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Beleriandisches Sindarin

Die Sindar in Beleriand übernahmen die Tengwar von den Noldor, veränderten jedoch das System zur Darstellung von Vokalen grundlegend.

Konsonanten

Die Schreibung der Konsonanten in beleriandischem Sindarin gleicht weitgehend der klassisch-noldorischen Schreibweise (Dentale in der tincotéma und Labiale in der parmatéma). Allerdings verwendet man zur Notation der Velare die dritte Reihe (calmatéma); daraus ergibt sich, daß die Zeichen der vierten Reihe (quessetéma) nur wilya für den Halbvokal W benötigt wurde.

Die Zuordnung der Stufen 1 bis 4 erfolgt gleich wie im noldorischen Modus: Stufe 1 steht für die Tenues (T,P,K) und Stufe 2 für die Mediae (D,B,G), entsprechend dem Prinzip, daß die Verdoppelung des Bogens (luva) einen stimmhaften Laut bezeichnet. Der nach oben verlängerte Stamm (telco) zeigt die Öffnung zu einem Reibelaut an, also steht Stufe 3 für stimmlose (TH,F,CH) und Stufe 4 für stimmhafte (DH,V,GH) Frikative.

Ein wesentlicher Unterschied ergibt sich lediglich bei der Zuordnung der Stufen 5 und 6. In der beleriandischen Schreibweise verwendet man nämlich Stufe 6 für die Nasale und Stufe 5 für verdoppelte Nasale. Der Buchstabe anna müßte nun eigentlich für Ñ stehen, wenn dieses ausnahmsweise am Wortanfang durch Nasalmutation gebildet wird; tatsächlich verwendete man dafür jedoch ñoldo, da anna als Vokalzeichen für O gebraucht wurde (siehe unten) und ÑÑ sowieso unmöglich war.

Entsprechend muß in diesem Modus jedes R, ob schwach oder stark artikuliert, als rómen geschrieben werden.

Grad Tincotéma Parmatéma Calmatéma Quessetéma
1 (Tenues) T P C = K
2 (Mediae) D B G
3 (stimmlose Frikative) TH F CH
4 (stimmhafte Frikative) DH V (GH)
5 (verdoppelte Nasale) NN MM (ÑÑ) dafür Ñ
6 (Nasale) N M Vokal O W

Der Laut W wird gleich wie in der noldorischen Schreibweise normalerweise mit einer invertierten Tilde geschrieben; lediglich in intervokalischer Position oder nach einem nasalierten Verschlußlaut kam wilya zum Einsatz. Auch die Schreibung nasalierter Verschlußlaute (mit Tilde) und verdoppelter Konsonanten (durch Unterstreichen) entspricht exakt der noldorischen Schreibweise.

Vokale

In diesem Modus werden Vokale nie als tehtar, sondern immer als vollwertige Buchstaben gesetzt. Für A erfanden die Sindar ein neues Zeichen, das dem lateinischen c gleicht; für alle anderen Vokale nahmen sie jedoch Tengwar, die ansonsten nicht benötigt wurden, oder die Zeichen, die in anderen Moden als Vokalträger dienten. So schreibt man E als yanta, I mit einem kurzen Vokalträger, O mit anna, U mit úre und Ü (y) mit silme nuquerna.

Den wortinitialen Gleitlaut, der zwischen I und J liegt, stellten die Sindar mit dem langen Vokalträger dar. Lange Vokale dagegen wurden mit denselben Tengwar wie kurze Vokale geschrieben; um die Länge anzuzeigen setzte man ein spezielles Zeichen (andaith) darüber, das dem Vokal-tehta für E bzw. unserem Akut-Akzent glich.

Die Schreibung der Diphthonge erfolgt im beleriandischen Modus umgekehrt wie im noldorischen: Man verwendet das gewöhnliche Vokal-tengwa für den ersten Vokal und repräsentiert den zweiten Vokal durch ein diakritisches Zeichen. Die Leserichtung ist also von-unten-nach-oben.

Diphthonge im Sindarin können als zweiten Vokal E, I oder U enthalten. Für Diphthonge mit E konnte man entweder ein verkleinertes yanta als Diakritikum (das dann fast wie ein französischer Circumflex-Akzent aussieht) über das Tengwa für den ersten Vokal setzen, oder aber man schrieb die beiden Vokale einfach hintereinander (so mache ich es bei den Beispielen auf dieser Seite). Für andere Diphthonge verwendete man dagegen stets diakritische Zeichen, und zwar zwei Punkte für I bzw. eine umgekehrte Tilde für U (das ist dasselbe Zeichen, das im noldorischen für W steht).

Vergleich zwischen den beiden Sindarin-Moden

Die noldorische und die beleriandische Schreibweise für Sindarin haben weit mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Tatsächlich lassen sich die Unterschiede auf drei Punkte komprimieren:

  klassisch-noldorisch beleriandisch
1) Vokale mit tehtar (diakritischen Vokalzeichen) mit tengwar (regulären Buchstaben)
2) Velare mit quessetéma (vierte Reihe) mit calmatéma (dritte Reihe)
3) Nasale mit númentyelle (Stufe 5); dafür dient die óretyelle (Stufe 6) für halbvokalisches R und W. mit óretyelle (außer wilya für W); mit der númentyelle wurden verdoppelte Nasale aufgeschrieben

Legt man fest, daß Punkt Eins die Begriffe noldorischer Modus und beleriandischer Modus definieren soll, so kann man sich die Frage stellen, ob auch Mischformen möglich sind. Tatsächlich gibt es dafür einige Belege:

  1. Manche Schreiber des noldorischen Modus verwendeten die calmatéma für die Velare. Es ist anzunehmen, daß sie, wie im beleriandischen Modus, wilya für W schrieben. Tolkien erwähnt diese Tatsache im Anhang zum Herrn der Ringe, aber es gibt keine erhaltenen Beispiele dazu.

  2. Umgekehrt war es auch im beleriandischen Modus möglich, die quessetéma für Velare zu verwenden. Für diese Verwendung gibt es in der ersten Version des King's Letter sogar ein erhaltenes Beispiel.

  3. Der King's Letter in beleriandischer Schreibung zeigt auch die Verwendung der númentyelle für Nasale und der óretyelle für Halbvokale.

Der King's Letter ist damit ein besonders wichtiges Dokument, da er die Kombination von beleriandischer Vokalschreibweise mit noldorischer Konsonantenschreibweise illustriert. Diese Mischform scheint in Gondor besonders beliebt gewesen zu sein und wird gelegentlich auch als "full mode of Gondor" bezeichnet. Man kann spekulieren, daß die gondorianischen Schreiber diese Zuordnung bevorzugten, weil sie ihrer gewohnten Schreibung im noldorischen Modus näherkam.

Beispiele

Hymne an Elbereth

Diese Hymne wird von den Elben in Bruchtal gesungen und in Der Herr der Ringe nicht übersetzt. Die untenstehende Schreibung und auch die Übersetzung stammen aus The Road Goes Ever On und sind damit von Tolkien autorisiert.

A Elbereth! Gilthoniel! Silivren penna míriel, o menel aglar elenath! Na-chaered palan-díriel o galadhremmin ennorath; fanuilos, le linnathon, nef aear, sí nef aearon!

Hymn of Rivendell Elves, Tolkien's own writing In Tolkiens eigener Schreibung (aus The Road Goes Ever On) erfolgt interessanterweise keine Hervorhebung des langen í durch den andaith. Weiters scheint sie einen Schreibfehler aufzuweisen (fanulos statt fanuilos). Das Gedicht ist mit Aerlinn in Edhil o Imladris betitelt (Heiliges Lied der Elben von Bruchtal).

Tolkien gibt in The Road Goes Ever On auch eine Überstezung dieses Gedichtes an; diese ist aber poetisch und nicht leicht verständlich. Was hier folgt, ist eine wesentlich prosaischere Fassung.

Oh! Elbereth, die du die Sterne entzündest, vom prächtig mit Sternen geschmückten Himmel fällt ein schimmerndes Weiß, das glänzt wie ein Juwel.
Von der baumbewachsenen Mittelerde habe ich entfernte Länder geschaut, und nun will ich zu dir singen, Fanuilos, auf dieser Seite, hier auf dieser Seite des Großen Meeres.
Tolkien erwähnt in diesem Zusammenhang, daß der Name Fanuilos selbst eine Menge Assoziationen trage und übersetzt ihn mit leuchtender Geist, in Ewig-Weiß gekleidet.

Sams Anrufung von Elbereth

Das ist nun wirklich eine der skurrilsten Szenen im Herrn der Ringe: Beim Kampf mit dem Monster Kankra ruft Samweis Gamdschie, der bodenständige Hobbit aus dem Auenland, plötzlich einige elbische Worte aus; dabei handelt es sich um eine Anrufung der Sternenkönigin Elbereth, von der Sam eigentlich kaum etwas wissen dürfte. An kaum einer anderen Stelle wird so sehr deutlich, daß unbegreifliche, höhere Mächte die Schritte der Personen in Mittelerde lenken.

A Elbereth! Gilthoniel! O menel palan-diriel, le nallon sí di-nguruthos! A tiro nin, Fanuilos

Eine Übersetzung dieses Spruches findet sich in The Road Goes Ever On:

Oh Elbereth Sternentzünderin, die Du vom Himmel fern herabblickst, zu Dir rufe ich hier unter Todesfurcht! Oh blick zu mir, Fanuilos!

Inschrift am Moria-Westtor

Das beleuchtete Moria-Westtor Sowohl Schreibung als auch Übersetzung dieses Textes sind aus Der Herr der Ringe bekannt.

Ennyn Durin aran Moria. Pedo mellon a minno. Im Narvi hain echant; Celebrimbo o Eregion teithant i thiw hin.

Die Türen von Durin, dem Herrn von Moria. Sprich Freund und tritt ein.
Ich, Narvi, machte sie. Celebrimbor von Eregion zeichnete diese Buchstaben.
The Moria Gate inscription, Tolkien's own writing Die Schreibung von im ich mit númen statt óre auf dem Scan halte ich für einen Schreibfehler Tolkiens. In einer früheren Version der Inschrift (veröffentlicht in The Treason of Isengard) verwendete er erwartungsgemäß óre. Als Besonderheit kennzeichnete Tolkien das Zeichen für I (den halbhohen vertikalen Strich) in der Mehrzahl der Fälle noch zusätzlich mit einem darübergesetzten Punkt, genauso wie im noldorischen Modus.

Es gibt in der Tengwar-Schreibung keine Entsprechung für die Anführungszeichen, um Freund als Zitat zu kennzeichnen (deshalb konnte Gandalf den Sinn des Satzes ja auch nicht sofort erfassen). Auffällig ist das Fehlen von Lenitation: Man würde eingentlich lenitierte Formen Dhurin und Voria erwarten. Warum die Lenitation hier unterblieb, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen; in dem oben erwähnten frühen Entwurf findet man die lenitierten Formen.

Aragorns Brief an Samweis, Version 1

Dieser Brief wurde von Tolkien für einen später verworfenen "Epilog zum Herrn der Ringe" erdacht und existiert in drei Versionen, von denen zwei in Sauron Defeated veröffentlicht wurden. In der ersten Version verwendete Tolkien den beleriandischen Modus in einer spezifisch gondorianischen Abwandlung, die die beleriandische Vokalschreibweise mit klassisch-noldorischer Konsonantenschreibweise kombiniert. Der Text differiert im Wortlaut geringfügig von der sogenannten dritten Version mit Vokal-Tehtar (reiner noldorischer Modus).

Elessar Telcontar: Aragorn Arathornion Edhelharn, aran Gondor ar Arnor ar Hîr i Mbair Annui, anglennatha i Varanduiniant erin dolothen Ethuil, egor ben genediad Drannail erin gwirith edwen. Ar e aníra ennas suilannad mhellyn în phain; edregol e aníra tírad i Cherdir Perhael (i sennui Panthael estathar aen) Condir i Drann, ar Meril bess dî;n, ar Elanor, Meril, Glorfinniel ar Eiren sellath dî;n; ar Iorhael, Gelir, Cordof, ar Baravorn, ionnath dî;n. A Perhael ar am Meril suilad uin aran o Minas Tirith nelchaenen uin Echuir

The King's Letter to Samwise Gamgee, Tolkien's own writing Entsprechend den Regeln für die klassisch-noldorische Orthographie sind die Velare mit den Tengwar der quessetéma geschrieben, und die Schreibung der Nasale erfolgt mit Stufe 5 (númentyelle); Stufe 6 (óretyelle) dient dann für die Halbvokale. Überraschenderweise wird R in fast allen Fällen mit óre und nur ganz selten mit rómen geschrieben (die Schreibung des Namens Meril Rose ist sogar innerhalb des Textes variabel). Als Besonderheit setzt Tolkien auf das Vokalzeichen für i einen Punkt, wie in der noldorischen Schreibweise.

Der LH-Laut in edhelharn Elbenstein ist vernünftigerweise mit lambe+hyarmen wiedergegeben; diese Schreibung ist erheblich plausibler als die in der dritten Version gezeigte.

Vier offensichtliche Schreibfehler habe ich korrigiert: arathonion statt arathornion, weiters brann statt drann und bei den Namen von Sams Kindern glorfiniel statt glorfinniel sowie boravorn statt baravorn.

Die Übersetzung lautet:

Elessar der Streicher: Aragorn, Sohn Arathorns, der Elbenstein, der König von Gondor und Arnor und Herr der Westlande, wird die Brandywein-Brücke am achten Tag des Frühjahres, oder in der Auenland-Zeitrechnung am zweiten April erreichen. Und er wünscht dort, alle seine Freunde zu grüßen: Im besonderen wünscht er, Herrn Samweis zu sehen (der besser Ganzweis genannt werden sollte), den Bürgermeister des Auenlandes, und Rose, seine Frau; und Elanor, Rose, Goldlöckchen und Margerite, seine Töchter; und Frodo, Merry, Pippin und Hamfast, seine Söhne.

An Samweis und Rose die Grüße des Königs von Minas Tirith, am einunddreißigsten Tag der Regung.

Lúthiens Lied

Zu diesem schönen Sindarin-Gedicht, das Lúthien in einer späten Fassung des Leithian-Liedes (The Lays of Beleriand) singt, gibt es weder eine authorisierte Schreibung noch eine authorisierte Übersetzung.

Ir ithil ammen Eruchín menel-vîr síla díriel si loth a galadh lasto dîn ar Hîr Annûn Gilthoniel le linnon im Tinúviel!

Wenn der Mond auf uns, die Kinder Erús, scheint
ein himmlisches Juwel aus Silber, das über uns wacht
dann lauschen Blume und Baum in Schweigen
Oh Herrin des Westens, Sterne entzündend,
zu Dir singe ich, die Nachtigall!
Über Unstimmigkeiten in dieser Übersetzung, siehe die Diskussion dieses Gedichtes in noldorischer Schreibweise.


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Autor: Gernot Katzer
masala.wallah@gmail.com