Landkarte
Imphal 3 Siehe auch Dharan, Pashupatinath, Varanasi und Srirangapatnam Surkhet

Narayangadh (Bharatpur) नारायणगढ (भरतपुर) (Nepal)

Hindu shrine at the banks of Narayani river in Narayangarh (Terai, South Nepal)

Kleiner Tempel im Stadtgebiet von Narayangadh

Fisherman in Narayani river in Narayangarh (Terai, South Nepal)

Fischer im Narayani-Fluß

Liebe Birgit,

da die Zeit in Indien viel zu rasch ab­ge­laufen ist, melde ich mich heute wieder einmal aus Nepal. Ich bin, wie schon zwei­mal zuvor, über den Grenz­übergang in Kakar­bhitta ein­ge­reist und von dort Rich­tung Westen gezogen; zur Zeit stöhne ich immer noch über die früh­sommer­liche Hitze im nepali­schen Flach­land, dem Terai.

Zu den Or­ten Nepals, um die Tou­risten einen großen Bo­gen machen, gehört auch Nara­yan­gadh, das Du manch­mal auch als Nara­yan­ghat (oder auf Englisch als Nara­yan­garh) ge­schrie­ben findest. Wie die meisten Terai-Orte glänzt auch Narayan­garh mit einer staubi­gen Atmo­sphäre und einem perfekten Mangel an irgend­etwas Histori­schem — das ist auch kein Wunder, die groß­ange­legte Be­sied­lung des Terai liegt ja auch weniger als ein Jahr­hundert zurück, zuvor war das ganze Gebiet eine von Elefanten und Nas­hörnern durchstreifte Wald- und Savannen­landschaft voller Malaria-Mücken.

Pilgrim offering his hair at Devghat near Narayangarh (Terai, South Nepal)

Ein Pilger opfert der frischvereinigten Narayani seine Haare

Jungle surounding Devghat near Narayangarh (Terai, South Nepal)

Der Wald rund um Devghat

Devghat Samudra (river confluence) near Narayangarh (Terai, South Nepal)

Der Samudra von Devghat: Rechts hinten die Gandaki, im Vordergrund die Trishuli und links die Nayarani

Trotzdem gibt es hier etwas zu sehen, und zwar etwas Hinduisti­sches: Die Stadt liegt am Ufer des Nayarani-Flusses, der zwei oder drei Kilo­meter nörd­lich von hier an einem Ort namens Devghat beim Zu­sam­men­fluß der Trishuli mit der Gandaki ent­steht. Nun ge­nießen Flüsse im Hinduis­mus immer den Ruf ge­stei­gerter Heilig­keit, und so ein Zu­sammen­fluß ist daher dop­pelt heilig (wie ich ja schon einmal aus Süd­indien ge­schrie­ben habe). Solche Orte be­zeich­net man oft mit dem Sans­krit-Wort Samudra „Zusammen­fluß“, in weiterer Folge nahm das Wort auch die Bedeu­tung „Ozean“ an, weil dort ja alle Flüsse letztlich hin­fließen (Sanskrit udram heißt „Wasser“ und ist natürlich mit Griechisch hýdor ὕδορ urverwandt).

In Narayan­garh selbst ist höch­stens das Ufer der Nayarani eine Be­sichti­gung wert. Dort stehen ein paar kleine Schreine, und wenn man Glück hat, dann findet man zwischen all den fuß­ball­spielen­den Young­sters (ja, wirk­lich! kein Cricket! Kultu­reller Aus­verkauf?) ein paar ältere Her­ren bei einem hin­duisti­schen Ritual. Außer­dem kann an ein paar Fischer beobachten, wie sie vom Ufer ihre Netze aus­werfen oder mit kleinen Holz­kähnen umher­schippern — aber der niedrige Wasser­stand nimmt der Szene viel von ihrem Glanz. Natür­lich wird am Ufer auch Klei­dung gewaschen, und die Bewoh­ner der um­liegenden Holz­baracken müssen sogar ihre Bäder in der Öffent­lich­keit nehmen, was von allen Um­stehen­den mit vor­bild­licher Dis­kretion ge­hand­habt wird.

Fährt man mit dem in ein- bis zwei­stündi­gem Ab­stand ver­kehrenden Bus die zwanzig Minuten bis nach Dev­ghat, dann durch­quert man einen Wald, der einen Ein­druck davon vermit­telt, wie das Tarai früher aus­sah. Wald heißt in allen nord­indi­schen Sprachen jangal, aber die roman­tische Vor­stellung von einem Dschungel als „grüner Hölle“ ist gar nicht an­ge­bracht: Erstens be­zeichnet man im Indi­schen jeden Wald so, selbst einen Park; und zweitens waren diese Wälder gar nicht so voller Dickicht und und Wild­heit, wie man glauben möchte. Die meisten Wälder des tropischen Flach­lands sind relativ dünn und wirken ge­rade­zu auf­geräumt; die dichten Baum­kronen schirmen das Licht ab, so daß am Boden wenig Lebens­raum übrigbleibt, und die enorme Arten­viel­falt sieht man erst, wenn man sich in die „Chef­etage“ hochbewegt.

Hindu funeral at Devghat near Narayangarh (Terai, South Nepal)

Die Leichen sind in bunte Stoffe gehüllt

Sadhu (hindu ascet) at Devghat near Narayangarh (Terai, South Nepal)

Ein heiliger Asket am staubigen Ufer der Narayani

Pyres for Hindu cremation at Devghat near Narayangarh (Terai, South Nepal)

Scheiterhäufen am Ufer der Narayani

Das Ufer der frisch­gebil­deten Nara­yani ist zur Zeit gut zu­gäng­lich; Sand und Ge­röll bilden so­zu­sagen ein natür­liches Ghat, an dem ständig Leichen­verbren­nungen statt­finden; für die Massen an Feuer­holz muß der Wald her­halten, und da sind Ka­pazitäts­probleme vor­program­miert. Der Ort Dev­ghat ist winzig und be­steht nur aus ein paar Tem­peln und der dazu un­bedingt not­wendi­gen Infra­struktur (darunter auch Tee­stände) sowie einem großen Park­platz, an dem ge­charter­te Busse auf die Rück­kehr der Trauer­gäste warten. Alles wirkt sehr ruhig, fast ver­lassen; ein paar ältere Priester dösen in der brü­tenden Hitze, und die Affen turnen auf einer riesigen Hanuman-Statue herum (wahr­schein­lich fragen sie sich, warum dieser große Affe nicht mit­spielen will).

Viele die­ser Tempel bieten einen Platz zum Medi­tieren und Lernen für die­jeni­gen Hindus, die der alten Sitte folgend als drit­ten Lebens­abschnitt der Welt ent­sagen und sich spiri­tuell ver­voll­kommnen möchten. Nach hin­duisti­schem Brauch soll ein Brahmane in seiner Jugend die heili­gen Texte stu­dieren (Brahma­charin), danach eine Fa­milie gründen und einen Sohn zeugen (Griha­stha) und dann erst als Ein­siedler in Ab­ge­schie­den­heit weiter­lernen (Vana­prashtha) und zu­letzt sogar allen Besitz auf­gebend als wan­dernder Bettler umher­pilgern (Samnyasin, heute eher als Sadhu bekannt). Die alte Sitte ist in der mo­der­nen Zeit schlecht durch­zu­halten, ins­beson­dere ist der Platz für wald­bewoh­nende Ere­miten knapp geworden; deshalb ist es üblich, in kleinen Gruppen am Tempel einzusiedeln.

Nepali Food: Sekuwa, grilled mutton

Brutzelnder Lammspieß (Sekwa)

Nepali Food: Gudruk Salad (fermented dried cabbage)

Gundruk-Salat

Nepali Food: Patmas (toasted bean salad)

Patmas

Nepali Food: Gudruk (fermented dried cabbage)

Einfacher gewässerter Gundruk

Was das Eß­bare be­trifft, so ist Narayan­garh die er­wartete Total­pleite: Das Tarai ist ein­deutig kein Fein­schmecker­land, und außer Dal Bhat Tarkari, Linsen mit Reis und Gemüse, ist kaum etwas auf­zu­treiben; im besten Fall gibt es noch Snacks aus Kicher­erbsen, Kartof­feln und anderem Gemüse mit ge­preßten Reis­körnern (Chiura), die leider nur außer­lich an die pikanten Newari-Snacks aus Kathmandu erinnern. Das Beste war Patmas, eine Art Salat aus gerösteten Soja­bohnen mit Tomaten­stück­chen und grünem Chili; das war wirklich ganz gut, aber seit dem ich es ge­gessen habe, glaube ich zu ver­stehen, warum so viele Nepali Zahn­lücken haben.

Deshalb grei­fe ich ein paar Tage zu­rück: In Kakar­bhitta habe ich nämlich, zu meiner eigenen Über­raschung, durch­aus brauch­bar ge­gessen (sonst gibt es dort aller­dings exakt nichts zu sehen oder zu tun, außer eine Ver­küh­lung aus­zukurie­ren — warum kriegt man die eigent­lich immer dann, wenn es warm wird?). Zu den High­light gehörten vor allem die über Holz­kohle ge­grillte Lamm­spieße Sekuwa, die man (sechs oder sieben Fleisch­stücke zum Preis eines Dhalbhat) abends an einigen Orten nahe dem Bus­bahnhof bekommen kann.

Außerdem kam ich in den Genuß von Gundruk, jenem fer­men­tierten und getrock­neten Kohl, den ich schon einmal in Hile pro­bieren konnte. In Kakar­bhitta bekam ich Gundruk sogar zwei­mal, und zwar roh: Eine Freß­bude des Mark­viertels ser­vierte zum Dal­bhat einfach rohen, in Wasser einge­weichten Gundruk als pikante, salzig–fer­men­tiert schmeckende Bei­lage, und in einem teure­ren Hotel bekam ich ihn als Salat mit rohen Zwiebeln, Chilies und Tomaten­scheiben. Beides kann ich nur empfehlen!

Bhutanese food: Himadatshe (Cheese and Chili soup)

Himadatshe

Bhutanese food: Himadatshe (Cheese and Chili soup)

Himadatshe in Großaufnahme

Bhutanese Food: Fresh Cow Milk Cheese and Chili for Himadatshe

Zutaten für Himadatshe (Käse und Chili)

Der Knal­ler war aber eine Zu­falls­bekannt­schaft mit einem Bhutane­sen, der Freunde in Nepal besucht hatte und sie mit dem Na­tional­gericht seiner Heimat be­glück­te: Hima­datse (auf nepalisch schreibt man wohl Hima­datshe), die berühmt–berüch­tigte Käse­suppe mit viel Chili. Vor einiger Zeit hatte ich mit be­schränk­tem Genuß eine sehr touristi­sche Version in einer Touri-Kneipe im schönen Dharam­sala probiert, aber dies­mal gab es die Echte™, zu­berei­tet mit einem Kuh­milch-Frisch­käse, der ein bißchen an Mozarella er­in­ner­te (aber weniger elastisch war) und ge­trock­ne­ten Chilies. Letz­teres ver­blüff­te mich, da ich in diesem Zu­sam­men­hang immer nur von grünen Chilies ge­lesen hatte, aber der gute Mann war sich sicher: Zu Hima­datshe nimmt man große, sehr aro­matische Chilies mit mitt­lerer Schärfe, wie sie nur in Bhutan zu finden sind. Er hatte auch einige dieser Schoten dabei, und die er­inner­ten mich an nichts, was ich in Asien zuvor je gesehen hatte; mexi­cani­sche Anchos kommen von Form und Geschmack ungefähr hin, sind aber nicht scharf genug.

Auch die Sup­pe selbst ließ weder bei Ge­schmack noch bei Exotik zu wünschen übrig: Offen­bar briet er einfach Zwiebeln mit ein paar Gewürzen und den grob zer­kleinerten Chilies kurz an, goß mit Wasser auf und ließ den Käse darin schmelzen. Das ganze bindet nicht wirklich wie bei Fondue zu einer echten Käse­sauce ab, da der Emul­gator fehlt; statt­dessen bildet der Käse weiche, fädige Klumpen, die beim Essen ein an­geneh­mes Mund­gefühl her­vor­rufen. Der Ge­schmack war einfach und ganz vom Chili dominiert — so feurig–scharf, wie ich das oft gelesen hatte, war sie nicht, aber doch sehr zu­frieden­stellend. Allein dafür hatte sich der Schnupfen in Kakarvitta mehr als gelohnt!

P.S.: Vom Oberlauf der Gandaki wird später noch viel mehr zu erzählen sein.


Imphal 3 Surkhet

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