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Grundsätzliches zur Verwendung von Tengwar

Da Tolkien Linguist war, folgt die Verwendung der Tengwar rationalen phonologischen Regeln; um diese Regeln jedoch verstehen zu können, muß man allerdings die Grundlagen der Lautlehre beherrschen.

Lautlehre: Die Hauptreihen der Konsonanten

Verschlußlaute und Laute, die sich von Verschlußlauten ableiten, werden durch Schriftzeichen dargestellt, die eine systematische Beziehung zwischen typographischer Gestalt und Lautwert aufweisen (Hauptreihe).

Ein Verschußlaut ist ein Konsonant, der dadurch entsteht, daß

  1. Der Luftweg an einer bestimmten Stelle versperrt wird,
  2. ein Überdruck in der Lunge aufgebaut wird,
  3. und die Versperrung des Luftweges plötzlich aufgehoben wird.
Andere Bezeichnungen für Verschlußlaute sind Muta und Plosiv.

Die wichtigsten drei Orte entlang des Luftweges, an denen eine Luftsperre aufgebaut werden kann (Artikulationspunkte), sind

Ein weiterer Artikulationspunkt, der den elbischen Sprachen jedoch fehlt, ist der Gaumen: Der Verschluß entsteht, indem man die Zunge flach gegen den Gaumen preßt. Solche Verschlußlaute nennt man Palatale, man findet sie beispielsweise im Englischen (church und joy) oder italienischen (ciau und giallo).

Je nachdem, ob bei der Aussprache des Verschlußlautes die Stimmritzen mitschwingen oder nicht, spricht man von harten (stimmlosen) oder weichen (stimmhaften) Verschlußlauten. Ein harter Verschlußlaut heißt auch Tenuis, ein weicher Media.

Wenn der Luftstrom sofort nach Aufheben der Blockade des Luftweges abgebrochen wird, spricht man von einem unbehauchten Verschlußlaut, andernfalls von einem behauchten (Aspirata).

Aus dem bisher Gesagten folgt die Existenz von zwölf verschiedenen Verschlußlauten: Je vier Velare, Dentale und Labiale; oder je sechs Tenues und Mediae; oder je sechs Aspiratae und Inaspiratae.

Velar (Kehlkopf) k kh g gh
Dental (Zahngrund) t th d dh
Labial (Lippen) p ph b bh

Eine solche Situation liegt z.B. im Sanskrit vor (wo es mit den Retroflexen und Palatalen noch weitere Artikulationspunkte gibt). Europäische Sprachen dagegen weisen höchstens neun dieser zwölf Verschlußlaute auf, da die behauchten stimmhaften allgemein fehlen. In vielen Sprachen fehlen behauchte Laute sogar total, und es gibt dann nur zwei Verschlußlaute pro Artikualtionspunkt: Hart und weich.

Das Fehlen der behauchten Verschlußlaute ist oft damit zu erklären, daß sie sich im Lauf der Sprachentwicklung zu Reibelauten (auch Frikative oder Spiranten genannt) verschoben haben. Ein Reibelaut entsteht, indem der Verschluß des Luftweges nicht vollständig aufgebaut wird, so daß der Luftstrom durch eine Verengung strömt. Zum Unterschied von echten Verschlußlauten kann ein Reibelaut beliebig lang artikuliert werden. Auch Frikative können stimmhaft oder stimmlos ausgesprochen werden.

Im Deutschen gibt es den stimmlosen velaren Frikativ (CH), den stimmlosen labialen Frikativ (F) und den stimmhaften labialen Frikativ (W). Die beiden letzteren entsprechen nicht ganz den labialen Verschlußlauten, da sie nicht (wie P und B) bilabial (mit beiden Lippen), sondern labiodental (mit Zähnen und Lippen) gebildet werden.

Das Englische kennt zusätzlich auch die beiden dentalen Frikative: þ wie in thick und ð wie in the. Die beiden Zeichen þ und ð (Thorn und Eth) sind altgermanische Runen, die heute noch im Isländischen verwendet werden. Zumeist schreibt man für die beiden dentalen Frikative jedoch TH (wie in moderner englischer Orthographie). Im Wallisischen wird für den stimmhaften dentalen Frikativ DD geschrieben. Tolkien verwendet systematischerweise TH und DH.

Der stimmhafte velare Frikativ wird mit sinnvollerweise als GH notiert. Dieser Laut ist nur mit einiger Übung zu erzeugen und kommt beispielsweise im Holländischen (G) vor.

Eine weitere Gruppe von Lauten, die mit Verschlußlauten zusammenhängen, sind die Nasale. Sie werden gebildet, indem man einen Verschluß aufbaut und den Luftstrom - ohne den Verschluß zu öffnen - über die Nase abführt und gleichzeitig die Stimmbänder schwingen läßt. Nasale sind immer stimmhaft, weil der Artikulationspunkt sonst nicht hörbar ist.

Im Deutschen kennt man drei Nasale: Den dentalen Nasal N, den labilen Nasal M und den velaren Nasal. Für letzteren hat die lateinische Schrift kein eigenes Zeichen, und man verwendet dafür den Buchstaben N; wenn es darauf ankommt, werde ich auf diesen Seiten der Deutlichkeit halber Ñ schreiben. Das tat auch Tolkien in manchen (nicht zu Lebzeiten veröffentlichen) Texten, wo er z.B. die Noldor als Ñoldor bezeichnete.

Woher weisz man, wann N dental und wann es velar zu sprechen ist? Die Regel ist ganz einfach: Im Deutschen ist jedes N von velarem Verschluß- oder Reibelaut velar zu sprechen, sonst dental (jeder weiß, daß das N in Ring anders klingt als in Rind; konsequenter wäre die Schreibung Riñg). Das Englische hat hier eine andere Konvention, und die Buchstabenkombination NG entspricht hier dem Laut Ñ dieser Laut kann im Englischen, anders als im Deutschen, wortfinal stehen, zum Beispiel in ring, das als riñ gesprochen wird.

Nasalierte Verschlußlaute sind Verschlußlaute, die dem jeweils entsprechenden (homoorganischen) Nasal folgen. Es zeigt sich, daß solche Kombinationen sprachökonomisch sehr günstig sind und deshalb oft bevorzugt werden. In vielen Sprachen, darunter Deutsch, Sindarin und Quenya kann der velare Nasal Ñ sogar nur in dieser Position vorkommen. [Allerdings gibt es im Sindarin die Möglichkeit, daß sich ein wortinitiales G in Abhängigkeit vom vorangehenden Wort in ein Ñ verwandelt (Nasalmutation). Im Quenya gab es ursprüglich am Wortanfang ein velare Nasale Ñ und ÑW; obwohl diese im Dritten Zeitalter nur noch dental (N und NW) ausgesprochen wurden, hatte sich die Schreibung mit eigenen Buchstaben erhalten.]

Viele Sprachen vermeiden es explizit, einen Nasal von einem Verschlußlaut mit anderem Artikulationspunkt folgen zu lassen und gleichen im Notfall den Nasal dem Verschlußlaut an (Assimilation). So heißt das griechische Wort für mit syn; man schreibt aber syñgkoitos Bettgenosse symposía das gemeinsame Essen oder sýntechnos die gleiche Kunst ausübend. Man sagt, das N von syn assimiliert sich an den darauffolgenden Laut.

Diese Assimilation ist auch in allen elbischen Sprachen verpflichtend, und Lautfolgen wie MT oder NP kommen daher niemals vor. Dagegen sind homoorganisch nasalierte Verschlußlaute sogar sehr häufig; im Quenya sind die weichen Verschlußlaute sogar immer nasaliert (ND, MB, ÑG; daneben gibt es allerdings auch LD und RD).

Zuordung der Tengwar

Verschlußlaute und davon abgeleitete Laute

Wenn man mit den Tengwar schreibt, so werden alle Verschlußlaute und davon abgeleiteten Laute durch ein System von Zeichen repräsentiert, die aus zwei Grundelementen bestehen: Einem vertikalen Strich (telco) für den Hauch und einem Bogen (luva) für den Ton. Variation von Länge des telco und Zahl der luvar stehen dann für mehr oder weniger Luft (Muta/Frikativ) bzw. Stimmhaftigkeit (Tenuis/Media). Der telco kann nach oben verlängert, nach unten verlängert oder kurz sein; in jedem Fall können ein oder zwei luvar verwendet werden. Insgesamt ergibt das sechs Grade (tyeller) für jeden Artikulationspunkt. Jeder Buchstabe hat einen Quenya-Namen, üblicherweise ein Wort, das mit genau diesem Buchstaben beginnt.

Laute mit gleichem Artikulationspunkt werden zu Reihen (témar) zusammengefaßt. Außer den dentalen, labialen und velaren Reihen ist noch eine vierte Reihe vorgesehen, die im Quenya für Labiovelare (Velare gefolgt von einem schwachen W-Laut) verwendet wird; im Sindarin kann sie für gewöhnliche Velare verwendet werden.

Sowohl die Reihen als auch die Grade werden nach dem ersten Vertreter benannt: Man spricht also von tincotéma, parmatéma, calmatéma und quessetéma sowie (seltener) von tincotyelle, andotyelle, þúletyelle, antotyelle, númetyelle und óretyelle.

Grad Tincotéma Parmatéma Calmatéma Quessetéma  
1 tinco
(Metall)
parma
(Buch)
calma
(Lampe)
quesse
(Feder)
telco nach unten, ein luwa
2 ando
(Tor)
umbar
(Schicksal)
anga
(Eisen)
ungwe
(Spinnwebe)
telco nach unten, zwei luwar
3 þúle
(Geist)
formen
(Norden)
harma/aha
(Schatz/Zorn)
hwesta
(Brise)
telco nach oben, ein luwa
4 anto
(Mund)
ampa
(Haken)
anca
(Kiefer)
unque
(Höhle)
telco nach oben, zwei luwar
5 númen
(Westen)
malta
(Gold)
ñoldo
(Noldo)
ñwalme
(Folter)
telco kurz, zwei luwar
6 óre
(Herz)
vala
(Macht)
anna
(Geschenk)
wilya
(Luft)
telco kurz, ein luwa

Die folgende Graphik zeigt die Form der Tengwar:

Tengwar Karte

Diese Karte kann auch permanent in einem anderen Window offen bleiben; dazu einfach auf die Graphik clicken.

Weitere Konsonanten

Die übrigen Konsonanten des Tengwar-Systems lassen keine generelle Beziehung zwischen Lautwert und Buchstabenform erkennen; je zwei Zeichen stehen allerdings in engerer Beziehung. Überwiegend handelt es sich um Dauerlaute (Liquidae).

rómen (Osten) arda (Gebiet) lambe (Zunge) alda (Baum)
silme (Sternlicht) silme nuquerna
(umgekehrtes s)
aze/esse
(Sonnenlicht/Name)
aze/esse nuquerna
(umgekehrtes z/ss)
hyarmen (Süden) halla (groß)    

Vokale

Viele Schriften fassen Vokale als zum vorgehenden (seltener zum nachfolgenden) Konsonanten gehörig auf und repräsentieren daher einen oder mehrere Konsonanten mit dem darauffolgenden Vokal als ein Zeichen; man spricht dann auch von Silbenschriften. In diese Gruppe gehören die Schriften Indiens und Südostasiens. In vielen semitischen Sprachen werden Vokale überhaupt nicht aufgezeichnet, sondern müssen beim Lesen aus der Kenntnis der Sprache ergänzt werden. Historisch waren die Griechen die ersten, die Vokale und Konsonaten in ihrer Schrift durch gleichartige Zeichen darstellten.

In Tolkiens Sprachen werden Vokale ebenfalls meist als diakritische Zeichen, genannt tehtar (Punkte, Striche, Häkchen über dem Konsonantenzeichen) notiert. Es gibt dabei die folgenden Vokalzeichen:

a  drei Punkte
e  Schrägstrich
i  ein Punkt
o  Häkchen nach rechts
u  Häkchen nach links
y  Zwei Punkte über dem Konsonanten (nur Sindarin)

Die beiden Zeichen für E und I können vertauscht werden; ebenso die Zeichen für O und U. Für ersteres gibt es jedoch kein Beispiel aus Tolkiens Feder, und zweiteres scheint nur im Westron bzw. der Schwarzen Sprache üblich gewesen zu sein.

Bei Diphthongen kommen die folgenden beiden Zeichen zum Einsatz:

yanta (Brücke)
úre (Hitze)

Um lange Vokale auszudrücken, werden die tehtar auf ein spezielles Trägerzeichen gesetzt, das selbst keinen Lautwert hat. Alternativ können die beiden Zeichen für O und U auch verdoppelt werden.


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Autor: Gernot Katzer
masala.wallah@gmail.com