Landkarte
Tirupati Kanchipuram

Mamallapuram மாமல்லபுரம் (Tamil Nadu)

Five Rathas (Draupadi, Arjuna, Bhima, Nakula-Sahadeva, Yudhishtira) Hindu rock temples, Mamallapuram, Tamil Nadu (India)

Die Fünf Rathas in Mamallapuram: Von links nach rechts Draupadi, Arjuna, Bhima, Nakula–Sahadeva und ganz rechts fast verdeckt Yudhishtira

Descent of Ganga relief in Mamallapuram, Tamil Nadu (India)

Felsrelief mit gut lebensgroßen Elefanten

Beware of false teachers (cat/mouse), detail of Descent of Ganga relief in Mamallapuram, Tamil Nadu (India)

Trau keinem falschen Lehrer: Die Katze lehrt die Mäuse das Tanzen (offenbar, um sie hinterher zu verzehren)

Krishna Butterball Granite Erratic in Mamallapuram, Tamil Nadu (India)

Der Granitfindling Krishna’s Butterball liegt auf einem beängstigend schiefen Untergrund

Liebe Birgit,

nun bin ich also in Tamil Nadu, dem (nach Mei­nung der Tamilen) kulturel­len Kern­land Süd­indiens. Diese selbst­bewußte Aussage stützt sich unter anderem darauf, daß sowohl Bau­kunst als auch Literatur im Tamilen­land weiter zurück­reichen als in den Nachbar­staaten, und daß die lokale Kultur in hohem Maß selb­ständig sei, mit wenig Einfluß von außen. Hier in Mamalla­puram (das früher Mahabali­puram hieß) ist man sogar geneigt, das zu glauben.

Das Städt­chen mit seinen gut 10000 Ein­wohnern liegt direkt am Golf von Bengalen, ungefähr 60 km südlich der Haupt­stadt Chennai (dem früheren Madras). Heute hat es keine über den Tourismus hinausgehende Bedeutung, aber das muß wohl einmal anders gewesen sein: Anders ist es nicht zu erklären, daß sich hier die ältesten Tempel Südindiens finden, aus der frühen Pallava-Dynastie (etwa 7. Jahr­hundert), und das in einer geradezu unheimlichen Konzentration und Häufung.

Die ganze Dekkan-Halbinsel besteht aus uraltem Granit. Ver­witterungs­bedingt tauchen immer wieder riesige, oft halb ver­grabene Findlinge, Fels­platten oder anders geformte Bruch­stücke in der Küsten­ebene auf. Daraus ergibt sich beträchtliches künstlerisches Potential, denn der Granit ist steinhart und durch seine glitzernden Einschlüsse auch ziemlich attraktiv.

Kirushna Koyil cave temple, Mamallapuram, Tamil Nadu (India)

Im Kirushna Koyil sieht man, wie Krishna einen Berg hochhebt, um Dorfbewohner vor einem Unwetter zu schützen

Five Rathas Rock Temples: Yudhishtira, Mamallapuram, Tamil Nadu (India)

Der Yudhistira-Felsentempel

Magishamardini Mandapam cave temple, Mamallapuram, Tamil Nadu (India)

Im Höhlentempel Magishamartini Mandapam

Die einfachste Kon­struktion ist ein Höhlen­tempel: Man schlägt eine fünf bis zehn Meter tiefe Höhle, also eher eine Nische, in den Fels. Dekora­tive Elemente wie Säulen, Kult­figuren und Reliefs sind nicht etwa nachträglich eingebaut, sondern gewach­sener Fels, der beim Formen der Höhle „übrig­gelassen“ wurde. Hier gibt es eine Anzahl solcher Höhlen­tempel, von denen sich die meisten in einem engen Areal drängen, das als öffentlicher Park viel besucht wird.

Auch die Felsen­tempel sind mono­lithisch, d. h. be­stehen aus einem einzigen Stück. Daß sie trotz­dem wie frei­stehende Häuser wirken, liegt nur an der Kunst der Steinmetze, die die Illusion eines Gebäudes erzeugen, wo in Wahrheit nur Fels ist. Aus unerklär­lichen Gründen wird dieser Tempeltyp hier ratha genannt, was eigentlich ein Sanskrit-Wort ist und „Streit­wagen“ bedeutet (natürlich verwandt mit Rad).

Besonders bemerkens­wert ist die Gruppe der Fünf Rathas mit fünf stilistisch völlig unter­schiedlichen Felsen­tempeln, die aus ein und dem dem­selben riesigen Mono­lithen heraus­gemeißelt wurden. Das sieht ein bißchen so aus wie ein Wett­bewerb aus Eisfiguren­schneiden oder Sandburgen­bauen, wo En­sembles wunderbarer Einzel­stücke entstehen, von denen keines zum Nachbarn paßt. Historiker haben die (zum Teil nicht ganz vollendeten) Fünf Rathas schon als Versuchs­labor oder als Sammlung aller zu diesem Zeit­punkt verbreiteten Tempel­typen bezeichnet. Offen­bar war Mamalla­puram bereits damals ein Zentrum der Steinmetz­kunst, mit ver­schiedenen Schulen im Konkurrenz­verhältnis — daß das heute noch so ist, sieht man an den Souvenir­händlern, die selbst­gemeißtelte Granit­elefanten oder tanzende Shivas aus Olivin anbieten, und deren ständiges Gehämmere eine angenehme Hintergrund­akustik im Touristen­viertel erzeugt.

Shore temple (Katarkaraik Koyil), Mamallapuram, Tamil Nadu (India)

Der Strandtempel

Rock carving ganesha with Laptop (portable computer), Mamallapuram, Tamil Nadu (India)

Innovatives Souvenir: Ganesha mit Laptop

Zuletzt gibt es hier auch noch ein Beispiel eines gemauer­ten Tempels, der direkt am Ufer steht und allgemein als “shore temple” bekannt ist, auf Tamilisch Katarkaraik Koyil. Dieser möglicher­weise älteste Tempel Süd­indiens ist aus Granit­blöcken gebaut und zeigt bereits stark verwitterte Reliefs. Mit seinen spitzen Türmen bietet er einen eleganten Anblick, auch von der See­seite. Unter euro­päischen Matrosen des 16. Jahr­hunderts war Mamalla­puram als „Ort der Sieben Pagoden“ bekannt, und niemand weiß, wo die anderen sechs stehen (oder ob es sie überhaupt jemals gegeben hat). Der Tsunami von 2004 hat jedoch einiges an Sediment vom Meeres­grund weggewaschen, und es kamen dabei Mauern zum Vorschein, die möglicher­weise zu weiteren Tempeln gehören.

Mamalla­puram ist ein „Traveler­paradies“, die Individual­touristen sammeln sich hier also zu Kol­lektiven. Der Ort hat auch zweifel­los einen hohen Charme­faktor durch die Kom­bination aus exzel­lenter touristischer Infra­struktur (es gibt sogar mein deutsches Lieblings-Duschgel zu kaufen, ganz zu schweigen vom Toiletten­papier), freundlicher Atmo­sphäre, Strand und viel Kultur; auf der Minus­seite bilanzieren dagegen die töd­liche Hitze (“Even the Bollywood stars are not that hot”) und die Moskitos, die ab der Dämmerung in Schwärmen auftreten und die gegen mosquito coils völlig immun sind, obwohl diese stinkigen Räucher­spiralen neben Pflanzen­extrakten auch echte Insektizide enthalten und andernorts recht zuverlässig alles Stechende fernhalten.

Kulinarisch ist die Anwesen­heit von Touristen wie immer eine zwei­schneidige Angelegenheit: Schicke Restaurants mit Dach­terrassen und hand­geflochtenen Ratan-Möbeln laden zwar zum Verweilen ein, aber das Essen! Kommt man wirklich nach Indien, um amerikanisches Thunfisch­steak, britisches Roast­beef oder italienische Pizza Frutti del Mare zu essen, beziehungs­weise irgend­welche Approxima­tionen dazu?

Der Touristen­bezirk ist aber nur einen Straßen­zug lang, und dann ist man schon wieder in Indien. Billige Kneipen bieten meals, also Reis mit Curries zum Nach­nehmen, an, und anderen üblichen Ver­däch­tigen – Dosa, Idli, Purota – sind auch zu haben. Mit mehreren Curry­gerichten pro Mahlzeit bekommt man dann rasch einen Eindruck, was so alles in tamilischen Mägen landet.

Indian / Tamil food: Dal, Sambar, Drumsticks, green beans and Rasam

Tamilische Speisen: Von oben im Uhrzeigersinn Dal, Sambar, Drumsticks in Kokos­milch, trockene Bohnschoten, Rasam

Indian / Tamil food: Red beetroot curry and Dal with dried Kundu Milagai chili

Rote Rüben und Dal mit dem Kundu Milagai

Indian / Tamil food: Dal, Dry curry fom split peas

Trockener Curry aus Zwiebeln und Spalterbsen

Indian / Tamil food: Meal served on banana leaf

Tamilisches meals: Von links nach rechts Kartoffeln in Kokos­milch, trockene Rote Rüben, Joghurt, Rasam, Dal, Sambar

Was ich bis­her ge­gessen habe, hinkt ein bißchen hinter meinen Erleb­nissen in Andhra hinterher. Rasam und Sambar schmecken hier sehr ähnlich wie beim nörd­lichen Nachbarn, alles ist zwei Töne milder, aber dafür gibt es mehr Abwechs­lung zwischen den ein­zelnen Curries eines Mahles. Diese Ab­wechslung betrifft sowohl den Ge­schmack als auch die Kon­sistenz. So findet man neben einem scharf-säuerlichen Dal auch einen süßen Curry aus in Kokos­milch geschmorten drumsticks, das ist ein bohnen­artigens Gemüse, das hier auf Bäumen (Moringa oleifera) wächst. Oder neben vielen brei­artigen Zube­reitungen auch einen „trockenen Curry“ aus vorge­kochten Kartoffeln, Mais­körnern oder Roten Rüben, die mit Öl und ein paar Gewürzen in der Pfanne geschwenkt werden.

Die wich­tigsten Ge­würze der Region sind Senf­samen und Curry­blätter, die nun wirklich in so ziemlich ihren ihren aromati­schen Finger­abdruck hinter­lassen — dazu kommen natürlich noch die Chilies. Gelegentlich findet man etwa kirschgroße, abgerundet–kegel­förmige ganze Chilies im Sambar oder im Dal; sie heißen einfach Kundu Milagai (also „runder Chili“) und haben ein wunderbares Paprika­aroma, und natürlich eine nette Schärfe. Senf­samen werden vor Verwendung immer geröstet, wobei die kleinen braun­schwarzen Kugeln eine gräuliche Farbe und einen rauchigen bis brenzigen Geschmack annehmen (wenn sie beim Rösten nicht schon aus der Pfanne gehüpft sind, das tun sie nämlich liebend gerne).

Viele Spei­sen werden nur mit diesen drei gewürzt, oft noch ergänzt durch Bockshorn­klee, Koriander oder Asant. Aller­dings kommt noch eine Kom­ponente dazu, die ich für typisch süd­indisch und ganz beson­ders tamilisch halte. Das sind getrock­nete Hülsen­früchte, die hier trocken geröstet werden, bis sie einen nussigen Geschmack mit Röst­aromen entwickeln. Besonders gern nimmt man die gelben Spalterbsen, die auf einen goldgelben Farbton geröstet und dann vermahlen oder, mit geringer Kochzeit, auch ganz gebraucht werden. Besonders die trockenen Curries enthalten gerne eine Handvoll davon.

Nächste Woche fahre ich nach Kanchipuram, das ist der Abwechslung halber wieder einmal eine Tempelstadt.


Tirupati Kanchipuram

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