Landkarte
Somanatha­pura Siehe auch Narayangarh Kolkata, Pokhara2 Belur und Halebid

Sriranga­patana ಶ್ರೀರಂಗಪಟ್ಟಣ (Karnataka)

Inner courtyard of Ranganatha-Swami Devalaya temple, Srirangapatnam, near Mysore, Karnataka (India)

Innenhof im Ranganatha­swami-Tempel

Gopuram of Ranganathaswami Devalaya temple, Srirangapattana, near Mysore, Karnataka (India)

Das Gopuram zum Sri Ranganatha­swami Devalaya

Liebe Birgit,

ich residiere immer noch in Mysore und möchte heute unter anderem von einem kurzen Ausflug in ein Dorf namens Sriranga­patana erzählen, das auf den ersten (und auch auf den zweiten) Blick reichlich provinziell und unbe­deutend erscheint. Wer aber genauer hinsieht, der findet nicht nur einen groß­artigen Vishnu-Tempel, sondern auch jede Menge Relikte aus dem 18. Jahr­hundert, als Srirangapatana Hauptstadt eines kurzlebigen Sultanats war, das das ganze Gebiet von Mysore umfaßte.

Brahmins at Ranganatha-Swami Devalaya temple, Srirangapattana, near Mysore, Karnataka (India)

Brahmanen im Ranganatha­swami-Tempel

Inner courtyard of Ranganatha-Swami Devalaya temple, Srirangapatnam, near Mysore, Karnataka (India)

Innenhof im Ranganathaswami Devalaya

Beginnen wir mit dem Sri Ranganatha­swami Devalaya, einem Pracht­exemplar der süd­indi­schen Tempel­bau­kunst (und laut lokaler Legende drei­tausend Jahre alt). Bereits von weitem grüßt ein hoch auf­ragendes Gopuram die Pilger, die sich dem Tempel auf einer schnur­geraden Straße voller Ver­käufer und De­votiona­lien­händler nähern müssen. Nach dem Be­treten durch­quert man zu­erst eine große Säulen­halle und kommt dann in einen großen, gewölbe­artig wir­kenden Haupt­raum, der in seiner Stim­mung an die her­rlichen tamili­schen Tempel in Kanchi­puram erinnert. Das Heilig­tum in der Mitte ist bau­lich ab­getrennt und be­her­bergt eine Vishnu-Statue, vor der einige Brahma­nen indi­v­iduell zu­sammen­gestellte und bezahlte Zere­monien an­bieten; dazu hängt am Tempel­eingang eine Liste aus, die von fünf (für einen Zweig Basilikum) bis fünf­hundert Rupien reicht.

Der Ranga­natha-Swami-Tempel war trotz der frühen Morgen­stunde gut be­sucht, und auch die Neben­schreine an der Außen­wand der großen Halle wurden von in Weiß ge­klei­deten Brahma­nen be­treut. Im ganzen Haupt­raum war das Photo­graphieren leider ver­bo­ten, aber beim Hinaus­gehen beob­achte­te ich eine Pro­zes­sion, die ein ver­hülltes Götter­bild in einer Sänfte zu einem Neben­gebäude trans­portierte, wobei ein Brahmane mit dem Wedel umher­schlug, als ob er Flie­gen ver­jagen wollte, und dabei waren Schnapp­schüsse erlaubt.

Dariya Daulat Bagh (summer palace of Tipu Sultan), Srirangapatna, near Mysore, Karnataka (India)

Dariya Daulat Bagh, der Park mit dem Sommerpalast von Tipu Sultan

Jamia Mosque of Tipu Sultan, Srirangapatna, near Mysore, Karnataka (India)

Die Jamiya Masidi

Zwischen dem Tem­pel und dem Bus­bahn­hof liegt, einiger­maßen über­raschend, eine große Moschee, die Jamiya Masidi. Sie wurde von Tipu Sultan gebaut, der im späten 18. Jahr­hundert Sri­ranga­patnam zur Residenz­stadt ausbaute. Sein Vater, Hyder Ali, stand zwar formal im Dienst der zu diesem Zeitpunkt sehr schwachen Wodeyar-Maharajas von Mysore, aber in der Praxis herrschte er als Sultan über das ganze König­reich. Damit hatte Hyder Ali eines der wenigen muslimischen Herrscher­häuser Süd­indiens begründet; aller­dings bestand es nur ein­einhalb Generationen lang, denn Tipu Sultan fiel in einem Krieg mit den Briten, und danach übernahm die wieder­erstarkte Wodeyar-Dynastie aus Mysore erneut das Ruder.

Sangama (river confluence) at Srirangapattana, near Mysore, Karnataka (India)

Am Sangam

Gumbaz (Tomb of Tipu Sultan), Srirangapattana, near Mysore, Karnataka (India)

Gumbaz, das Grab von Tipu Sultan

Es gibt noch weitere materi­elle Hinter­lassen­schaften Tipu Sultans: Sein Sommer­palast Dariya Daulat liegt in­mitten eines kleinen Parks und zieht zahl­lose Be­sucher an — ich habe mich aller­dings ge­weigert, da man trotz zwanzig­fachen Ein­tritts­preises für Aus­länder im Palast nicht photo­graphieren darf. Statt­dessen sneakte ich lieber ein paar Garten-Bilder durch die Gitter­stäbe, die das eintritts­pflich­tige Innen vom Außen tren­nen, und mar­schierte weiter zu dem Gumbaz genannten Grab Tipu Sultans, das eben­falls in einer kleinen Garten­anlage liegt.

Tipu Sultan genießt bei der Bevölke­rung bis heute einen sehr guten Ruf, und die Hindus erzählen sich wahre Wunder über seine religiöse Toleranz (Histo­ri­ker be­rich­ten die Sache anders, aber als ge­schworener Feind der Eng­länder muß er in der euro­päischen Geschichts­schreibung wohl mit un­fairer Behand­lung rech­nen). Des­halb ist das Grab­mal auch ständig mit frischen Blumen ge­schmückt, die die Besucher auf den drei Sarko­phagen für seinen Vater, ihn und seine Frau nieder­legen; daß die Leichen gar nicht hier begra­ben sind, tut der An­dacht keinen Ab­bruch. Der Grab­bau selbst ist einfach ein qua­drati­scher Raum mit einer Kuppel, ge­wisser­maßen eine sehr boden­ständige Aus­führung des Taj Mahal.

Einen Kilo­meter hinter dem Grab­mal kann man dann wieder Hindu-Frömmig­keit be­obach­ten: Of­fiziell ver­einen sich dort drei Flüsse, aber das ist etwas ge­schum­melt, denn zwei davon sind in Wahrheit nur unter­schliedliche Arme des Cauvery, der hier um eine Insel herum­fließt und sich an ihrem unteren Ende mit einem Neben­fluß trifft. Solche Stel­len sind immer heilig; im Norden werden sie oft Samudra „Zu­sammen­fluß“ genannt, aber hier ist die Bezeich­nung Sangam („Zu­sammen­kunft“) übli­cher. Ans Ufer ist eine kleine Platt­form mit Ghats und einem winzigen Shiva-Schrein gebaut, und gleich daneben bieten Brahmanen und Astro­logen ihre Dienste an.

Dipawali (Diwali) decoration in an Internet Café in Mysore, Karnataka, India

Dipawali im Internet-Café

Firecrackers rock the streets for Dipawali (Diwali) in Mysore, Karnataka, India

Dipawali auf den Straßen von Mysore

Zurück in Mysore geriet ich dann gnaden­los in die Apo­kalypse. Es wird nämlich gerade Dipawali (auch Diwali ge­nannt) ge­feiert, aber an­ders als vor einem Jahr in Kath­mandu ist das hier kein beschau­liches Lichter­fest; statt­dessen geben Knall­körper aller Art den Ton an; und das klingt wie ein Ein­marsch der Paki­stani Armed Forces. Kinder im Alter von acht Jahren spren­gen mit Klasse-IV-Explosiv­stoffen neue Schlag­löcher in die Straße, Raketen halten sich für wieder­geborene Moskitos und fliegen den Pas­santen um die Ohren, und nur ge­legent­lich sieht man ein paar un­schuldi­ge Kerzen an Haus­eingängen vor sich hin­glimmen, bis die Druck­welle einer nahen De­tona­tion ihnen den Garaus macht.

Family Shrine decorated for Dipawali (Diwali) in Mysore, Karnataka, India

Festlich geschmückter Dipawali-Familienschrein

Street firework for Dipawali (Diwali) in Mysore, Karnataka, India

Feuerwerk auf der Straße

Auf meinem Spazier­gang durch die von Kriegs­handlungen erschüt­terte Alt­stadt schoß ich mehrere Photos von einer Familie, die gleich vor dem Haus­eingang auf der Straße eine pyro­technische Orgie veran­staltete, wie ich sie mir als Kind immer ge­wünscht hatte: Bumm, Krach, Wusch. Schließ­lich wurde ich ins Haus ge­beten, erhielt ein paar Süßig­keiten zu essen und stellte fest, daß dieses lär­mende Fest tat­sächlich auch eine besinn­liche Kom­ponente auf­weist: Ein Berg von Opfer­gaben und Lichtern umgab den kleinen Haus­altar, was mich leb­haft an Weih­nachten er­innerte. Der Herr des Hauses er­klärte mir, er habe heute eine Lakshmi Puja zele­brieren lassen, und jetzt dürften sich eben die Kids etwas aus­toben; dabei deutete er auf einen Berg Papp­schachteln, die sich je­weils als Zehner­packungen diverser Feuerwerks­körper Made in India heraus­stellten. Die Aus­falls­quote ist bei diesen bil­ligen Pro­dukten übri­gens ziem­lich hoch, wes­wegen man auf der Straße auch immer wieder Leute sieht, die mit einer bren­nenden Wunder­kerze in der Hand ver­zweifelt ver­suchen, den streiken­den Knal­ler doch noch zu einer Laut­äußerung zu bewegen.

Indian Food: Dal Fry (Mysore, Karnataka, South India)

Dal Fry

Indian Food: Tomato Fry (Mysore, Karnataka, South India)

Tomato Fry

Ich ließ den Tag schließ­lich in einem muslimi­schen Veg–and–Nonveg-Restaurant ausklingen, wo ich mir je eine Portion Dal Fry und Tomato Fry gönnte, dazu einige gefaltete Brote (Parota). Das Dal besteht aus in dünner Kokos­milch bißfest gekochten gelben Spalt­erbsen mit einer satten Portion Kreuz­kümmel, Senf­körnern und Curry­blättern gewürzt waren; das Tomato Fry, einfach mit Gewürzen und Zucker eingekochte Tomaten, setzte dazu einen erfreulich fruchtig–süßen Kontrast­punkt. Bei meinem ersten Besuch dieses Restaurants schmeckte das ganze recht lasch, und der Kellner versicherte mir beim Servieren, daß er die Küche angewiesen habe, für den Ausländer auf den Chili zu verzichten; als aber dieses Miß­verständnis aus der Welt geschafft war, lief der Koch zur Höchstform auf und ließ soviele aggressiv–scharfe grüne Chilischoten mitkochen, daß die beiden Speisen nun regelmäßig thailändisches Schärfe-Niveau erreichen.

Damit bin ich jetzt mit Mysore fertig und breche demnächst zu weiteren Sehens­würdigkeiten in Karnataka auf; nächste Woche kommen dann wieder ein paar historische Tempel dran.


Somanatha­pura Belur und Halebid

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