
◀ Agartala | Siehe auch Nainital, Muktinath | Hile ▶ |
Dharan धरान (Nepal) |

Rekordverdächtig gute Zwischenmahlzeit am Bahnhof von Lumding

Ein letztes Essen in Guwahati (im Manipuri Hotel), und dann ab in die 2. Klasse ☹

Gesehen in der Bahnstation in Langting; hoffentlich versteht die Feuerwehr mehr von Brandbekämpfung als von Orthographie
auf meiner hastigen Flucht vor dem indischen Gesetz habe ich es gerade noch rechtzeitig geschafft, die rettende Grenze zu Nepal zu erreichen. Meine Eintrittspforte war, wie schon vor eineinhalb Jahren, der ganz im Osten gelegene Grenzübergang in Kakarbhitta. Aber die Reise war überdurchschnittlich anstrengend.
Von Agartala über Lumding nach Guwahati sammelten sich ein paar Stunden Verspätung an. Daher kam ich erst sechs Uhr abends müde aber nicht allzu beunruhigt an. Der Verkehrsknotenpunkt Siliguri ist ja nur neun Busstunden entfernt, vor dort zur Grenze dauert es nicht einmal eine, und ich hatte noch den ganzen nächsten Tag Zeit. Was sollte schon schiefgehen? Nun, der Teufel hatte sich eine besondere Bosheit einfallen lassen: Die Nachmittagsbusse waren schon weg, und richtige Nachtbusse nach Westen gab es nicht; daran, so sagte man mir, sei die unruhige Lage in Bodoland schuld. Die Bodo haben zwar meines Wissens nach ihren Untergrundkampf gegen die Zentralregierung aufgegeben, aber das hatte sich wohl noch nicht zu den Busbetreibern durchgesprochen. Die nächste Frage, ob ich ein Ticket für morgen nachmittag wolle, half mir nicht weiter.
So blieb mir nichts anderes übrig, als den letzten Strohhalm für eine pünktliche Beförderung zu ergreifen: Eine Nachtzugfahrt in der gefürchteten second class unreserved. Ich kaufte ein Ticket, wedelte damit (und ein paar Hundert-Ru-
Juhu, im Terai wird wieder einmal gestreikt!
Streikbedingt gönnen sich einige Leute aus Kakarbhitta eine Party mit Musik im nahen Teegarten
Es war aber nicht die Hölle, sondern nur das Fegefeuer; und es dauerte nur zehn Minuten. In dieser Zeit hatte sich wohl herumgesprochen, daß ein Ausländer verzweifelt in der niedrigsten Klasse saß, und das beleidigte den indischen Nationalstolz. Jemand in Bahnuniform gebot mir, mitzukommen, und führte mich zum letzten Wagen des Zugs. Dort gab es ein unfaßbar geräumiges Rollstuhl-Abteil, das mangels Rollstuhlfahrern so gut wie immer leer steht. Hier solle ich es mir bequem machen, meinte der Mann, lehnte jegliche Bezahlung ab und verschwand. Bald füllte sich das Abteil mit anderen Gästen (ich nehme an, die mußten dafür sehr wohl bezahlen), und es wurde doch noch eine angenehme Zugfahrt nach New Jalpaiguri, von wo die Weiterreise ein Kinderspiel ist.
Mittag des nächsten Tages hatte ich die Grenze hinter mir; der Typ in der indischen Immigration wirkte sturzbetrunken und trug sogar ein falsches Ausreisedatum in den Paß ein. Dem wäre es bestimmt nicht aufgefallen, wenn ich die Aufenthaltserlaubnis einen Tag überzogen hätte, dachte ich mir beim Hinausgehen säuerlich. Auf der nepalischen Seite entschied ich mich dafür, gleich in Kakarbhitta abzusteigen und mich auszuschlafen, ehe ich einen interessanteren Ort aufsuchte. Den nächsten Tag verschlief ich zur Hälfte, die beiden folgenden gab es wegen eines Streiks der Busfahrer kein Weiterkommen, aber dann schaffte ich es doch noch nach Dharan, das oft auch als Dharan Bazar bezeichnet wird.
Am Markt bekommt man auch die scharfen Chilies der Sorte Akabare Khorsani
Yarsa Gumba kann durch den bloßen Anblick heilen („Danke, ich bin schon wieder gesund!“)
Dharan liegt zwar im Flachen, ist aber trotzdem recht reizvoll
Es ist eine Erfahrungstatsache, daß alle Städte im Terai staubig, schmutzig und öde sind — aber Dharan ist anders. Es liegt ganz knapp am Gebirge, das nur einen Kilometer weiter nördlich jäh aus der Ebene aufsteigt, und bietet eine ausgeprägte Bergstadt-
Das Basar-Viertel in Dharan wird von verschiedenen Bergstämmen, vor allem Rai und Limbu, beherrscht, und entsprechend abwechslungsreich ist das Straßenbild voller Menschen mit den unterschiedlichsten Gesichtszügen. Frauen in bunten Trachten und mit wettergegerbtem Gesicht verkaufen hier landwirtschaftliche Produkte wie Zitrusfrüchte, Gemüse oder scharfe Chilies, manche auch getrocknete Heilpflanzen aus den Bergen. Zum ersten Mal sah ich dort die berühmten Yarsa Gumba oder Yarsha Gumba, das sind von parasitischen Pilzen (Kernkeulen, Cordyceps) getötete Raupen, die in den einheimischen Medizinsystemen Chinas und Tibets als energielieferndes und ausgleichendes Mittel hochgeschätzt sind; ihre Ernte unterliegt bestimmten Beschränkungen durch die Regierung, um den Bestand dieser sündteuren Spezialität nicht zu gefährden.
Schmuck am Bambushain rund um den Tempel
Reste eines Tieropfers am Budasubba Mandir
Wirklich sehenswert ist an Dharan nicht viel; dafür gibt es aber im benachbarten Dorf Vijaypur einige recht berühmte Hindu-
Fünfbeinige Kuh
Der Danta Kali Mandir
Weiter östlich steht der Danta-Kali Mandir. Wie man bereits seinem Namen entnehmen kann, geht es um einen Zahn der Göttin Kali, und das kam so: Shiva war in erster Ehe mit der schönen Sati verheiratet, aber die Verbindung stand unter einem schlechten Stern. Shivas Schwiegereltern hielten ihn nämlich für einen ungehobelten Berggeist und ließen ihn das so deutlich spüren, daß sich Sati aus Verzweiflung über die Beschämungen, die ihr Mann durch ihren Vater zu ertragen hatte, schließlich selbst verbrannte. Shiva trug die Leiche der geliebten Frau durch die Lüfte, und dabei zerfiel sie: Über den ganzen Subkontinent regnete es Körperteile, und hier in Vijaypur schlug ein Zahn auf. Am Ende wurde Sati wiedergeboren und konnte im zweiten Anlauf eine erfolgreichere Ehe führen; den Hindus gilt Sati daher als mehr oder minder identisch zu Parvati, Kali, Bhavani, Durga etc.
In Dharan grillt man dagegen Hühnerflügel und Schweinebäuche
Mit Ventillator gegrilltes Lammfleisch in Kakarbhitta
Das Essen im Tarai ist zwar noch nie hitverdächtig gewesen, aber so schlimm wie in meiner Erinnerung war es nun auch wieder nicht. Zwar schmecken Chow Mein und Dhalbat immer noch ziemlich normiert, aber jetzt, im Winter, wird viel mehr Fleisch gegessen als bei meinem letzten Besuch, der ja in die Monsunzeit fiel. Bereits in Kakarbhitta wurde mein Zwangsaufenthalt mit einem extrem angenehmen Spieß aus gegrilltem Lamm (Justā) versüßt — mageres, saftiges Fleisch ohne Flechsen, dazwischen ein oder zwei Stücke reines Fett gegen das Austrocknen. Das ganze war mild gewürzt, so daß die Rauch- und Grillaromen voll zur Geltung kamen. Ein bißchen erinnerte mich diese ebenso einfache wie effektive Zubereitung an georgisches Mtsvadi, und es hätte auch auf einer Berliner Grillparty nicht besonders exotisch gewirkt. In Dharan bekam ich etwas Ähnliches mit Schwein, und das war fast noch besser. Ein Spielverderber und Weichei, wer hier „Cholesterin“, „Benzpyren“, „Acrylamid“ oder sonstwie „ungesund“ schreit.
Wenn der Himalaya (genauer: seine Vorgebirge) schon so nah ist, wäre es trotz der kalten Jahreszeit eine Sünde, nicht auch einen Abstecher in die Bergstädte nördlich von hier zu unternehmen. Bis vor zwei Jahren waren diese wegen des maoistischen Aufstandes ziemlich unzugänglich, aber nun dürfte auch dort wieder der Tourismus aufblühen. Somit stehen mir für die nächste Woche wohl schöne Aussichten und winterliche Frostpartien bevor.
◀ Agartala
Hile ▶