Landkarte
Jomsom Road 2 Siehe auch Bauddha, Tarke Ghyang 2, Tukuche & Kobang Kagbeni

Jomsom Road 3: Marpha मार्फा (Nepal)

Panorama of Marpha, a Thakali village in Mustang, Nepal

Panorama von Marpha (Norden ist rechts)

House of local Thakali people in Marpha (Mustang, Nepal)

Wohnhaus in Marfa

Jomsom Highway between Kobang and Tukuche (Mustang, Nepal)

Der Jomsom-Highway an einer nicht so guten Stelle

Bus travelling Jomsom Highway between Kobang and Tukuche (Mustang, Nepal)

Der Bus klettert in der steilen Wand

Liebe Birgit,

wenn man von Lete weiter nach Nor­den fährt, dann er­reicht man über Lar­jung, Kobang und Tukuche schließ­lich Marpha. Das ist auch das letzte der Thakali-Dörfer am Jomsom-High­way: Die nächste ernst­hafte An­sied­lung ist näm­lich bereits die Distrikt­haupt­stadt Jomsom, und damit ist dann das Ende des Thakali-Gebiets erreicht. Weiter nörd­lich und öst­lich leben Gurung und Tibeter.

Zwischen Ko­bang und Tukuche hat der Jom­som-High­way einige sei­ner dra­ma­tisch­sten Ab­schnit­te. Das liegt einer­seits daran, daß das Klima deut­lich trockener wird: Die Kiefern ver­schwin­den, statt­dessen trifft man erst auf schüt­tere Zypressen­wälder, die sich im weiteren Ver­lauf zu­nehmend in Einzel­bäume auf­lösen; rund um Marpha sind die Hänge trocken, steinig, ohne jede Humus­schicht und ab­gesehen von polster­bilden­den Dornen­pflanzen fast kahl. Diese Berg­welt macht einen monu­menta­len, lebens­feind­lichen Ein­druck. An­derer­seits ver­läuft die Straße spek­takulär ent­lang steiler Fels­wände, oft auf einer in den Felsen ge­spreng­ten Stufe und meist ohne jede Be­gren­zung in Rich­tung Fluß­tal; mit großen Steigun­gen oder engen Serpen­tinen kann sie aber nicht auf­warten, weil sie selten mehr als zehn Meter über die Sohle des Kali-Gandaki-Tales steigt.

Small lane in Tibetan-style Marpha Village (Mustang, Nepal)

Enge Gasse in Marpha

Rooftop terraces in Marpha (Mustang, Nepal)

Die Dachterrassen bilden fast so etwas wie ein „zweites Dorf“

Main road in Marpha (Mustang, Nepal)

Die Hauptstraße ist schamlos touristisch

House with firewood stored on the rooftop in Marpha (Mustang, Nepal)

Auf den Dächern von Marpha wird Feuerholz gelagert

Marpha liegt auf 2600 m im Tal der Kali Gandaki. Der Fluß fließt hier un­ge­fähr von Nord nach Süd und bil­det ein breites, an der Sohle völlig flaches Tal; Marpha schmiegt sich an die Basis des West­hanges, wäh­rend die Straße in der Sohle bleibt. Des­halb ist das Dorf, ganz an­ders als Lete, eng, ver­kehrs­frei und wun­der­bar authen­tisch. Der ein­zige Nach­teil an Marpha ist, daß man hier keinen guten Ausblick auf die Acht­tausen­der hat, weil deren Vor­hügel die Sicht aus dem tiefen Tal ver­stel­len. Der ein­zige ver­gletscher­te Berg, der gut zu sehen ist, ist der Nil­giri im Osten, gleich über dem Fluß, und von ein paar Stel­len kann man das Tal hinun­ter einen schie­fen Blick auf das Dhaula­giri-Massiv erhaschen.

Die Archi­tek­tur in Marpha wirkt recht ti­be­tisch: Würfel­förmi­ge Häu­ser aus weiß ge­kalk­ten Stein­wänden, Flach­dächer auf denen Holz­vorrä­te auf­gesta­pelt sind, und hölzer­ne, teil­weise schön ge­schnitz­te Fenster­balken gleichen im Stil weit­gehend dem, was ich in den Dörfern in Ladakh gesehen habe (auch wenn alles etwas sau­berer und hübscher ist). Das ist inso­ferne be­merkens­wert, als die Thakali ja keine Tibeter sind; aber letzt­lich wird die Bau­weise mehr vom Klima vor­gege­ben als von der Ethni­zi­tät. Und das Klima ist kalt: Die Sonne läßt in dem tiefen Tal nur sieben Stunden am Tag blicken, und die eisi­gen Winde, die nord­wärts das Fluß­tal hinauf­wehen, schleifen sogar Steine glatt; an der Nord­seite des Dorfes kann man einige schöne Bei­spiele von Wind­erosion finden. Auch ohne ero­diert zu wer­den, leide ich heftig unter dem Wind — wie kalt es hier im tie­fen Win­ter wird, will ich mir gar nicht vorstellen.

Das Stadt­bild von Marpha ist un­glaub­lich tra­ditio­nell. Zwi­schen den dicht­gedräng­ten Häusern führ­en nur ganz schma­le Fuß­wege, deren Boden zu­mind­est jetzt im Winter nie von den Strahl­en der Sonne ge­trof­fen wird; auf den Flach­dächern trock­nen Feuer­holz, Apfel­ringe, Mais­kolben und Wäsche­stücke ein­träch­tig neben­einan­der vor sich hin; die kleinen Ein­gänge der Wohn­häuser zeigen finstere Stuben mit ur­alten Holz­möbeln; und Hast scheint ein Fremd­wort. Nur die Hotels und Re­stau­rants zeigen einen Ein­fluß der Moderne und protzen mit riesigen Fenstern, durch die man das Fluß­tal, die um­geben­den Berge und die Apfel­haine auf sich wirken lassen kann.

Apples drying in Marpha (Mustang, Nepal)

Die Äpfel trocknen am Spieß

View to Nilgiri Himalayan mountains from Marpha (Mustang, Nepal)

Blick zu den Nil­giri-Gipfeln

Apple tree (Malus domesticus) in Marpha (Mustang, Nepal)

Die Apfelbäume sind jetzt im Frühwinter schon recht dürr

Äpfel (Syau) sind das kuli­nari­sche Wahr­zeichen von Marpha. Zwar wer­den sie auch an­ders­wo in Nepal an­gebaut (ich habe das ja bei mei­nem Brief aus Jumla kurz er­wähnt), aber Marpha nennt sich selbst “ap­ple capi­tal” und ist im gan­zen Land für Apfel­schnaps bekannt. Vom Dorf ab­wärts bis zum Fluß er­strecken sich die Apfel­gärten, aber wie richtig große Industrie sieht das eigent­lich nicht aus; ich frage mich, wie die paar Bauern den Apfel­bedarf des gan­zen Landes decken können. Für Touristen wird der Apfel auch in Form von natür­lichem Preß­saft ver­marktet, und zwar (ich zitiere das Etikett der Saft­flaschen) unter hygieni­schen Be­dingun­gen und in Zu­sam­men­arbeit mit der TU München her­stellt. Da staunt man, welche merk­würdi­gen Wege Ent­wick­lungs­hilfe gehen kann, aber viel­leicht trek­ken die TUler ja auch nur gerne.

Während Lete unter chroni­schem Tou­risten­mangel lei­det, ist in Marpha von einer Krise nichts zu mer­ken; man sieht jede Menge Tou­risten die „Haupt­straße“ ent­lang­flanie­ren, aber diese „Haupt­straße“ ist nur ein ca. 2 m breiter, ge­pflas­terter Fuß­weg mit hoher Dichte an Hotels und Sou­venir­shops (all das ist ziem­lich Teuer­land). Viele der Be­sucher sind am­bitio­nier­te Trek­ker, die aus Manang kom­men und sich hier von der Über­querung des Thorong-La er­holen. Dieser 5415 m hohe Paß führt von Jomsom nach Westen, und selbst die schlimm­sten Traum­tänzer in der nepali­schen Regie­rung denken nicht daran, dort eine Straße zu bauen.

Buddhist prayer place in Marpha (Hisham Gumba, Mustang, Nepal)

Heiliger Platz am Hang

Buddhist stupas in desert-like Himalayan landscape in Marpha (Mustang, Nepal)

Stupas in der kargen Landschaft

Entrance to the praying hall of a Buddhist monastery in Marpha (Mustang, Nepal)

Eingang zur Gebetshalle im Kloster

Buddhist puja ceremony employing Tibetan long horns in Marpha (Mustang, Nepal)

Bei der Puja werden die Langhörner geblasen

Außer den schö­nen Häu­sern mit ihren viel­fäl­tig ge­nutz­ten Flach­dächern hat Marpha nur eine Sehens­würdig­keit zu bieten, näm­lich das große bud­dhisti­sche Kloster un­gefähr in der Orts­mitte. Dort konnte ich morgens einer Puja bei­wohnen: Elf Mönche und ein jun­ger No­vize re­zitier­ten drei Stunden lang, und zwar unter laut­starker Be­glei­tung durch Hörner, Flöten und Trom­meln. Die tibeti­schen Lang­hörner er­zeu­gen so tiefe Töne, daß die Bauch­decke zu schwingen be­ginnt; mir machte das Ap­pe­tit auf Butter­tee, aber den scheint man hier nicht zu trinken. Die Puja fand wie immer in einem reich­geschmück­ten Medi­tations­raum statt, unter den Augen von drei der wich­tig­sten Ge­stalten des tibeti­schen Bud­dhismus: Buddha Amitabha, der „Buddha des Un­end­lichen Lichtes“ in der Mitte ist mit roter Haut­farbe dar­gestellt, der barm­herzige Ava­lokit­eshvara lächelt mild zu seiner Linken, und den dritten Platz nimmt natür­lich Padma­sambhava (Guru Rimpoche) ein, der Be­gründer des Bud­dhis­mus in Tibet.

Ganz im steilen Fel­sen an der Nord­seite von Marpha be­fin­det sich eine wei­tere bud­dhisti­sche Kult­stelle: Ein drei­eckiges Stück der Fels­wand ist weiß an­gemalt, und zu Füßen dieses Drei­ecks lädt eine Galerie von Stupas mit flat­tern­de Gebets­fahnen zum Ver­weilen und Medi­tieren ein. Aber Stupas und andere bud­disti­sche Ac­ces­soires kann man hier eigent­lich über­all sehen; beim Herum­klettern in den Hängen fand ich eine ganze Grup­pe da­von, ganz roh aus Schiefer­steinen er­rich­tet, auf einem Plateau mit herr­licher Aus­sicht auf die trockene, ab­weisen­de und kahle Land­schaft nörd­lich von Marpha. Tibet ist nicht mehr weit.

Desertlike Himalayan landscape between Marpha and Jomsom, Mustang, Nepal

Die Landschaft ca. zwei Kilometer nördlich von Marpha

Nepali/Thakali Food: Drying Kindi (yak blood sausage)

Kindi (Yakwurst) trocknet über der Feuerstelle

Nepali/Thakali Food: Kindi, raw and fried (yak blood sausage)

Kindi, roh und gebraten

Head of a slaughtered Yak, seen in Marpha (Jomsom-Highway, Mustang, Nepal)

Yakkopf

Es ist gar nicht so ein­fach, in Marpha kuli­na­risch zu re­üssie­ren; das wohl auch des­halb, weil die teuren Touri-Buden mit ihrer Haute-Bâtard-Cuisine die lokalen Kneipen aktiv ver­drängen. Immer­hin konnte ich in Er­fah­rung bringen, daß die ge­trock­nete Blut­wurst Kindi hier aus Yak ge­macht wird. Um ein paar Yaks zu sehen, müßte ich nur drei Stun­den den Berg hinauf­klettern, meinte je­mand, aber in Marpha könn­te ich kei­ne zu Ge­sicht be­kom­men, außer, es wür­de ge­ra­de eines zum Schlach­ten herunter­getrie­ben. Als kleiner Er­satz für einen le­ben­den Grunz­ochsen lag in einer Kneipe noch ein frisch ab­geschnit­tener Yak­kopf herum, der jemand freund­licher­weise für mich ins Freie trug, damit ich ein Photo schießen konnte. Die Yak-Blut­wurst schmeckt nicht viel anders als die aus Schaf, ist aber wesent­lich magerer; deshalb wird sie erst auf­geschnit­ten und dann mit Öl an­gebra­ten, wobei sie eine sehr knusprige Kon­sistenz an­nimmt, die beim Ab­kühlen rasch in stein­hart übergeht.

Nepali/Thakali Food: Boiled yak meat

Gekochtes Yakfleisch

Nepali/Thakali Food: Preparing instant noodle soup (chow-chow, wai-wai)

Die Zubereitung von Instant-Nudelsuppe überfordert niemanden

Nepali/Thakali Food: Potatoes cooked with Himalaya Onion (Jimbu)

Alu Jimbu (Kartoffeln mit Jimbu-Blättern)

Nepali/Thakali Food: Spicy condiments (spice powder timur piro, radish picle, tomato chutney)

Würzbeilagen: Gewürzpulver (Timur Piro), Rettich-Pickle (Mula Achar), Tomaten-Chutney

Sonst be­kam ich vor allem Dal­bhat, ge­wöhn­lich leider ohne be­son­dere loka­le Charak­teristi­ka. Als in mei­nem be­vorzug­ten Bhancha Ghar mal kein Dal mehr übrig war, bot mir die Be­sitze­rin ohne Auf­preis etwas Nicht­vegetari­sches an: Kar­tof­feln wurden in Yak­brühe gekocht und mit dem Fleisch serviert. Das schmeckt gar nicht übel; selbst der aus­gekoch­te Fetzen Yak hatte noch einen kräf­tigen Eigen­geschmack, auch wenn er natür­lich ge­nau­so zäh und strohig war wie jedes andere stunden­lang ge­koch­te Suppen­rind. Ein an­de­res Mal hatte das Glück, daß mir ein intensiv mit Jimbu ge­würz­ten Kar­tof­fel­gericht vor­gesetzt wurde.

An den an­de­ren Ta­gen ver­blie­ben haupt­säch­lich In­stant-Nudel­suppen. Darüber brauchst Du gar nicht die Nase zu rümpfen: Sie sind in allen Berg­regio­nen Nepals be­liebt, weil sie sich schnell und energie­effi­zient zu­berei­ten las­sen, und im Hoch­gebirge sind sie un­ersetz­lich, weil sie Flüssig­keit, Salz und Wärme liefern, drei in diesem Klima hoch­wichti­ge Fak­toren. In mitt­leren Lagen wer­den sie oft etwas auf­wendi­ger ge­kocht, in­dem man frisch an­gebrate­ne Ge­müse und Ge­würze mit Was­ser ab­löscht und die Nudeln darin quellen läßt, aber hier macht man es schnörkel­loser und wirft Nudeln und die mit­gelie­fer­ten Ge­schmacks­konzentra­te ein­fach in kochen­des Wasser. Als ein­zige ge­schmack­liche Auf­besse­rung fun­giert das Ge­würz­pulver Timur Piro aus roten Chilies, Salz und Timur, mit dem man sich die Brühe am Tisch nach­schärfen kann. Diese Nudel­suppen heißen in Nepal übrigens Chow Chow, ver­mut­lich in An­leh­nung an chine­sisch chao 炒 „kochen, braten“; die be­liebte­ste Marke ist Wai Wai, und ich frage mich, ob sich da­hinter chine­sisch wei 味 „Ge­schmack“ verbirgt.


Jomsom Road 2 Kagbeni

Alu Jimbu, Ālū Jimbu, Äpfel, Avalokiteshvara, Avalokiteśvara, Bhancha Ghar, Bhānchā Ghar, Buddha Amitabha, Buddha Amitābha, Caṭnī, Cāu Cāu, chao, chǎo, Chow Chow, Chutney, Dal, Dāl, Dalbhat, Dāl Bhāt, Dhaulagiri, Dhaulāgirī, Guruṅ, Gurung, Indien, indischer Subkontinent, Jomsom-Highway, Jumla, Jumlā, Kali Gandaki, Kālī Gaṇḍakī, Kindi, Kinḍī, Kobāṅ, Kobang, kulinarische Reiseberichte, Ladakh, Laddāḫ, Lārjuṅ, Larjung, Manāṅ, Manang, Marfa, Mārfā, Marpha, Mulā Acār, Mula Achar, Nepal, Nepāl, nepalischen, nepālischen, Nepals, Nepāls, Nilgiri, Nīlgiri, Puja, Pūjā, Reisebriefe, Stupas, Stūpas, Syau, Syāu, Thakali, Thakālī, Thorong La, Thoroṅ Lā, Timur, Ṭimur, Timur Piro, Ṭimur Piro, Tukuce, Tukuche, Vāi Vāi, Wai Wai, wei, wèi, Yak