Landkarte
Amritsar Siehe auch Varanasi Khajuraho

Orcha ओरछा (Madhya Pradesh)

Jehan Gir Mahal palace in Orcha (Orchha), Madhya Pradesh (India)

Der Jehan Gir Mahal in Orcha

Chaturbhuj Mandir temple in Orcha (Orchha), Madhya Pradesh (India)

Der riesige Chaturbhuj-Tempel

Maharaja Bir Singh cenotaph in Orcha (Orchha), Madhya Pradesh (India)

Der Cenotaph von Maharaja Bir Singh

Liebe Birgit,  

nach fast einer Wo­che in Gwalior, wo es mir nicht beson­ders ge­fallen hat – daran kann aber auch eine un­sym­pathi­sche Kombi­na­tion aus Er­kältung, Magen­verstim­mung und Fuß­pilz schuld sein – bin ich nun nach Orchha weiter­gereist. Dieses Dorf im nörd­lichen Madhya Pradesh besteht aus drei Straßen und ist zu Fuß bequem in fünf Minuten zu durch­queren; auf der anderen Seite des Flusses Betwa liegt bereits ein von ein paar Tigern be­völkerter National­park. So sehen Haupt­städte aus!

Anfang des 17. Jahr­hunderts war Orchha tat­sächlich gut eine Gene­ration lang ein bedeu­tendes Zentrum, da sein Maha­raja Bir Singh als Günstling des Mogulen­kaisers Jehan­gir zu Reichtum, An­sehen und Macht gekom­men war; nach dem Tod des Kaisers erlosch der Stern Orchhas aber ebenso schnell wieder, und es blieb bis zur Unabhängig­keit ein Fürsten­staat innerhalb Britisch-Indiens. Von der kurzen Glanz­zeit künden vor allem der riesige Palast Jehangir Mahal, errichtet in nur einem Jahr anläßlich eines kaiser­lichen Besuchs, sowie der massive Tempel Chaturbuj Mandir. Der Ramrajā Mandir, also der „König-Rama-Tempel“, mit seinen pastell­rosa Kuppeln sieht etwas eigen­willig aus. Eigentlich war es es Palast, aber ein dort zwischen­gelagertes Kultbild des Helden Rama ließ sich nicht mehr weg­tragen, so daß der Palast not­gedrungen umgewidmet werden mußte. Jeden zweiten Tag gibt es darin einen Hochzeits­zug mit Trommel­musik, offenbar reisen die Leute dazu aus der ganzen Umgebung an.

Group of cenotaphs for former Maharajas in in Orcha (Orchha), Madhya Pradesh (India)

Cenotaphen am Stadtrand

Vulture inhabiting Cenotaph in Orcha (Orchha), Madhya Pradesh (India)

Geier bevölkern die Cenotaphen in großer Anzahl

Monkey in front of cenotaph in Orcha (Orchha), Madhya Pradesh (India)

Affe vor der Cenotaphen-Gruppe

Etwas außer­halb des Ortes stehen dann noch am Fluß­ufer die Ceno­taphen der Maha­rajas von Orchha, also sym­bolische leere Grab­bauten, in denen sich inzwischen eine an Rudyard Kipling erin­nernde „Stadt der Affen“-Atmo­sphäre breitgemacht hat. So spannend die Architektur auch sein mag, es ist einfach verlockender, die Affen bei ihren Gymnastik-Übungen zu beobachten, oder dem Flügelschlag der riesigen Geier zu lauschen, die sich von der Thermik auf die Kuppeln der Chhatris tragen lassen, in deren Innerem die Fledermäuse quieken. Zuletzt gibt es auch noch jede Menge wilder Pfauen: Es sieht fast wie ein Blauer Blitz aus, wenn einem so ein Vogel über den Kopf fliegt.

Der ganze Ort ist un­glaub­lich fried­lich, und der Fluß Betwa sieht sogar richtig sauber aus. Statt knat­ternder Motor­rikshas hört man das Häm­mern und Sägen der Hand­werker am Markt, das zur Mittags­zeit einer all­gemei­nen Siesta Platz macht, denn wir befinden uns am Beginn der heißen Jahres­zeit, und hier in Zentral­indien bedeutet „heiß“ ganz definitiv „heiß“, auch wenn die 50°-Mittage noch einen Monat in der Zukunft liegen. Die tägliche Strom­abschal­tung von 13 bis 18 Uhr legt übrigens so ziemlich alles lahm, was keinen Generator hat; Internet-Cafés sind davon aber nicht be­trof­fen, weil aus nicht recher­chier­baren Gründen ohne­hin seit Tagen kein Netz geht (“It’s a server problem, Sir”), egal ob mit oder ohne Strom.

Kipling habe ich übri­gens nicht ohne Grund er­wähnt: Der Schau­platz seines "Dschungel­buchs" liegt in Madhya Pradesh, aller­dings ein schönes Stück östlich von hier, und mehr als einmal fühlte ich mich hier an seine Be­schrei­bung der unter­gegangenen Stadt erinnert, in der die Affen ihr när­ri­sches König­reich er­rich­tet hatten und in deren Unter­welt eine blinde Kobra die Schätze der Ver­gangen­heit bewachte. Leider ist das aber nicht die einzige Reminis­zenz an des Lese­vergnügen meiner frühen Kind­heit: Die Bienen sind eine echte Land­plage, nicht ohne Grund bezeichnet Kipling sie als die gefähr­lichstes Spezies des Dschungels und setzt sie als Mowglis Geheim­waffe gegen die sonst un­besieg­baren Rot­hunde ein.

Bee colony in Chaturbhuj Temple in Orcha (Orchha), Madhya Pradesh (India)

Eine Bienenkolonie hoch oben am Chaturbuj Mandir

Die schwarz­gelbe Nemesis Europas, die Wespe, fehlt ja in den Tropen; dafür legen aber die indi­schen Bienen durch­aus wespen­ähliches Verhalten an den Tag und um­schwirren in irritie­rendem Schwebe­flug alles Süße, in der Hof­fnung, an ein paar billige Kalorien zu kommen (hey, lest ihr keine Lehr­bücher? Ihr sollt Honig machen, nicht stibizen!). Von meiner Leiden­schaft für frischen Frucht­saft war ich rasch geheilt, als ich beob­achtete, wie vor dem eigent­lichen Preß­vorgang einmal eine halbe Hundert­schaft Bienen aus dem fleischwolf­ähnlichen Entsafter entfernt werden mußten; immerhin hatte ich ja Orangen­saft und nicht Bienen­saft bestellt. Beim Trinken hatte ich trotz­dem immer das Gefühl, daß dem­nächst so ein rot­braunes Vieh in meine Gurgel kriecht.

Die Bienen bauen riesige offene Kolonien hoch auf Bäumen oder Tempeln, und tagsüber sind alle Waben von Ar­beiterin­nen bedeckt, deren Flügel­schlag für Küh­lung sorgt. Die dunkel­braune bis schwarze, wild pulsie­rende Masse bietet dabei einen unheim­lichen Anblick. Die wilden Bienen­stöcke werden wirklich beerntet und zu Honig verarbeitet, aber ich bin gar nicht so neugierig, wie das abläuft: „Folge mir, und weise sollst du werden“ sind ja die Worte, mit denen Mowgli die Rot­hunde zu den Bienen und damit in den Tod lockt.

Indian sweet food: Barfi

Barfi

Nach diesem kurzen Ausflug in die Entomo­logie und ins Kabinett meiner schlimmsten Ängste bietet es sich an, ein bißchen über Süß­speisen zu schreiben. Die indische Küche hat eine große Anzahl davon, von denen viele den byzantinisch–nahöstli­chen äußer­lich nicht unähnlich sehen; als typisch indische Charakteristikum basieren aber viele auf Milch und bieten daher ein mehr oder minder aus­geprägtes Aroma nach süßer Kondens­milch („Milchmädchen“). Schokolade ist dagegen nicht sehr verbreitet. Süßig­keiten werden in Indien nicht unbedingt zum Abschluß eines Mahles, sondern eher zwischen­durch gegessen.

Das wohl bekan­nteste feste Konfekt ist Barfi, eine sanft­schmelzende Masse aus Frisch­käse, einge­dickter Milch, Butter­fett und Zucker, die oft mit Nüssen oder Pistazien ange­reichert ist; typischer­weise wird Barfi gar nicht oder mit Cardamom gewürzt, aber es gibt auch Varianten mit Safran oder Rosenwasser. Barfi wird auch oft in Silberfolie (Varq) gewickelt verkauft, wobei man letztere einfach mitißt: Varq ist so hauchdünn, daß man es überhaupt nicht bemerkt.

Indian sweet food: Jalebi

Jalebi

Indian sweet food: Laddhu

Laddu

Ein viel bil­ligerer (weil milch­freier) und fast all­gegen­wärtiger süßer Snack ist Jalebi, frit­tierte und mit Sirup getränkte Kringel aus ziemlich dünn­flüssigem Teig, der aus Kicher­erbsen­mehl, Zucker und Wasser besteht. Überall findet man auch die 5 cm großen Kugeln Laddu, die aus Sirup und verschie­denen anderen Roh­stoffen bestehen können, etwa gerie­benen Nüssen (Cashew, Mandeln, Kokos), Sesam­samen oder Kicher­erbsen­mehl. Diese Kugeln sind so beliebt, daß man pummelige Kinder gerne scherzhaft als „Laddu“ bezeichnet.

Indian sweet food: Ras Malai

Ras Malai

Der Prototyp der cremigen Süßig­keiten ist das Ras Malai, das sind Frisch­käse­bällchen, die in Sirup gekocht und in einer Sauce aus einge­dickter Milch und Zucker serviert werden; es wird oft mit Safran oder Blüten­essenzen gewürzt und mit Nüssen verfeinert. Obwohl dieses Dessert nur aus Milch und Zucker besteht, schmeckt es ganz und gar nicht lang­weilig. Fast noch verbreiteter ist Gulab Jamun: Bällchen aus Weizenmehl und Trockenmilch, die beim Frittieren eine rotbraune Farbe und einen karameligen Geschmack annehmen und die immer in Sirup serviert werden. Manche Händler werben damit, daß sie ihre Gulab Jamun in echtem Butterfett (Ghee) frittieren, aber die meisten nehmen aus Kostengründen Vanaspati Ghee, das ist Pflanzenfett mit künstlichem Butteraroma.

Nächste Woche sehe ich mir “adult content” an. Ob mir die Sittenwächer im Web dabei Schwierigkeiten machen werden?


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