Landkarte
Rajshahi Nawabganj & Bagha

Puthia পুঠিয়া (Bangladesh)

Krishna Hindu Temple Gobind Mandir in Puthia, near Rajshahi (North-Western Bangladesh)

Die Südseite des Govinda Mandir

Krishna Hindu Temple Govind Mandir in Puthia, near Rajshahi (North-Western Bangladesh)

Der Govinda Mandir am frühen Morgen, gesehen vom Dach des Rajbari

Maharaja Palace (Rajbari) in Puthia, near Rajshahi (North-Western Bangladesh)

Der Rajbari von Puthia

Liebe Birgit,

nach­dem meine E. coli sich zu­nächst hem­mungs­los aus­gebrei­tet haben, konn­te ich sie dann spät aber doch unter Kon­trolle brin­gen, dafür tauchte plötz­lich ein Nieren­stein auf — das ist das erste Mal auf der Reise, daß ich signi­fikant er­krankt bin, und ich muß auf jedes ver­füg­bare Holz klopfen, daß der aktuel­le Zustand erhalten bleibt und kein plötz­licher Rück­schlag auf­tritt. Immer­hin geht es mir mittler­weile so gut, daß ich heute einen Aus­flug nach Puthia unter­nommen habe, einem größeren Dorf eine halbe Bus­stunde öst­lich von hier.

Und Puthia hat es in sich. Das Städ­chen war bis 1947, dem Jahr der un­seli­gen Tei­lung Ben­galens, von einer Hindu-Mehr­heit be­wohnt und hatte auch einen hindu­isti­schen Raja aus einer Familie von reichen Feudal­herren (Zamindar). Des­sen erst 1895 in bri­tisch ge­präg­tem Stil er­bau­ter Palast (Rajbari) bröckelt nun ein­sam und ver­lassen vor sich hin und ver­mit­telt nur noch ein vages Gefühl ehe­maliger Grandezza (zum Gefühl von Verfall trägt auch eine heftig stin­kende Fleder­maus­kolonie bei, die sich in­zwischen ein­genistet hat). Desto groß­artiger sind jedoch die Tempel im näheren Umfeld des Palast­komplexes, die von den in Puthia ver­blie­benen Hindus, immer­hin einem knap­pen Drit­tel der Be­völke­rung, einige Male im Jahr zu opulenten Festen genutzt werden.

Gleich hin­ter dem Rajbari steht der erste davon, der dem Krishna ge­weihte Go­vinda Mandir. Der über­raschend kleine, rot­braune Bau hat einen quadrati­schen Grund­riß mit vier Türmen an den Eck­punkten und einem größeren in der Mitte — dieses Motiv heißt oft Panchratna („fünf Juwelen“) und ver­körpert den himm­lischen Berg Meru; das weltweit bekann­teste Bei­spiel dafür sind wohl die ikoni­schen Türme von Angkor Wat in Kam­bodscha. Der Go­vinda Mandir ist aber nicht aus Stein erbaut, sondern aus Zie­geln, und all­seitig mit Terra­kotta verkleidet. In die angenehm warme, rotbraune Terra­kotta-Ober­fläche wurden Tausende von kleinen Figuren und Mini-Skulpturen ein­geschnitzt, was bei mir zur spon­tanen As­sozia­tion „Leb­kuchen­haus“ führte; obwohl der Zahn der Zeit an dem vier­hundert Jahre alten Meister­werk schon kräftig genagt hat, macht er zu­mindest aus der Ferne einen unglaublich frischen und intakten Eindruck.

Krishna Hindu Temple Gobind Mandir, Southern Entry, in Puthia, near Rajshahi (North-Western Bangladesh)

Der Südeingang zum Govinda Mandir

Terracotta figurines an Krishna Hindu Temple Gobind Mandir in Puthia, near Rajshahi (North-Western Bangladesh)

Terrakotta-Fries an der Westseite des Govinda Mandir

A smaller Govinda Mandir in Puthia, near Rajshahi (North-Western Bangladesh)

Der Jagannath Mandir

Die mei­sten Dar­stel­lungen stam­men aus dem Sagen­kreis von Radha und Krishna, dem romanti­schen Traum­paar der purani­schen Mytho­logie. Man sieht aber auch lange Friese, in denen merk­würdige Fabel­tiere meter­lang um den Tempel herum­proze­dieren, oder Ganesha auf einer riesigen Ratte reiten, oder Shiva und Parvati in enger Um­armung. Es ist ein phan­tasti­sches Bilder­buch — und nicht das einzige in Puthia.

Ein paar Geh­minuten nord­west­lich trifft man auf eine Grup­pe von drei Tem­peln, davon wie­der zwei in Terra­kotta-Bau­weise. Der dor­tige Krishna-Tempel ver­ehrt den Gott in seiner Form als Jagan­nath und hat eben­falls einen quadrati­schen Bau­plan, wird aber von einem einze­lnen, pyramiden­förmigen Turm gekrönt, des­sen Design sich an die tra­ditio­nellen Lehm­hütten anlehnt. Terra­kotta-Verklei­dung und Figuren­pracht sind im wesentlichen auf die Vorder­seite (Süd) beschränkt. Gleich daneben steht der lang­gezo­gene Annika Mandir, des­sen Ost­seite eben­falls mit wunder­baren Terra­kotta-Verzierungen geschmückt ist.

Annika Mandir Hindu Temple in Puthia, near Rajshahi (North-Western Bangladesh)

Das Portal des Annika Mandir ist überreich verziert

Dol Mandir (Holi Temple) and Shiv Mandir (Shiva Hindu Temple) in Puthia, near Rajshahi (North-Western Bangladesh)

Der Dol Mandir; links im Hintergrund die Türme des Shiva Mandir

Annika Mandir Hindu Temple in Puthia, near Rajshahi (North-Western Bangladesh)

Der Annika Mandir

Terrakotta‑Tem­pel sind für Ben­galen typisch; ich habe ich auf mei­ner gan­zen Reise noch kei­nen ge­se­hen, aber ich hof­fe, in den näch­sten Wo­chen noch das eine oder an­de­re Ex­emplar an­zutref­fen (Terra­kotta-Moscheen kommen aber schon nächstes Mal dran) . Es ist wirk­lich schade, daß sich nur so selten Aus­länder nach Nord­west-Bangla­desh ver­irren, denn der Reise­führer hat zweifel­los Recht, wenn er be­haup­tet, daß diese pracht­vollen Bau­werke in fast jedem anderen Land den Mittel­punkt einer Traube knipsen­der Touristen bilden würden. Auf der andren Seite denke ich mit Gruseln daran, was der Archeo­logical Survey of India hier wohl für astro­nomi­sche Ein­tritts­preise für Aus­länder ab­kassie­ren würde. Das Depart­ment of Archeo­logy in Bangla­desh fällt dagegen ins andere Extrem und spielt auf zu nied­rigem Profil: Der einzige Beamte, der für diese Kunst­schätze zu­ständig ist (und der durch Herum­führen des täg­lichen bis wöchent­lichen Aus­länders ein kleines Zu­brot verdient) er­zählte mir, daß die Tempel aktiv durch Souvenir­jäger bedroht seien, da manche benga­lische Besucher sich ein kleines „Andenken“ aus der Ver­kleidung brechen.

Die weiteren Tem­pel Puthias hinter­lassen da­gegen einen eher blas­sen Ein­druck. Gleich gegen­über dem Raj­bari steht der weiße Dol Mandir in Form einer Stufen­pyramide, wie man sie auch in Nepal oft zu sehen be­kommt; diese Bau­weise ist raja­sthani­schen Palästen nach­empfunden und wurde in der spä­teren Ko­lonial­zeit über­all häufig kopiert. Eben­falls kolo­niale Merk­male trägt der auf einer hohen Platt­form erbaute fünf­türmige Shiva Mandir ein Stück­chen weiter nörd­lich; dieser weit­hin sicht­bare Bau liegt am Ufer eines kleine Teiches und ist der einzige Tempel des Ensembles, der nicht dem Depart­ment of Archeo­logy unter­steht, sondern täg­lich genutzt wird. Im Garbha­griha steht ein großer, schwarz­glänzen­der Shiva­lingam, und einige moderne, kitschig–bunte Drucke von Shiva hängen an der Wand. Nach der ganzen archi­tektoni­schen Opulenz wirkt dieser Kult­raum eher erbärm­lich, an­gemes­sen einem Land, in dem die Hindus nur eine unter­privile­gierte Minder­heit darstellen.

Bengali/Bangladeshi Food: Mashed unripe banana (Kola)

Bananenpüree (Kola Bhorta [sprich: Kola Bhotta])

Bengali/Bangladeshi Food: Khichuri (cooked rice with lentils)

Khichuri

Alocasia macrorrhizos: Giant Elephant Ear Taro plant called Kochu in Bengali

Die Taro-Pflanze

Über das Es­sen in Raj­shahi habe ich ja schon letztes Mal ziemlich aus­führ­lich be­richtet. Die Taro-Knollen (Kochu), die ich leider nur spora­disch be­komme, fas­zi­nieren mich nach wie vor am meisten, denn dieses Wurzel­gemüse habe ich auf meiner ganzen Reise noch nie bewußt ge­gessen. Die Pflanze mit ihren riesigen, ein wenig an Rha­barber er­innern­den Blät­tern sieht man häufig am Rand der all­gegen­wärtigen Tüm­pel wach­sen; sie kann über­manns­hoch werden. Neben Kar­tof­feln und Taro gibt es noch weitere Stärke­quellen zu ver­kosten, bei­spiels­weise Koch­bananen (Kala [sprich: Kola]), gewürzt mit grünem Chili und Senf­öl.

In den letz­ten Mona­ten habe ich Dir zwei Mal von Khichari be­richtet, einer Speise aus Reis und Hülsen­früch­ten; aber hier in Raj­shahi, wo es Khichuri heißt, schmeckt es noch viel besser. Es wird aus Rund­korn­reis zu­bereitet, der dazu in einer aro­mati­schen Knochen­brühe gegart und nach dem Ab­kühlen noch einmal auf­gebraten wird, so daß es ganz krümelig und trocken serviert werden kann. Die Würzung war ganz mogu­lisch geprägt und hätte einem Biryani alle Ehre gemacht: über dem Teller schwebte näm­lich eine inten­sive Duft­wolke aus Nelken und indi­schen Lor­beer­blättern und dazu ge­sell­ten sich noch ein paar Körner von Kubeben­pfeffer (dieses Gewürz hatte ich schon auf ein paar Märkten gesehen, aber noch nie geschmeckt). Als benga­lische Eigen­heit kamen noch einige Nigella-Samen dazu.

Bengali/Bangladeshi Spice Blend: Panch phoron (five spice mix)

Panch Phoron am Markt

Bengali/Bangladeshi Spice: Radhuni (Trachyspermum roxburghianum) seeds

Radhuni-Früchte

Nigella ist ein vor­wie­gend in „Groß-Benga­len“, also im Drei­eck BiharAssamBangla­desh, verbrei­tetes Gewürz. Es bildet auch einen Be­stand­teil der für diese Region typi­schen „Fünf­gewürze-Mi­schung“ Panch Phoron [sprich: Panch Foron]. Die anderen Kom­ponen­ten sind Bocks­horn­klee, Fenchel, Kreuz­kümmel und — ja, das ist die große Frage. Fast alle Koch­bücher faseln von Senf­samen, aber das ist nicht richtig. In Wahrheit nimmt man dazu Radhuni (manch­mal auch Chadhuni genannt), eine Pflanze, die sonst nir­gend­wo beson­dere Bedeu­tung hat. Sie hat keinen deutschen Namen, aber Du kannst sie notfalls „Ben­gali­scher Küm­mel“ nennen; die wis­sen­schaft­liche Bezeich­nung ist Trachy­spermum roxburghianum.

Radhuni ist eng mit Ajowan ver­wandt (den ich an­ders­wo auch schon im Panch Phoron ge­fun­den habe), und etwas weit­läufi­ger mit Küm­mel und Peter­silie (mit der wird er gerne ver­wech­selt). Der Ge­schmack ist recht mild und er­innert durch­aus etwas an Ajowan, noch mehr aber an Sel­lerie. Man ver­wendet die Früchte (vulgo „Samen“), die etwa die­selbe Größe wie Ajowan haben, aber durch ihre glat­tere Ober­fläche leicht unter­schieden werden können. Wahr­scheinlich ist Radhuni das einzige etwas bedeu­tendere indische Gewürz, das man in Europa nir­gend­wo kaufen kann, aber es läßt sich sehr gut durch Sellerie­früchte ersetzen; die sind zwar auch nicht gerade üblich, sollten aber zumindest im Fach­geschäft erhältlich sein.


Rajshahi Nawabganj & Bagha

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