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Aizawl 2 (Mizoram) |

Auf der Straße von Aizawl nach Reiek

Mizoram ist grün und friedlich
wie ich bereits letztens geschrieben habe, kann man sich in Aizawl eigentlich nichts ansehen. Daß ich trotzdem noch hier bin, hängt mit unter anderem mit einem Kameradefekt zusammen, der einen Neuankauf nötig machte — natürlich in einem unsinnigen Set, denn Bodies alleine verkauft Sony in Indien nicht. Naja, immerhin lief es besser als beim letzten Mal, wo ich gleich nach Europa fliegen mußte.
Ungefähr
Wohnhaus eines gewöhnlichen Dorfmitgliedes
Affenschädel zieren den Eingang ins Thangchhuahpa In (das Haus eines hervorragenden Kriegers)
Die Fahrt führte durch weitgehend menschenleeres und von grünen Wäldern bedecktes Hügelland. Mizoram hat (nach Arunachal Pradeś) die zweitkleinste Bevölkerungsdichte aller indischen Bundesstaaten: Meine etwas veralteten Zahlen sprechen von 42 EW/km², ein Vierzehntel des indischen Durchschnittswertes und wenig mehr als ein Vierzigstel der Dichte von Westbengalen (verglichen mit dem benachbarten Bangladesh wird es noch schlimmer: Der Faktor beträgt dann 54). Als der Jeep Aizawl erst einmal verlassen hatte, war außer Natur überhaupt nichts zu sehen; auf der erste Dorf stießen wir erst ein paar Kilometer vor Reiek (
Das knappe Dutzend Bambushäuser im „Touristendorf“ macht einen unerwartet schäbigen Eindruck: Die Buden wirken so abgewohnt, daß ich sie für eine echte, aufgegebene Ansiedlung gehalten hätte. Der Führer erklärte mir, das Schaudorf sei vor 10 Jahren gebaut worden und inzwischen schon etwas reparaturbedürftig. Anders als in dem viel professionelleren Freilichtmuseum in Kisama sind hier nicht die Häuptlingshäuser verschiedener Stämme in jeweiligen Stil prunkvoll nachgebaut, sondern es soll ein echtes Mizo-
Der „Männerschlafsaal“ (Zawlbuk)
Holzmörser (Sum) mit schwerem Holzstössel (Suk) zum Zerstoßen von Reis
Der eigenartigste Bau ist der Zawlbuk, auf Englisch meist “Dormitory” genannt. Dort schliefen die unverheirateten jungen Männer. In der Mizo-
Der Dorfhäuptling residierte im Lal In, dem größten und mit zahlreichen Trophäen geschmückten Haus; ebenfalls recht eindrucksvoll war das Thangchhuahpa In, das Haus eines hervorragenden Kriegers. Der Führer erklärte mir, daß all die Hörner, Geweihe und Schädel (Tiere, keine Menschen) vom Hausbesitzer selbst erbeutet wurden. Letztlich haben aber alle Wohnhäuser, unabhängig von der Größe, denselben zweiteiligen Aufbau: einen kleinen Vorraum am Eingang mit der Feuerstelle zum Kochen, und einen großen Gemeinschaftsraum.
Gekochter „Bananenstengel“ (Saisu)
Gekochte Bananenblüte (Tumbu)
„Bananenstengel“ am Markt
Bananenblüten am Markt
Zurück nach Aizawl, zum Markt und zur Mizo-Küche. Dieses Essen rockt und übernimmt in der zeitlich offenen Nordost-
Luftbrücke für Tee
Beginnen wir mit Bananen. Die mag ich zwar nicht besonders, aber die Mizo verwerten nicht nur die Früchte. Am Markt findet man Bananenblüten verschieder Formen (lang oder rund) und Größen (Faust bis Unterarm), und es gibt auch einen äußerst knackigen „Bananenstamm“ (Du weißt ja, daß es „Bananenstämme“ eigentlich gar nicht gibt). Zubereitet wird das ganze gewöhnlich durch Kochen in mild gewürzter Brühe, und besonders die Blüten (Tumbu) entwickeln dabei einen wunderbaren Eigengeschmack, der ein bißchen an Artischocken erinnert.
Brühe aus Trockenkohl (Suan Ṭam)
Meine bevorzugte Kneipe im Marktgebäude ist der Sangi Tea Stall, betrieben von einer Frau, deren Tochter jetzt in den Ferien aushilft und sehr gutes Englisch spricht. Einige Male spazierte sie sogar mit mir durch die Stadt — eine so ungezwungene Sympathiebekundung durch eine Mädchen im heiratsfähigen Alter ist mir in Indien noch nie untergekommen. Die Dame des Hauses hat offenbar ein spezielles Arrangement mit der Marktverwaltung im Nachbargebäude: Imbisse und Tee werden —
Zu den anderen interessanten Dingen, die ich im Sangi Tea Stall gegessen habe, gehört Suan Ṭam, trocken fermentierte Kohlblätter, die sehr stark an den von mir so geliebten Gundruk in Nepal erinnern. Allerdings ist die Zubereitung einfacher, weil die Blätter nur mit Wasser ausgekocht werden. Weiters sollte ich noch verschiedene Suppen aus Reisgrütze erwähnen, die ganz gut schmeckten, auch wenn sie ganz und gar nicht photogen waren; ein Modell namens Sanpiau wurde mit knuspriger Einlage und burmesischer Fischsauce zum Abschmecken serviert.
Abendessen im Grace Restaurant: Links unten die Würze mit Langem Koriander, darüber Antam Thur, oben ein Teller Dal. Mitte Salat von Zawngṭah, darunter Schweinefleisch. Rechts gekochter frischer Kohl und darunter Chaw Ṭani.
Das sauerkrautähnliche Antam Thur
Wie bereits erwähnt, ist sonntags in Aizawl Tote Hose™. An meinem ersten Tote-Hosen-
Wenn ich per mutiger Einpunktextrapolation das Grace für ein typisches Beispiel der Küche der burmesischen Mizos und Chins halten soll, dann komme ich zum Schluß, daß in Burma Fermentationsaromen eine größere Rolle als in Indien spielen. Ein sehr saures und würziges Sauerkraut (Antam Thur) fiel mir besonders auf (daß am Markt auch eine Art Sauerampfer namens Antur Sen verkauft wird, steht damit wohl in keinem Zusammenhang). Außerdem gibt es im Grace eine sehr aromatische Würze aus burmesischer Fischpaste (Ngapi) und getrockneten Chilies, die sehr an einen intensiv mit der Garnelenpaste Trassi gewürzten Sambal aus Indonesien oder an die thailändische Chili-Paste Nam Prik Pao erinnert.
Burmesische Würzen: Links aus Minzblättern, rechts aus Ingwer und Langem Koriander
Ein Wunder ist geschehen: Grüntee!
Schmerzhaft scharfes Chawṭani
Die Zwiebel–
Die größte Freude machte mir in diesem Laden das Getränkeangebot: Beim ersten Mal erklärte man mir schonend, daß Schwarztee nicht zur Verfügung stünde; aber stattdessen könne ich Thingpui sring haben, was jedoch auf Englisch schwer zu erklären sei, und deshalb solle ich es mir lieber ansehen, ob es denn auch paßt. Es erwies sich als Grüntee! Das ist das erste Mal, daß ich so etwas in Indien gesehen habe (und erst der zweite Mal auf der ganzen Reise); inzwischen konnte ich mich auch auf dem Markt mit einem Vorrat davon eindecken. Offenbar spülen die Schmuggelwege aus Burma auch diese in Indien so seltene Spezialität ins Land.
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