Landkarte
Agartala Siehe auch Nainital, Muktinath Hile

Dharan धरान (Nepal)

Assamese Non-Veg Thali in Lumding, Assam (India)

Rekordverdächtig gute Zwischenmahlzeit am Bahnhof von Lumding

Food Manipur style in Guwahati, Assam (India)

Ein letztes Essen in Guwahati (im Manipuri Hotel), und dann ab in die 2. Klasse

Fire Brigades like to fry — in Langting, Assam (India)

Gesehen in der Bahnstation in Langting; hoffentlich versteht die Feuerwehr mehr von Brandbekämpfung als von Orthographie

Liebe Birgit,

auf meiner hastigen Flucht vor dem indi­schen Gesetz habe ich es gerade noch recht­zeitig geschafft, die ret­tende Grenze zu Nepal zu er­reichen. Meine Eintritts­pforte war, wie schon vor eineinhalb Jahren, der ganz im Osten gelegene Grenz­übergang in Kakarbhitta. Aber die Reise war über­durch­schnittlich anstrengend.

Von Agar­tala über Lum­ding nach Guwa­hati sammel­ten sich ein paar Stun­den Ver­spätung an. Daher kam ich erst sechs Uhr abends müde aber nicht all­zu beun­ruhigt an. Der Ver­kehrs­knoten­punkt Siliguri ist ja nur neun Bus­stunden entfernt, vor dort zur Grenze dauert es nicht einmal eine, und ich hatte noch den ganzen nächsten Tag Zeit. Was sollte schon schiefgehen? Nun, der Teufel hatte sich eine besondere Bosheit einfallen lassen: Die Nachmittags­busse waren schon weg, und richtige Nacht­busse nach Westen gab es nicht; daran, so sagte man mir, sei die unruhige Lage in Bodoland schuld. Die Bodo haben zwar meines Wissens nach ihren Untergrundkampf gegen die Zentralregierung aufgegeben, aber das hatte sich wohl noch nicht zu den Busbetreibern durch­gesprochen. Die nächste Frage, ob ich ein Ticket für morgen nachmittag wolle, half mir nicht weiter.

So blieb mir nichts anderes übrig, als den letzten Stroh­halm für eine pünkt­liche Beför­derung zu er­greifen: Eine Nach­tzug­fahrt in der gefürch­teten second class un­reserved. Ich kaufte ein Ticket, wedelte damit (und ein paar Hundert-Ru-Scheinen) vor einigen Bahn­angestellten herum und fragte un­schuldigen Blickes, ob denn ein upgrade möglich sei. Alles voll, beschied mir der Chef­ticket­inspektor. Und so machte ich mich in den einzi­gen Wagen der zweiten Klasse auf, der wie die Hölle in einem Gemälde von Hierony­mus Bosch wirkte: Kein Licht, kein Platz, aber dafür viel Dreck und alles voll mit aggressiven Indern, die mir auch ohne Englisch problemlos klarmachten, daß sie mir keinen Millimeter Raum abgeben würden. Eine keifende alte Frau wollte mir nicht einmal einen Platz am Gang gönnen und malträtierte mich verbal, während ich mich niederkauerte, meinen Rucksack umarmte und hoffte, daß diese Nacht irgendwann zu Ende gehen würde.

Red Strike Flag in the Tarai region near Kakarbhitta, Nepal

Juhu, im Terai wird wieder einmal gestreikt!

Party with portable music in a Tea garden near Kakarvitta (Nepal)

Streikbedingt gönnen sich einige Leute aus Kakar­bhitta eine Party mit Musik im nahen Teegarten

Es war aber nicht die Hölle, son­dern nur das Fege­feuer; und es dauerte nur zehn Minuten. In dieser Zeit hatte sich wohl herum­gespro­chen, daß ein Aus­länder ver­zweifelt in der niedrigsten Klasse saß, und das belei­digte den indi­schen National­stolz. Jemand in Bahn­uniform gebot mir, mitzu­kommen, und führte mich zum letzten Wagen des Zugs. Dort gab es ein unfaß­bar geräumi­ges Roll­stuhl-Abteil, das mangels Rollstuhl­fahrern so gut wie immer leer steht. Hier solle ich es mir bequem machen, meinte der Mann, lehnte jegliche Be­zah­lung ab und ver­schwand. Bald füllte sich das Abteil mit anderen Gästen (ich nehme an, die mußten dafür sehr wohl bezahlen), und es wurde doch noch eine angenehme Zug­fahrt nach New Jalpaiguri, von wo die Weiter­reise ein Kinder­spiel ist.

Mittag des näch­sten Tages hatte ich die Grenze hinter mir; der Typ in der indi­schen Immi­gration wirkte sturz­betrun­ken und trug sogar ein fal­sches Ausreise­datum in den Paß ein. Dem wäre es be­stimmt nicht auf­gefallen, wenn ich die Aufent­halts­erlaubnis einen Tag über­zogen hätte, dachte ich mir beim Hinaus­gehen säuerlich. Auf der nepali­schen Seite ent­schied ich mich dafür, gleich in Kakar­bhitta abzu­steigen und mich auszu­schlafen, ehe ich einen inter­essanteren Ort auf­suchte. Den nächsten Tag ver­schlief ich zur Hälfte, die beiden fol­genden gab es wegen eines Streiks der Bus­fahrer kein Weiter­kommen, aber dann schaffte ich es doch noch nach Dharan, das oft auch als Dharan Bazar bezeichnet wird.

Hot Chili (Akabare Khorsani, Capsicum chinense) on a market in Dharan Bazaar, Nepal

Am Markt bekommt man auch die scharfen Chilies der Sorte Akabare Khorsani

Yartsa Gumba (dried catarpillar fungus) herbal medicine in Dharaan Bazaar, Nepal

Yarsa Gumba kann durch den bloßen Anblick heilen („Danke, ich bin schon wieder gesund!“)

Clock Tower in Dharan Bazar, Nepal

Dharan liegt zwar im Flachen, ist aber trotzdem recht reizvoll

Es ist eine Erfahrungs­tatsache, daß alle Städte im Terai staubig, schmutzig und öde sind — aber Dharan ist anders. Es liegt ganz knapp am Gebirge, das nur einen Kilo­meter weiter nörd­lich jäh aus der Ebene auf­steigt, und bietet eine aus­ge­prägte Berg­stadt-Atmo­sphäre. Das kann aber nicht die volle Er­klä­rung sein: Butwal ist nämlich trotz einer ähn­lichen Lage stinklangweilig.

Das Basar-Viertel in Dharan wird von verschie­denen Berg­stämmen, vor allem Rai und Limbu, beherrscht, und ent­sprechend ab­wechs­lungs­reich ist das Straßen­bild voller Menschen mit den unter­schied­lichsten Gesichts­zügen. Frauen in bunten Trachten und mit wetter­gegerbtem Gesicht ver­kaufen hier landwirt­schaft­liche Pro­dukte wie Zitrus­früchte, Ge­müse oder scharfe Chilies, manche auch ge­trock­nete Heil­pflanzen aus den Bergen. Zum ersten Mal sah ich dort die be­rühm­ten Yarsa Gumba oder Yarsha Gumba, das sind von para­siti­schen Pilzen (Kern­keulen, Cordy­ceps) getötete Raupen, die in den ein­heimi­schen Medizin­systemen Chinas und Tibets als energie­lieferndes und aus­gleichendes Mittel hoch­geschätzt sind; ihre Ernte unter­liegt be­stimmten Be­schrän­kun­gen durch die Regierung, um den Be­stand dieser sünd­teuren Speziali­tät nicht zu gefährden.

Ritually decorated bamboo at Budasubba Mandir Hindu Temple, Vijaypur, near Dharan, Nepal

Schmuck am Bambushain rund um den Tempel

Animal sacrifice at Budasubba Mandir Hindu Temple, Vijaypur, near Dharan, Nepal

Reste eines Tieropfers am Budasubba Mandir

Wirklich sehens­wert ist an Dharan nicht viel; dafür gibt es aber im benach­barten Dorf Vijaypur einige recht berühmte Hindu-Tempel zu sehen. Der archi­tekto­nisch freund­lich ge­sagt unauf­fällige Buda­subba Mandir schwamm buch­stäb­lich im Blut, als ich gegen Mittag dort auf­tauchte; offen­bar war irgend­ein minderer Feier­tag ge­wesen, und die Leute hatten Hühner oder Ziegen ge­opfert. Die Bambus-Stauden, die ein Dickicht rund um den Tempel bilden, sind mit Crores bunter Fäden ge­schmückt. Wer ein paar Rupees springen läßt, der darf auch eine fünf­beinige und des­halb be­son­ders heilige Kuh nahe dem Tempel streicheln.

Five-legged mutant sacred cow, at Buda-Subba-Temple, Vijaypur, near Dharan, Nepal

Fünfbeinige Kuh

Danta-Kali-Temple (Tooth of Sati), Vijaypur, near Dharan, Nepal

Der Danta Kali Mandir

Weiter öst­lich steht der Danta-Kali Mandir. Wie man bereits seinem Namen ent­nehmen kann, geht es um einen Zahn der Göttin Kali, und das kam so: Shiva war in erster Ehe mit der schönen Sati ver­heiratet, aber die Ver­bindung stand unter einem schlech­ten Stern. Shivas Schwieger­eltern hielten ihn nämlich für einen unge­hobelten Berg­geist und ließen ihn das so deut­lich spüren, daß sich Sati aus Ver­zweiflung über die Be­schämun­gen, die ihr Mann durch ihren Vater zu ertragen hatte, schließ­lich selbst verbrannte. Shiva trug die Leiche der geliebten Frau durch die Lüfte, und dabei zerfiel sie: Über den ganzen Sub­kontinent regnete es Körper­teile, und hier in Vijaypur schlug ein Zahn auf. Am Ende wurde Sati wieder­geboren und konnte im zweiten Anlauf eine erfolg­reichere Ehe führen; den Hindus gilt Sati daher als mehr oder minder identisch zu Parvati, Kali, Bhavani, Durga etc.

Nepali Food: Barbecued Chicken and Pork (Justa, Sekuva)

In Dharan grillt man dagegen Hühnerflügel und Schweinebäuche

Nepali Food: Barbecuing Mutton (Justa, Sekuwa)

Mit Ventillator gegrilltes Lammfleisch in Kakarbhitta

Das Essen im Tarai ist zwar noch nie hit­verdächtig gewesen, aber so schlimm wie in meiner Erinne­rung war es nun auch wieder nicht. Zwar schmecken Chow Mein und Dhalbat immer noch ziemlich normiert, aber jetzt, im Winter, wird viel mehr Fleisch ge­gessen als bei meinem letzten Besuch, der ja in die Monsun­zeit fiel. Bereits in Kakar­bhitta wurde mein Zwangs­aufenthalt mit einem extrem ange­nehmen Spieß aus gegrilltem Lamm (Justā) versüßt — mageres, saftiges Fleisch ohne Flechsen, da­zwischen ein oder zwei Stücke reines Fett gegen das Aus­trocknen. Das ganze war mild gewürzt, so daß die Rauch- und Grill­aromen voll zur Gel­tung kamen. Ein bißchen erinnerte mich diese ebenso einfache wie effektive Zubereitung an georgisches Mtsvadi, und es hätte auch auf einer Berliner Grillparty nicht besonders exotisch gewirkt. In Dharan bekam ich etwas Ähnliches mit Schwein, und das war fast noch besser. Ein Spiel­verderber und Weichei, wer hier „Cholesterin“, „Benzpyren“, „Acryl­amid“ oder sonstwie „ungesund“ schreit.

Wenn der Himalaya (genauer: seine Vorgebirge) schon so nah ist, wäre es trotz der kalten Jahreszeit eine Sünde, nicht auch einen Ab­stecher in die Berg­städte nörd­lich von hier zu unter­nehmen. Bis vor zwei Jahren waren diese wegen des maoisti­schen Auf­standes ziem­lich un­zugäng­lich, aber nun dürfte auch dort wieder der Tourismus auf­blühen. Somit stehen mir für die nächste Woche wohl schöne Aus­sichten und winter­liche Frost­partien bevor.


Agartala Hile

Agartala, Āgartalā, Akabare Khorsani, Akabare Khorsānī, Bajār, Basar, Bhavani, Bhavānī, Bodo, Bodoland, Boṛo, Boṛolaṇḍ, Budasubba Mandir, Būḍāsubbā Mandir, Būḍhāsubbā Mandir, Buṭval, Butwal, Crores, Dālbhāt, Danta Kali Mandir, Danta Kālī Mandir, Dhalbat, Dharan, Dharān, Dharān Bajār, Dharan Bazar, Durga, Durgā, Guvāhāṭī, Guwahati, Himalaya, Himālaya, indischer Subkontinent, Jalpaiguri, Jalpāiguṛi, Justā, Kakarbhitta, Kali, Kālī, Kāṁkaṛbhiṭṭā, Karoḍs, kulinarische Reiseberichte, Lāṅḍiṅ, Langting, Laṅṭiṅ, Limbu, Limbū, Lumding, Manipuri, Maṇipurī, Mtsvadi, Mtsʼvadi, Nepal, Nepāl, nepalischen, nepālischen, Parvati, Pārvatī, Rai, Rāī, Reisebriefe, Rupayāṁ, Rupees, Sati, Sātī, Second Class Unreserved, Shiva, Shivas, Siliguri, Śiliguṛī, Śiva, Śivas, Tarai, Tarāī, Terai, Yarsa Gumba, Yārsā Gumbā, Yārśā Gumbā, Yarsha Gumba