Landkarte
Mysore 1 Siehe auch Kandy 4, Kandy 6 und Nalanda Somanathapura

Mysore 2 ಮೈಸೂರು (Karnataka)

Crowd waiting for Dasara (Dussehra) festival in Mysore, Karnataka, India

Wartende Menge viele Stunden vor dem Höhepunkt

Girls in police uniform at Dasara (Dussehra) festival in Mysore, Karnataka, India

Schulmädchen in Polizeiuniform verrichten eine Art Ordnungsdienst

Spectators climbing various structures to see Dasara (Dussehra) festival in Mysore, Karnataka, India

Bei Dasara wollen alle etwas sehen.

Liebe Birgit,

in meinem ersten Brief aus Maisuru habe ich ja bereits ange­deutet, daß sich hier etwas zu­sam­men­braut; und zwar ein veritabler Wirbel­sturm, der auf den Namen Dasara hört.

Dieses Hindu-Fest (oft Dus­sehra ge­schrie­ben) wird eigent­lich auch in anderen indi­schen Regio­nen be­gangen, und seine nepali­sche In­karna­tion Dashain habe ich letztes Jahr in Pokhara er­lebt. Aber hier, in Karna­taka und ganz beson­ders in Maisuru, ist es das mit Ab­stand größte Fest des Jahres und gilt auch als „Karna­taka State Festi­val“. Daß ich genau zum rich­tigen Zeit­punkt hier bin, ist natür­lich kein Zu­fall sondern schlau­este Be­rech­nung, denn ich wollte mir die­ses präch­tige Spektakel am Anfang der Süd­indien-Reise als beson­deren Lecker­bissen gönnen.

Obwohl das Fest in ganz Indien bekannt ist, so werden seine mytho­logischen Hinter­gründe lokal unter­schiedlich begründet. Hier in Mysore feiert man natürlich der Sieg Durgas über den Asura Mahisha. Anderswo mögen zwar andere Erschei­nungs­formen Parvatis im Vorder­grund stehen, aber im Kern handelt es sich einfach um ein Frucht­barkeits­fest, bei dem auch immer bestimmte Pflanzen eine Rolle spielen. In Mysore wurden Haus­eingänge und Fahr­zeuge mit Wasser­melonen, Bananen­blättern oder Mango­zweigen ge­schmückt, und an einer Motor­riksha fand ich sogar ein at­trak­tives und poten­tiell schmack­haftes Ge­hänge aus Limet­ten und Chilies baumeln. In meinem be­vor­zug­ten Inter­net-Café wurde die ganze Elek­tro­nik mit Gir­landen aus Studenten­blumen ge­schmückt, und das scheint sich be­zahlt zu machen: Die für Indien sonst typi­schen Netz­ausfälle habe ich hier noch nicht erlebt.

Maharaja Palace illuminated for Dasara (Dussehra) festival in Mysore, Karnataka, India

Der beleuchtete Palast

People taking photos in front of Maharaja Palace illuminated for Dasara (Dussehra) festival in Mysore, Karnataka, India

Inder beim Photographieren

Bereits zehn Tage vor dem krönen­den Finale beginnen die Vor­arbeiten: Der Park rund um den Palast des Maha­rajas wird all­abendlich geöffnet, und tausende Besucher schießen Bilder ihrer Familien­ange­hörigen und Freunde vor dem Hinter­grund eines mit 1 Lakh Glüh­birnen beleuch­teten Palastes (was unsere EU-Klima­hüter wohl dazu sagen würden?). Zu gewöhn­lichen Tagen wird der Palast nur mit Flutlicht illuminiert, aber jetzt wirkt er durch Aber­tausende von leuchtenden Punkten wie eine zu ungeheurer Größe gewachsene persische Miniaturen­malerei. Überall werden Tribünen aufgebaut, denn am letzten Tag wollen zehn­tausende Zuschauer die gewaltige Pro­zes­sion erleben, die hier ihren Ausgang nimmt und dann zu einem kleinen Tempel namens Banni Mandapa zieht.

Dasara (Dussehra) festival procession in Mysore, Karnataka, India

Dasara (Dussehra) festival procession in Mysore, Karnataka, India

Dasara (Dussehra) festival procession in Mysore, Karnataka, India

Dasara (Dussehra) festival procession in Mysore, Karnataka, India

Dasara (Dussehra) festival procession in Mysore, Karnataka, India

Dasara (Dussehra) festival procession in Mysore, Karnataka, India

Dasara (Dussehra) festival procession in Mysore, Karnataka, India

Dasara (Dussehra) festival procession in Mysore, Karnataka, India

Dasara (Dussehra) festival procession in Mysore, Karnataka, India

Dasara (Dussehra) festival procession in Mysore, Karnataka, India

Dasara (Dussehra) festival procession in Mysore, Karnataka, India

Dasara (Dussehra) festival procession in Mysore, Karnataka, India

Dasara (Dussehra) festival procession in Mysore, Karnataka, India

Dasara (Dussehra) festival procession in Mysore, Karnataka, India

Dasara (Dussehra) festival procession in Mysore, Karnataka, India

Dasara (Dussehra) festival procession in Mysore, Karnataka, India

Dasara (Dussehra) festival procession in Mysore, Karnataka, India

Dasara (Dussehra) festival procession in Mysore, Karnataka, India

Dasara (Dussehra) festival procession in Mysore, Karnataka, India

Dasara (Dussehra) festival procession in Mysore, Karnataka, India

Und dann kommt endlich der Große Tag™. Da ich es nicht geschafft habe, mir ein Ticket für einen Tribünen­platz zu sichern, mache ich mich auf Empfeh­lung eines Ein­heimi­schen um 11 Uhr zu einem Platz gleich vor dem Palast­tor auf, von wo ich – so steht zu ver­muten — einen guten Blick auf das vorbei­ziehende Spektakel haben werde. Natürlich ist man bei so etwas nie allein: Tausende Inder haben sich mit der für die Nation typi­schen Geduld be­reits am Straßen­rand, auf den um­geben­den Mauern, auf Bäumen und Dächern von abge­stellten Bussen nieder­gelassen und harren der Ereig­nisse. Beim Früh­stück habe ich zwei japani­sche Tra­vel­ler getroffen, die sich mir an­schließen, aber um halb zwei wird es ihnen zu lang und zu eng: Sie bitten die massiv im Einsatz stehende Polizei um Hilfe, wie sie in ihr Hotel kommen können, steigen über die Pali­saden und werden irgendwie zu einem Ausgang eskortiert.

Eine Viertel­stunde spä­ter be­ginnt die Pro­zes­sion mit zwei Fahnen­trägern, die die Flagge des ehe­maligen Fürsten­staates um den Kreis­verkehr tragen, und noch­mals eine halbe Stunde später pro­zedieren vier bunt ge­schmück­te Ele­fanten den­selben Weg. In Indien muß man eben Geduld haben.

Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits aus meiner unbe­quemen Position inmitten eines drängelnden Menschen­haufens am Straßen­rand erlöst: Die Polizei hatte mich einfach aufge­fordert, über den Zaun zu steigen und mich an der Innen­seite der Ab­sper­rung hinzu­setzen. Später wurde es an dieser Stelle recht ungeheuer, da die Menge in Raserei verfiel und aggressiv gegen den Zaun drückte — die Polizei mußte die Ab­sper­rungen verstärken, und ich wurde erneut fort­geschickt. So nahm ich inner­lich grin­send auf einer Tri­büne Platz und erfuhr daß (a) ein Tribünen­platz 500 Ru gekostet hätte und daß (b) viele Ticket­inhaber wegen des Ge­dränges nicht zu ihren Plätzen gekom­men seien, wes­wegen ich mich einfach auf einen freien Stuhl in der ersten Reihe setzen und das Spektakel entspannt genießen konnte.

End of Dasara (Dussehra) festival procession in Mysore, Karnataka, India

… aber selbst zeremonielle Elefanten haben Stoffwechsel.

Elephant carrying golden howrah with Durga idol at Dasara (Dussehra) festival procession in Mysore, Karnataka, India

Der Elefant ist reich geschmückt …

Nun aber geht es Schlag auf Schlag. Ähnlich wie bei einem Faschings­umzug ziehen insgesamt 30 Wagen vorbei, von denen jeder eine Sehens­würdigkeit oder ein Heiligtum in Karnataka darstellt. Zwischen den Wagen laufen bunt gekleidete Tänzer und Musikan­ten, die aus ver­schie­de­nen Teilen Indiens kommen und die kul­turel­le Viel­falt repräsen­tieren. Viele sind bollywood­reif ge­schminkt und stellen Götter oder Dämonen dar, andere wirbeln riesige Banner umher oder gehen auf meter­hohen Stelzen. Ein riesiges Batallion von Schul­mädchen stürzt sich mit krummen Schwertern ins Gefecht, während muskulöse Trommler einen Riesen­wirbel veranstalten oder grünlich–gelb ge­schmink­te Dä­mo­nen an der Kette ihrer gött­lichen Über­winder vorbei­gezogen werden. Ein euro­päischer Artist jongliert Kegel, während er auf dem Ein­rad wiesel­flink und unfall­frei durch das ganze Chaos kurvt.

Ein wei­te­rer Ele­fant mit golde­nem Stirn­schmuck zieht einen Wagen voller Musikan­ten vobei und leitet somit den Höhe­punkt ein; ihm folgt eine Ehren­wache hoch zu Roß (darunter auch der Bürger­meister). Plötzlich ist der ganze Platz mit einer Hundert­schaft recht euro­päisch anmutender Blas­musikanten geflutet, und dahinter kommen endlich jene drei Dick­häuter, die den Höhe­punkt der Veran­staltung mar­kieren.

Der mittle­re dieser Ele­fanten ist ein echter Riese: Das Tier ist schon über 60 Jahre alt und trägt jedes Jahr die um die 700 kg Kilo schwere, dick ver­golde­te Kanzel (Howdah), in der ein Kult­bild Durgas unter­gebracht ist; er hat sogar einen eigenen Wiki­pedia-Eintrag. Bis in die Sieb­ziger ritt noch der Maha­raja selbst auf seinem Ele­fanten, aber in diesen re­publika­nischen Zeiten hält man es offenbar für an­gemes­sener, einer Göttin diesen Platz zuzu­weisen. Die Menge rast nun, jeder will hin und und die Ab­sper­run­gen helfen gar nichts mehr: Alles ist voll von Leuten, die auf den Platz stür­men und wie ver­rückt photo­graphie­ren, un­geach­tet der Bambus-Schlag­stöcke, mit denen die Polizei wieder Ruhe schaffen will. Was für eine Szene!

Indian food: Bisi Bele Bath (Fluid Rice with legumes, Karnataka)

Bisi Bele Bath, serviert mit Bundi und Kokosnußsauce

Indian food: Pulivagare Rice Bath (Huliyanna), hot and sour rice, Karnataka

Pulivagare Rice Bath, sauer–scharfer Tamarindenreis

Indian food: Bisi Bele Bath (Risoto Rice with legumes, Karnataka

Bisi Bele Bath mit gekochter Erdnuß

Auch kuli­narisch kann ich heute von etwas Beson­de­rem berich­ten: Die Karnataka-Küche kennt ganz näm­lich spezielle Reis­speisen, die zwar von den Biri­yanis gänz­lich ver­schie­den sind, sich aber hinter ihren bekann­teren Cousins aus dem Norden nicht verstecken müssen. Dazu gehört vor allem Bisi Bele Bath, ein etwas an italieni­sches Risotto er­in­nerndes, halb­flüssiges Reis­gericht, das aus Reis und Hülsen­früchten be­steht und mit einer faszi­nierend aromati­schen Gewürz­mischung abge­schmeckt wird. Die flüs­sige Kon­sistenz kommt davon, daß Hülsen­früchte ge­mei­nsam mit dem Reis ge­kocht werden; das brei­artige Gericht wird oft durch Be­streuen mit Bundi aufgewertet, das sind back­erbsen­artige kleine Knusper­stücke aus Besan-Teig.

Es gibt auch trocke­ne Reis­gerichte mit klein­gehack­tem Ge­müse aber ohne Hülsen­früchte-Kom­po­nente; so etwas wird meist in Anglo–Kannada als “Rice Bath” bezeichnet, was an­geb­lich soviel wie „ge­misch­ter Reis“ heißt. Diese Spei­sen kom­men in ver­schie­de­nen Vari­an­ten, die sich in ihrer Wür­zung unter­schei­den; be­son­ders gut schmeckt mir Puli­vagare Rice Bath (oder Huli Anna), der mit Tamar­inde ge­säuert wird. Außer dem Gemüse können sich in diesem Reis noch ganze Zimt­stangen, Nelken, Curry­blätter, Kokos­raspeln, Erd­nüsse oder Frag­mente von dunkel­braun ge­röste­ten Chilies verstecken.

Indian Food: Dry Beef fry, Karnataka

Beef Fry

Indian Food: Beef mince kabab, Karnataka

Kebab aus gehacktem Rind

Unter den Hindus ist hier Vege­tarismus die Norm. Wer zur Ab­wechs­lung wie­der ein­mal etwas Fleisch haben möchte, der wird im mu­slimi­schen Viertel, vor allem der Markt­straße Meena Bazar fün­dig: Dort wer­den sogar Kühe eß­fertig an­ge­bo­ten. Das Beef Fry be­stand aus Tandoori-artig ge­beizten kleinen Fleisch­würfeln, die ziem­lich dunkel­braun frit­tiert und mit knusprig ge­brate­nen Curry­blättern, Chili und Limetten­spalten ser­viert wurden; und sie schmeck­ten ganz aus­gezeich­net. Auch die Hack­fleisch­spieße (Kebab) waren sehr pikant und geradezu betö­rend zart — keine Ahnung, wie die Moslems ihre Rind­viecher mästen, aber das Resul­tat kann sich sehen lassen.

Hier gibt es noch viel mehr zu sehen, und deshalb kommt auch mein nächster Brief aus der Nähe: Aus dem nahe­gelegenen Dorf Somnath­pur, wo ein besonders heraus­ragender Tempel steht.

P.S.: Ein ähnliches aber noch bombastischeres Fest habe ich später in Kandy im Bergland von Sri Lanka erlebt, und eine nordindische Version des Dasara-Festes in Rajgir. Ein zweites Mal in Kandy gibt es dann auch mehr Photos bei Tageslicht.


Mysore 1 Somanathapura

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