Landkarte
Lumbini Siehe auch Kathmandu 1, Kathmandu 4, Sriranga­patna, Kolkata, Pokhara2 Gorakhpur

Kathmandu 3 काठमाण्डौ (Nepal)

Dipawali (Diwali) lights in Kathmandu, Nepal

Lichterreihe in der Altstadt von Kathmandu

Dipawali (Diwali) lights in Kathmandu, Nepal

Auch die Stiege in meinem Hotel ist festlich beleuchtet

Dipawali (Diwali) lights in Kathmandu, Nepal

Brennende Lichter zu Divali

Liebe Birgit, 

ich bin nun wieder in Kath­mandu und ver­treibe mir die Warte­zeit auf das Indien-Visum mit gutem Essen, Alt­stadt-Spazier­gängen und Ex­kursionen in die Um­gebung. Also alles wie gehabt.

Das Indien-Visum ver­sprach zunächst einmal, ein ziem­liches Debakel zu werden, weil mir die Bot­schaft kein zweites Sechs-Monats-Visum aus­stellen wollte. Also fragte ich herum, ob irgend­jemand Rat wüßte, besuchte einige Travel Agents und wedelte mit Bündeln von Hundert-Rupien-Scheinen, in der Hoff­nung, daß das irgend­jemanden zu einer Höchst­leistung moti­vieren könnte. Durch Vermitt­lung des Hotel­besitzers kam ich dann zu einem Reise­büro mit exzel­lenten Kon­takten in die indische Bot­schaft, und dann war mir Lakshmi hold.

Lakshmi ist eine Dame mitt­leren Alters, deren Klei­dung, Schmuck und Make-up wahr­schein­lich halb soviel wie meine Travel-Aus­rüstung gekostet hat; angeb­lich arbeitet sie in der indi­schen Bot­schaft, aber das hielt sie nicht ab, zur besten Arbeits­zeit im Reise­büro zu er­scheinen, mir ein Formular zu reichen (typisch indisch: Bei der Identität gibt man seinen eigenen Namen und den des Vaters an) und mir zu erklären, daß ich in einer Woche mein Visum bekommen würde.

Dipawali (Diwali) lights in Kathmandu, Nepal

Lichter und Blüten

Dipawali (Diwali) sweets in Kathmandu, Nepal

Bunte Süßigkeiten

Dipawali (Diwali) sweets in Kathmandu, Nepal

Lichter und Farbstaub

Am näch­sten Tag mußte ich in der indi­schen Bot­schaft auf­tauchen, zwei Stun­den warten und unter Lakshmis Auf­sicht ein weiteres Formular ausfüllen; außer mir „betreute“ sie zwei weitere Touristen. 90 Euro kostete der Spaß, dreimal soviel wie die offi­zielle Visums­gebühr, und plötz­lich war mir klar, wer ihre ex­klusive Garde­robe finanziert. Selten paßte ein Name besser zur Person, denn Lakshmi ist ja die Göttin des Reich­tums (für sie) und des Glücks (für mich).

Zur Zeit wird im gan­zen indi­schen Kultur­raum das Diwali- oder Dipa­wali-Fest ge­feiert. Ent­spre­chend sind die Tem­pel wieder ge­öff­net, ge­legent­lich trifft man auf trommel­wirbel­unter­stützte Prozes­sionen, und abends werden alle Haus­eingänge mit bunten Figuren aus Farb­pulver (Rangoli), kleinen Opfer­gaben und bren­nen­den Kerzen ge­schmückt. Das Fest wird des­halb auch oft als „Lichter­fest“ bezeichnet; die Lichter sym­boli­sieren dabei innere Erkenntnis.

Anläßlich des Dipa­vali-Festes haben sich über Nacht in der Alt­stadt viele Verkaufs­stände mit diversen Süßig­keiten materiali­siert. Dort bekommt man das ganze Spektrum der indi­schen Spe­ziali­täten wie Barfi, Pera, Jalebi, Laddu und wie sie alle heißen. Teil­weise findet man sie dann abends als Opfer­gaben neben den flackern­den Öllichern.

Shiva and Parvati shrine decoreted for  (Diwali) festival in Kathmandu, Nepal

Beleuchteter Shiva-Schrein

Children singing at Dipawali (Diwali) festival in Kathmandu, Nepal

Singende Kinder

Buddhist stupa decorated for Dipawali (Diwali) festival in Kathmandu, Nepal

Mit Kerzen und Bimara geschmückter Buddha

Auch auf den Obst­märkten hinterläßt das Fest seine Spuren: Eine seltsame zitronen­artige Frucht namens Bimara, die ich vorher noch nie gesehen hatte, wird überall verkauft. Sie erinnert stark an die medi­terrane Zitronat­zitrone, aus der man das als Back­zutat bekannte Zitronat herstellt: Sie hat ungefähr Zitronen­gestalt, ist aber wesent­lich größer, an der Ober­fläche oft warzen- bis krokodils­artig rauh und hat unter der dicken Schale ein strohiges, wenig saftiges Frucht­fleisch. Schei­ben von Bimara werden oft am Boden vor den kleinen Schreinen am Straßen­rand abgelegt.

Über die Newar-Speisen habe ich Dir ja in meinen letz­ten Brie­fen aus Kath­mandu schon viel ge­schrie­ben, und ich denke, ich lasse meine Berichte aus Nepal nun mit einigen weiteren chinesi­schen Erleb­nissen aus­klingen, denn nach wie vor pendle ich täglich zwischen der auto­chthonen Newar-Küche in der Altstadt und den chinesi­schen Restau­rants im Touristen­ghetto Thamel.

Mein bevor­zugtes Restau­rant, das Hotel Chengdu (Chengdu Binguan 成都宾馆), hat während meiner Ab­wesen­heit die Speise­karte über­arbeitet; der Hotel­besitzer, der mich be­sonders in sein Herz ge­schlos­sen zu haben scheint (offen­bar bin ich der erste westliche Dauer­gast), erzählte mir, daß er ständig daran arbeitet, mehr Speisen an­zu­bie­ten und die bereits vor­handenen zu opti­mieren. Daran zeigt sich die chinesi­sche Ein­stellung zum Essen, die von Genuß­freude dominiert wird und in einem guten Koch fast einen Künstler sieht, und auch das typisch chinesische Perfektionsstreben.

Beides hat übrigens Kim Stanley Robinson im spekta­kulär guten ersten Kapi­tel seines alternate-history-Romans The Years of Rice and Salt wunder­bar be­schrieben, und zwar aus der stau­nenden Perspek­tive eines ein­fachen Mongolen, den es in das Peking der frühen Míng-Zeit verschlägt und der nur darüber staunen kann, mit welcher fast wissen­schaft­lichen Akribie die zahl­reichen Restau­rants versuchen, ihre Konkurrenz geschmacklich zu übertrumpfen.

Chinese food: Feng-wei la ji-si, Chicken chops with wind flavour

风味辣子鸡, Huhn mit Wind-Geschmack

Chinese food: Feng-wei Mu-err, mushroom salad with wind flavour

风味木耳, Pilzsalat mit Windgeschmack

Auf der neu­en Karte fielen mir eine Reihe von Einträgen mit der Zeichen­kombination 风味 auf, die sich nach heftiger Re­cherche als Fengwei oder „Wind-Ge­schmack“ er­schloß. Das war alles recht pikant, aber ich konnte keinen gemein­samen Nen­ner aus­machen: So war Fengwei la ziji 风味辣子鸡 ein wunderbar scharfes Hühner­fleisch mit grünen Paprika­schoten; nach chinesischer Sitte wird das Fleisch nicht entbeint, sondern man soll die kleinen Knochen zerbeißen und mitessen. Dagegen erwies sich Fengwei Mu-er 风味木耳 als kalter Salat aus jenen knackigen Pilzen, die bei uns als „chinesische Morcheln“ bekannt sind, garniert mit sauer eingelegten roten Chilies.

Chinese food: Lu-shui dou-fu, Tofu braised in master sauce

鹵水豆腐, in Gewürzbrühe gekochter Doufu

Chinese food: Shu-xiang hui-guo rou, Twice cooked pork in style of Shu (Szechuan)

蜀香回锅肉, doppelt gekochtes Schwein

Auch das „Dop­pelt gebra­tene Schweine­fleisch“ gab es in einer neuen Vari­ante Shu­xiang Huiguo rou 蜀香回锅肉, wört­lich „zurück-in-den-Topf–Fleisch mit Ge­schmack von Shu“, wobei Shu der Name eines alten König­reiches auf dem Gebiet des heutigen Sichuan ist. So wie die Grundversion war auch dieses trocken, ölig und aromatisch, allerdings mit knusprig frittierten Stücken von Doufu (der bei uns eher unter seinem japanischen Namen Tofu bekannt ist). Unbedingt nötig für den authentischen Geschmack sind übrigens die fermentierten „schwarzen Bohnen“, Douchi 豆豉, die beim Zerbeißen einen salzigen und hoch­aromatischen Geschmack hinterlassen.

Doufu hat ja nicht zu Unrecht den Ruf, eine „Orgie der Geschmack­losigkeit“ zu sein; aber die Chinesen verstehen sich darauf, diesem (eu­phemistisch gesagt) neutral­schmecken­den Material etwas Aroma anzuhexen. Sehr inter­essant fand ich die Vor­speise Lushui Doufu 鹵水豆腐, für die der Bohnen­käse erst in Gewürz­brühe geköchelt, dann in Teig getaucht und ab­schließend frit­tiert wird. Lushui heißte eigentlich nur „Salz­wasser“, aber in Wahr­heit handelt es sich um eine echte Geheim­waffe der chinesischen Küche: Eine starke Fleisch­brühe mit einer Riesen­menge an Gewürzen (Fenchel, Stern­anis, Sichuan­pfeffer, Zimt, Mandarinen­schale, Cardamom), die fast ewig weiter­verwendet werden kann, weil sie mit jedem Material, das darin gekocht wird, neuen Geschmack annimmt. In der englisch­sprachigen Koch­literatur ist sie auch als master sauce bekannt, und manchmal liest man auch auf Deutsch „Meistersauce“.

Chinese food: Zha-jiang Mian, Beijing-style noodle soup

炸酱面, Beijing-Nudelsuppe

Chinese food: Hong-shao rou, red braised pork

红烧肉, rotgekochtes Schwein

Das Kochen in gewürzter Brühe finde ich persönlich die chine­sischste aller chinesi­schen Koch­methoden, da es in un­zähligen Varianten praktiziert wird und für keine andere Küche so typisch ist. Bereits letztes Mal habe ich Dir ja von meiner chinesischen Lieblings­speise Shuizhu Niurou 水煮牛肉 geschrieben, bei der eine extrem geschärfte Brühe als Kochmedium für dünne Scheiben von Rindfleisch dient. Ein Standard­verfahren ist Hongshao 红烧, das „Rot­schmoren“, bei dem eine Mischung aus Soja­sauce und Brühe (mit Gewürzen) zum Einsatz kommt und das Gargut sich entprechend dunkelbraun („rot“) färbt. Hier in Kathmandu habe ich eine ungewöhnliche Variante davon bekommen, bei der weniger Sojasauce als die scharfe Chili–Bohnen-Paste Doubanjiang 豆瓣酱 für die Farbe verantwortlich war. Als Folge war die Kochflüssigkeit weniger salzig und das Gericht nahm eher den Charakter einer sehr herzhaften Suppe an, zumal außer dem kanonischen fetten Schweinebauch auch noch magenverträglichere Kartoffeln mitgekocht wurden.

Es wäre ei­ne Sünde, bei einer Be­schreibung der chinesi­schen Küche keine Nudel­supppen zu erwähnen. Am besten schmeckte mir Zhajiang Mian 炸酱面, eigentlich eine Spe­zialität der Nordküche von Beijing. Da ich es gerne pikant habe, wurde die zugrunde­liegende Brühe mit etwas ange­bratenem Doubanjiang verstärkt und danach mit Reis­nudeln, gerösteten Erd­nüssen, gehacktem Büffel­fleisch und einem Spiegelei serviert.

Laß mich mein Loblied auf die chinesische Küche mit einer Polemik beenden: Das Gros der China­restaurant­betreiber in Deutsch­land sollte wegen Verbrechen gegen die chinesische Kultur bastonadisiert, gevierteilt und mit Pfauen­federn zu Tode gekitzelt werden. Es ist wirklich unglaub­lich, mit welcher Hart­näckigkeit sie ihren Gästen die Freuden des echten China vorenthalten.

Damit ist Nepal am Ende; sobald ich mein Visum habe, hüpfe ich über die Grenze, und Du hörst von mir, wenn ich wieder indischen Boden unter den Füßen habe.


Lumbini Gorakhpur

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