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Somanathapura ಸೋಮನಾಥಪುರ (Karnataka) |
Der Sri Keshava Devalaya in Somanathapura begrüßt Besucher mit wunderbaren Götterbildern
Der Sri Keshava Devalaya, Anblick von Westen
Der Eingang des Tempels öffnet sich ostwärts
Durga und Mahisha
heute habe ich das etwa eine Busstunde von Mysore entfernte Somanathapura besucht. Dieses winzige Dorf, häufig verkürzt als Somnathpur bezeichnet, glänzt mit einem historischen Tempel, der selbst in Indien seinesgleichen sucht.
Der Sri Keshava Devalaya wurde 1268 errichtet. Damals stand Karnataka unter der Herrschaft der Hoysala-
Der Tempel ist in einem Mischstil aus nord- und südindischen Elementen errichtet, wie er für die Hoysala-Tempel charakteristisch war. Er ist auf allen vier Seiten von einer allerdings nur teilweise erhaltenen Säulengalerie umringt, die den Zugang nur von der Ostseite erlaubt. Von der Galerie steigt man in den etwa quadratischen Hof hinab, in dem der Tempel auf einer unregelmäßig–sternförmigen Plattform thront. Er besteht aus einer kleinen Halle (Mandapa), an die drei Heiligtümer (in Süd-, West- und Nordrichtung) angebaut sind; über jedem Heiligtum erhebt sich ein Turm, der durch seine Größe fast wie ein nordindischer Shikhara wirkt. Die Außenseite der Türme bietet viele Vorsprünge und Nischen, die mit Statuen von herausragender Qualität besetzt sind. Auch dieser Figurenreichtum verleiht dem Tempel ein recht nordindisches Flair, allerdings ist der Bauplan trotz der geringen Größe eher in die Breite als in die Höhe orientiert.
Kultbild von Krishna Venugopal im Südturm
Halle (Mandapa) im Keshava-Tempel
Fischkopf: Matsya der Fisch ist der erste Avatar Vishnus
Auch die Tempelhalle ist reich geschmückt. Sie wird von glänzenden, runde Säulen getragen und besticht besonders durch die Deckenkonstruktion, die durch die Säulen in quadratische Elemente geteilt ist. Die massiven Lotusknospen innerhalb der Quadrate erinnern lebhaft an die Jain-Tempel in Rajasthan und Gujarat, allerdings fehlt das in diesen Tempeln charakterbestimmende Spiel mit Lichteinfall und Beleuchtung (vgl. etwa Ranakpur). Stattdessen bekommt die Halle nur durch den schmalen Eingang etwas Tageslicht. Die drei Heiligtümer enthalten Statuen von Krishna in verschiedenen Formen.
Fast alle der etwa zweihundert Statuen auf der Außenseite sind gut erhalten; die meisten stellen Vishnu in einer seiner vielen Formen dar, oder seine Frau Lakshmi. Die zwei- bis sechsarmigen Gottheiten sind oft in schwungvoller Bewegung abgebildet, und die besten dieser Statuen können sich durchaus mit der legendären Leichtfüßigkeit und Beweglichkeit der Skulpturen in Khajuraho messen.
Der Tempel von Somnathpur ist für eine merkwürdige Besonderheit bekannt: Viele der Figuren auf der Außenseite halten etwas in der Hand, was man als Maiskolben interpretieren könnte; allerdings wurde der Tempel mehr als zweihundert Jahre vor Columbus gebaut, und es ist schwer vorstellbar, daß die Künstler echten Mais kannten. Diese „Maiskolben“ sind auch von einigen anderen Hoysala-Tempeln bekannt, aber nicht aus anderen Regionen oder Epochen; außerdem spielt Mais im Hindu-Kult eigentlich keine Rolle.
Lakshmi mit einigen Attributen Vishnus wie Diskus (Chakra, ganz links) und Horn (Shankha, ganz rechts), dazu ein „Maiskolben“
Hier tritt uns der Erhalter selbst mit einem „Maiskolben“ entgegen
Ein relativ kleiner „Maiskolben“
Die „Maiskolben“ sind sehr häufig und treten bei schätzungsweise einem Viertel der Statuen auf, zumeist bei den Frauenfiguren in den tiefen Nischen. Es sind etwas bauchige, spitz zulaufende Objekte mit longitudinalen Reihen von viereckigen Körnern in regelmäßigen Abständen. Sie werden immer aufrecht gehalten und stehen mit ihrer Grundfläche auf der Hand der Figur. Keine Figur trägt mehr als einen „Maiskolben“, und es scheint eine schwache Präferenz für die linke Hand zu geben. Wenn zwei Figuren in aneinanderstoßenden Nischen „Maiskolben“ tragen, dann allerdings immer in spiegelbildlicher Form, also eine recht und eine links. Größe und Anzahl der Körner schwanken, aber unter Berücksichtigung des Abbildungsmaßstabes kommt man zum Schluß, daß diese „Maiskolben“ etwa
Viele Frauenstatuen bilden symmetrisch angeordnete Paare
Warum ist der „Maiskolben“ links glatt?
Der Grund, weshalb diese Objekte gerne als „Mais“ identifiziert werden, liegt in der Reihenanordnung der „Körner“, die tatsächlich Mais suggeriert; die meisten pflanzlichen Strukturen mit Kolbenform haben primär hexagonale (Ananas) oder ganz unregelmäßige (Bittermelone) Anordnung von Samen, Schuppen oder Blüten darauf. Allerdings gibt es auch einige Merkmale, die mit Mais schwer verträglich sind: Die Größe der Kolben ist einigermaßen einheitlich, aber die Größe der Körner und folglich ihre Anzahl auf der Kolbenoberfläche schwankt erheblich. Die bauchige Form paßt zu keiner mir bekannten Maissorte. Der Tempel zeigt sonst keine eindeutige Pflanzendarstellung. Und zuletzt habe ich auch beobachtet, daß einige Figuren Objekte halten, die zwar dieselbe Form wie die Maiskolben haben, denen aber die „Körner“ fehlen. Daher vermute ich, daß die „Körner“ an den „Kolben“ optional sind. An den Gewändern findet man häufig Perlendekorationen, auch oft in geraden Reihen wie auf den „Maiskolben“. Vielleicht sind es ja kleine, mit Perlen bestickte Handtaschen?
Masala Vada
Dieser Schluß ist natürlich nicht revolutionär neu; tatsächlich hat nur eine Minderheit der Archäologen jemals an die These „präkolumbischer Mais in Indien“ geglaubt. Weitere Hinweise kommen aus erhaltenen Listen über die im Tempel verbrauchten Güter; darunter scheint nichts zu sein, was man als Mais interpretieren könnte. Außerdem gibt es in der Kannada-Sprache keinen traditionellen Namen für Mais. Und letztlich führt Mais in der hiesigen Küche das gleiche Schattendasein wie auch sonst in Indien (außer in den nördlichen und nordöstlichen Bergen).
Die Verpflegungssituation in Somnathpur ist ziemlich beschränkt: Eine Teeladen gleich vor dem Tempeleingang, und ein Privathaus, das vormittags Idli verkauft. Letztere erwiesen sich als vom Rava-Typ, also mit Weizengrieß, und dazu bekam ich noch ungefragt ein paar frittierte Laibchen aus Hülsenfrüchten und Zwiebel, die als Masala Vada bezeichnet werden. Einen guten Eindruck hinterließ das Kokosnuß-
Stand eines Maiskolbenverkäufers
Maiskolben am Holzkohlenfeuer
Es bietet sich an, diesen Brief mit der Verwendung von Mais in der indischen Küche zu beschließen — aber das ist leichter gesagt als getan, denn Mais ist in Indien ganz und gar nicht gebräuchlich. Zur Erntesaison wird er gerne auf der Straße gegrillt und als Snack zum Knabbern angeboten; noch während Dasara waren die Maiskolbengriller noch überall in Mysore anzutreffen, aber inzwischen sind sie alle verschwunden. Die Zubereitung ist denkbar einfach: Der Kolben wird über Holzkohle gegrillt und danach mit einer Limettenspalte abgerieben, die zuvor in ein Gewürzpulver aus Salz, Chili und Koriander getunkt wurde. In ganz ähnlicher Form habe ich auch als Kind Mais gegessen, frisch geklaut aus dem Feld hinter dem Haus, allerdings mit Butter statt Limette. An anderen Orten in Indien habe ich auch analog gekochten Mais angeboten bekommen.
Aber Indien ist kulinarisch vielgestaltig — und in der sogenannten Indisch–
Manchuri, Phase Eins: Die Teig–Gemüse-Bällchen werden frittiert
Manchuri, Phase Zwei: Die Bällchen landen mit Zwiebel, weiterem Gemüse und verschiedenen Saucen im Wok
Manchmal gibt es Mais auch gekocht
Ich glaube nicht, daß ein Manchu-
Diese Teigkugeln werden knusprig frittiert und dann, für jeden Kunden frisch, in einem Wok zusammen mit Zwiebeln, weiterem Gemüse, einer süßen Tomatensauce und etwas sauer–scharfer Paste aus grünen Chilies angebraten. Dabei löst sich ein Teil der Stärke aus dem Teig und verbindet sich mit dem Tomatenketchup zu einer klebrigen Paste, die an den Teigkugeln haftet. Trotz der angeblich „chinesischen“ Herkunft von “Vegetable Manchurian” wird nur wenig Sojasauce eingesetzt (es ist allerdings recht salzig). Folglich ist der Charakter vor allem fruchtig–süß, und genau das erwartet der urbane Inder, wenn er „Chinesisch“ bestellt.
P.S.: Das Thema der „Maiskolben“ wiederholte sich einige Wochen später in den etwas älteren Jain-Tempeln von Sravanabelagola mit einer interessanten Variation.
Auf der Außenseite der Halle des Somanathapura-Tempels finden sich bodennah Friese mit teilweise erotischen Darstellungen
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