Sanjaya, der die Szene als Seher mitbeobachtet hat, schildert sie Dhritarashtra folgendermaßen: Er hatte viele Münder und Augen, zeigte viele wunderbare Formen, war mit himmlischen Gewändern bekleidet und trug viele himmlische Waffen. (Photo aus Amritsar)
Krishna selbst erklärt seine Natur in der Bhagavad-Gita, dem bekanntesten aller hinduistischen Texte. In diesem „Lied der Gottheit“ gibt Krishna in Dialogform einen Überblick über verschiedene religiöse Praktiken und Philosophien und erläutert, wie man durch abstrakte Erkenntnis, selbstlose Tat und zuletzt Hingabe an ihn stufenweise zur Erlösung emporsteigen kann. Im klimaktischen elften Kapitel offenbart er sich in einer beeindruckenden Theophanie als der Ursprung aller Dinge: Mit den Worten „Sieh hier die ganze Schöpfung, das Leblose und das Belebte, zusammengebunden zu Einem in meiner Person“ fordert er seinen Zuhörer Arjuna auf, ihn in seiner echten, unverhüllten Form (Vishvarpa) anzusehen; Arjuna beschreibt das Gesehene mit den Worten „Alle himmlischen Gefilde und der Raum zwischen Erde und Himmel sind von dir allein erfüllt“.
Diese Offenbarung wird in Tempeln auch gerne bildlich dargestellt: Man sieht dabei das halbe hinduistische Pantheon aus einer Person hervorwachsen, während am unteren Teil des Bildes Arjuna neben seinem Streitwagen steht und das Wunder betrachtet. Es heißt, daß das Licht von tausend Sonnen neben Krishna in seiner wahren Form verblassen würde. Nach diesem Höhepunkt gibt Krishna noch einige Lektionen über Yoga und Metaphysik, bis er schließlich im achtzehnten und letzten Kapitel in fast biblischem Stil die Erlösung verheißt: „Ich werde dich von allen Sünden befreien; fürchte dich nicht“. Überhaupt könnten viele Sätze der Bhagavad-Gita auch im Neuen Testament stehen, oder tun das sogar in ganz ähnlicher Form: „Ich bin der Weg, der Erhalter, der Herr, der Allsehende, die Heimstatt, die Zuflucht und der Freund“ ist ein besonders prägnantes Beispiel.
Natürlich gibt es in Dvarka noch eine Anzahl weiterer Tempel, darunter sogar einen jener ganz wenigen, der dem Brahma geweiht ist. Wirklich erwähnenswert ist aber nur der Rukshmini Mandir etwas außerhalb der Stadt; Rukmini war eine Geliebte Krishnas, die er aus einer unglücklichen Verlobung befreite. Überhaupt ist es bemerkenswert, daß Krishna bei der Damenwelt besonders großen Anklang fand und sogar tausende Ehefrauen hatte. Dieser Tempel wird am Nachmittag zum Treffpunkt hunderter Sadhus, die sich ganz friedlich auf den Boden setzen und gemeinsam meditieren, ehe sie sich wieder aufmachen, um in einer langen orangen Schlange zur Stadt zurückzuwandern.
Der Leuchtturm von Dvarka
Beim Herumspazieren in Dwarka habe ich nichts gefunden, was darauf deuten könnte, daß die Menschen hier jemals Fleisch essen: Kein Restaurant wirbt mit dem sonst so allgegenwärtigen “Veg. & Non-Veg”, es gibt keine Fleischhauer oder Geflügelhändler, nicht einmal Eier habe ich irgendwo gesehen. Praktisch fleischfreie heilige Städte gibt es in Nordindien einige, und ich werde das zum Anlaß nehmen, einen historischen Exkurs über den Vegetarismus in Indien anzufügen. Das erspart es mir auch, meine süßen Traumata mit der Gujarati-Küche weiter ausbreiten zu müssen.
Originär hat die vegetarische Ernährung nichts mit dem Hinduismus zu tun: In seiner frühen, vedischen Form waren ihm zwar die Kühe heilig, anderes Getier galt aber als unbedenklich eßbar. In der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausend vor Christus wurde der Hinduismus (in der damaligen Entwicklungsstufe auch als Brahmanismus bezeichnet) allerdings von zwei anderen Religionen für einige Jahrhunderte an den Rand gedrängt, die beide in unterschiedlicher Intensität den Fleischkonsum verboten: Buddhismus und vor allem Jainismus.
Letztlich behielt der Hinduismus die Oberhand und ging aus dem ideologischen Konflikt als Sieger hervor: Die Buddhisten, die in späthellenistischer Zeit noch die Mehrheit in Nordindien gestellt hatten, starben völlig aus, und die über ganz Indien verbreiteten Jains konnten sich nur im Nordwesten in größerer Zahl erhalten. Aber der neue, puranische Hinduismus war gegenüber seinem Vorläufer so drastisch verändert, daß man fast von einer Neuerfindung sprechen kann: Einige seiner zentralen Konzepte waren ganz neu, wie zum Beispiel der Vegetarismus als Fremdimport oder der Yoga und das damit zusammenhängende Konzept einer streng regelmentierten persönlichen Hingabe an Gott (Bhakti). Andere Innovationen wurden dagegen aus Gedankengängen entwickelt, die in der brahmanistischen Epoche nur Randeffekte gewesen waren.
Süße Schwarzaugenbohnen
Süße Kartoffeln
Zu letzteren gehört übrigens der Monotheismus. Im Vedanta, der philosophischen Analyse der vedischen Überlieferungen, hatte es zwar schon immer eine monotheistische Strömung gegeben, aber die war gegenüber anderen ebenso möglichen Interpretationen nie dominant geworden; heute betrachten dagegen die meisten gebildeten Hindus alle Götter als Teilaspekte eines Höchsten Wesens, das wahlweise mit Shiva, Vishnu (und, in Erweiterung, Krishna) oder einem abstrakten Prinzip (etwa Shakti, der „weiblichen Energie“, oder Brahman, der allumfassenden Seele des Universums) gleichgesetzt wird. “The gods are just ministers of God” erklärte mir dazu ein Brahmane in Jammu, der offenbar das bürokratische Denken im modernen Indien sehr verinnerlicht hatte.
Zurück zum indischen Vegetariertum: Alle Inder essen viel mehr Gemüse als typische Mitteleuropäer, was natürlich auch finanzielle Gründe hat. Hindus dürfen kein Rind essen (und die meisten halten sich auch daran), aber genereller Vegetarismus ist für die niedrigen Kasten nur empfohlen, nicht vorgeschrieben. Viele halten sich an die Empfehlung, besonders hier im Gujarat; umgekehrt gibt es aber auch einige Brahmanen, die es es mit der Fleischlosigkeit nicht so genau nehmen und zumindest Fisch verzehren (das ist in Bengalen üblich); in Kashmir gibt es sogar eine brahmanische Gruppe, die generell Fleisch ißt. Bei Eiern scheiden sich die Geister, und Milchprodukte werden trotz ihres höheren Preises universell genossen, gelten sie doch als besonders rein, weil sie vom Heiligen Tier stammen.
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