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Jammu जम्मू (Jammu & Kashmir) |

Blumenverkäufer vor dem Ranbireshwar Mandir

Ein Bakshish macht das Photo möglich: Kultraum mit Muttergottheiten im Höhlentempel Jamabant Gupha

Der Ragunath Mandir steht in der Innenstadt von Jammu
ich bin immer noch in Jay-
Während das Hochtal von Kashmir mit der Sommerhauptstadt Srinagar mitten im Himalaya liegt, ist es im Südteil des Bundesstaates bestenfalls hügelig. Jammu fungierte traditionell als Winterhauptstadt, da es nun hier wesentlich milder ist als in Srinagar, wo ich vergangene Woche noch bitter frieren mußte.
In Jammu leben überwiegend Hindus, auch ein paar Sikhs und Muslime. In der ganzen Innenstadt findet man an jeder Ecke irgendeinen Tempel, von denen viele bundesweit bekannt und Ziele organisierter Wallfahrten sind. Fast jeder davon glänzt mit einer Besonderheit, die ihn in Indien einzigartig macht (die Anzahl der möglichen Besonderheiten ist fast unbeschränkt und liegt nur wenig unter der Gesamtanzahl der Tempel). Dazu kommen dann noch Höhlentempel in der Peripherie der Stadt; es wird sogar behauptet, daß einer davon eine unterirdische Verbindung bis nach Srinagar aufweise. In allen Tempeln der Stadt herrscht leider Photoverbot, angeblich aus Sicherheitsgründen wegen der pöhsen Muslim-
Für einen Maharaja muß das Sofa aus Gold sein
Der Stadtpalast Amar Mahal
J&K wurde bis 1951 von lokalen Fürsten aus der Dogra-Dynastie beherrscht. Die Maharajas leisteten sich auch einen Palast (Amar Mahal), der bizarrerweise wie ein französisches Landschloß aussieht; heute ist er natürlich zum Museum umfunktioniert.
Der verschwenderische Lebensstil der Dogra-Maharajas erweckt angesichts der Bettler auf der Straße etwas Übelkeit, und man entwickelt beschränktes Verständnis für die brutalen und rechtsstaatlich bedenklichen Enteignungsgesetze, mit denen die indische Regierung nach der Unabhängigkeit dem Treiben all dieser adeligen Tunichtgute ein Ende setzte.
Mehr Stilsicherheit bewies der Maharaja beim mogulische Garten Bagh-e-Bahu, der leicht erhöht im Bereich der Befestigungsanlage (Fort) liegt und einen schönen Blick über die Stadt bietet. Dank drakonischer Strafen für Verschmutzer ist er so, wie etwas sauber sein kann, das von einer Horde lebenslustiger Affen bewohnt wird. Die mogulische Gartenbaukunst ist aus Persien importiert und betont die islamische Vorliebe für strenge Symmetrie und Ornamentik in einer symbolischen Abbildung der Welt aus Wasser, Vegetation und Gebäuden. Man findet solche Gärten in Indien nur an Orten mit muslimischer Prägung,
Der mogulische Garten Bagh-e-Bahu
Das Aquarium im Bahu-Fort
Gleich neben dem Garten markiert ein riesiger Fisch mit weit geöffnetem Maul den Eingang zu einem Aquarium und Meeresmuseum; etwas ungewöhnlich für ein der Aquaristik verschriebenes Etablissement sind allerdings die ausführlichen Tips zur sachkundigen Zubereitung von Fisch, gleich neben den Hinweisen zur erfolgreichen Aquariumspflege.
Diese beiden Hübschen müssen wohl betteln, um ihre Lippenstift-Rechnungen bezahlen zu können.
Facepalm (vermutlich ein Leser der Kattu Satya); im Hintergrund der Mubarak Mandi
Als Hanuman verkleideter Bettler nahe dem Kali-Tempel Bavey Wali Mata Mandir
Innerhalb des Forts trifft man auf noch mehr Tempel; der quirligste davon ist der Bavey Wali Mata Mandir, der der Göttin Kali geweiht ist.
Auch die Märkte vor den Tempeln sind sehenswert: Dort erstehen die Hindus unter anderem Opfergaben, die sie dann im Tempel an die Brahmanen weiterreichen (und diese wahrscheinlich in der Nacht an die Händler zurückverkaufen), und man sieht allerhand phantasievoll kostümierte Gestalten, die sich als Bettler mit religiösem Anstrich Verdienstquellen erschließen, wie es sie nur in Indien geben kann.
Ein extrem absurdes Erlebnis war die Begegnung mit den Redakteuren einer Lokalzeitung. Auf dem Rückweg von der Besichtigung des total verfallenen Palastes Mubarak Mandi traf ich auf einige Männer, die entspannt auf einem Flachdach in den Abend hinein faulenzten. Die Typen forderten mich auf, zu ihnen aufzusteigen, und erwiesen sich als die Redaktion des Revolver- und Käseblattes Kattu Satya (die „beißende Wahrheit“). Es stellte sich heraus, daß sie für den nächsten Tag noch zu viel Platz in ihrer Zeitung hatten, und so mußte ich ihnen ein Interview geben. Dieses drehte sich merkwürdigerweise gänzlich um die militanten Muslim-
Ich logiere in der Soma Lodge gleich am Busbahnhof. Der Name verweist nicht auf die in den Veden beschriebene Droge, sondern auf den Besitzern, Herrn Soma, der mir als eine Art Fremdenführer den Weg zu allen interessanten Sehenswürdigkeiten der Stadt beschrieb und mich sogar mit selbstgekochten Leckerbissen verwöhnte, aber dazu später mehr.
Der Verkehr vor dem Panjtirthi Mandir ist tierisch unübersichtlich
Kamele sieht man im Nordwesten Indiens fast täglich
Jammu hat ein bis zwei Millionen Einwohner, viele davon Flüchtlinge aus dem Hochtal von Kashmir, wo es mittlerweile kaum noch Hindus gibt. In der Stadt drängen sich die Häuser dicht an dicht, mit winzigen Gäßchen dazwischen. Diese wären meiner Meinung nach sogar für einen Fahrradfahrer zu schmal, selbst wenn sie nicht mit Unrat, fliegenden Händlern und schwatzenden Nachbarn brechvoll angefüllt wären. Die indische Realität sieht das natürlich ganz anders, und so bewältigen wild hupende Motorradfahrer im Minutenabstand diesen Hindernisparcour.
Noch schlimmer sieht es auf den wenigen Straßen aus, die breit genug für mehrspurigen Motorverkehr gebaut sind. Da die Gehsteige (die gibt es wirklich, auch wenn man sie lediglich für überdachte Abwasserkanäle halten möchte!) ohnehin mit Händlern und parkenden Fahrzeugen verstopft sind, teilen sich hastige Fußgänger, übellaunige Kamele, blökende Schafe und ungeduldige Fahrzeuglenker die schmale Fahrbahn. Das wirkt dann ein bißchen so, als ob ein paar Tausend LSD-Junkies im Horrortrip wenig erfolgreich versuchen, sich als unschuldige Verkehrsteilnehmer zu tarnen. Regelmäßige Verkehrsschilder mit Aufschriften wie “Speed thrills but kills” setzten da keinen wirksamen Kontrapunkt.
In solchen improvisierten Kneipen (Dhaba) bekommt man die besten Hülsenfrüchte
Restaurant-Kichererbsen mit viel scharfem Öl
Kulinarisch ist Jammu nicht herausragend, aber guter Durchschnitt. Der riesige und quirlige Busbahnhof ist voller kleiner Restaurants mit vegetarischer Standard-
Hausmannskost-Kichererbsen mit mächtig viel Butter
Pilz-Curry
Mein Hotelier, Herr Soma, wurde von mir mit einigen kulinarischen Fragen gelöchert und erbot sich dann, mir einige (von seiner Frau) selbstgekochte Spezialitäten zu servieren (als Brahmane lebt er natürlich vegetarisch). Besonders im Gedächtnis blieben die Pilze, die mit viel Knoblauch, Kreuzkümmel und Koriander in einer Unmenge Butterschmalz (Ghee) gedünstet und mit gehackten Tomaten abgelöscht waren. Die Pilze, so erklärte er mir, stammen aus Zuchtbetrieben und seien das ganze Jahr über, besonders aber im Winter, verfügbar.
Süßer Pulav
Gajarela (Milch–Karotten-Pudding)
Eine Großstadtkuh döst am Mittelstreifen einer „Hauptstraße“.
Pullao mit Gemüse- und Paneerstückchen
Außerdem überzeugte er mich mit einem vegetarischen Reisgericht (Pullao), aus herrlich lockerem Basmati-
Alle diese Speisen waren heftig gebuttert, entweder, weil sie in Ghi gebraten waren, oder weil vor dem Servieren noch ein Stück Butter darunter gerührt worden war. Butter wird ja aus Milch gemacht, und die Milch kommt von der Kuh, und die Kuh ist heilig; wen wundert es da, daß der Verzehr von Butter als verdienstvoll gilt? Wegen des hohen Preises ist es allerdings kaum möglich, Butter als einziges Fett zu verwenden: Ghi kostet etwa 4 Euro pro Kilogramm, und das ist in einem Land, in dem ich ein Hotelbett um 3 Euro bekomme, einfach zuviel. Deshalb spielen Pflanzenfette, hier in Nordindien vor allem Sesam- und Senföl, die dominierende Rolle bei der Fettversorgung der Bevölkerung.
Es mag ja hunderte Millionen Kühe in Indien geben, aber wer die ausgemergelten Gestalten am Straßenrand gesehen hat, der wundert sich über jeden Tropfen Milch, den die armen Viecher zu geben in der Lage sind. Die indischen Stadtkühe haben ein hartes Karma: Abfall gibt es zwar genug, aber ob es sich um ein verdauliches Stück Pappe oder doch um eine Plastikflasche handelt, merken die geistig wenig wendigen Paarhufer erst nach fünfminütigem Kauen. Da sie herrenlos sind, werden sie von Freelancern gemolken, die die Milch dann an kleine Betriebe verkaufen, die daraus Joghurt, Butter oder Frischkäse herstellen.
Nächste Woche fahre ich nach McLeod Ganj, auch “Little Lhasa” genannt. Dort ist der Sitz der tibetischen Exilregierung.
P.S.: Da ich mit diesem Reisebrief ziemlich unzufrieden war, habe ich ihn (als einen von sehr wenigen) später etwas überarbeitet und erweitert. Es soll mir ja nicht so gehen wie dem Besitzer dieses Gemäuers in Jammu, der sich gegen eine Sünde der Vergangenheit (in diesem Fall orthographischer Natur) nur noch mit einer Mauerbegrünung zu helfen weiß.
Was machen wir bloß mit dem überzähligen L? Farbe reicht nicht, also muß es die Schlingpflanze richten.
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