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Puducherry புதுச்சேரி (Tamil Nadu) |

An der Strandpromenade von Puducherry

Selbst im Schatten der Bäume ist es zu heiß

Zuckerwatteverkäufer
ich habe gerade den eigentlich immer als charmant beschriebenen Ort Puducherry hinter mich gebracht, der jedoch einen äußerst lauwarmen Eindruck hinterlassen hat — natürlich nicht im wörtlichen Sinn, die Redensart “hotter than the Bollywood stars” trifft auch hier vollständig zu.
Puducherry ist eine französische Ansiedlung und war bis 2006 unter dem kolonialen Namen Pondicherry bekannt; es stand auch bis ca. 1960 unter französischer Kolonialverwaltung, mit einigen Phasen britischer Okkupation dazwischen. Das ehemalige Französisch-
Die planmäßig angelegte Stadt mit ihrem Netz von alleegesäumten, rechtwinkelig zueinander verlaufenden und dreisprachig – Tamil, Englisch und Französisch – benannten Straßen hat auch heute noch ein etwas mediterranes Ambiente. Die Uferpromenade bietet zwar keinen Sandstrand, aber immerhin eine hervorragende Infrastruktur von fahrenden Snack-, Saft-, Eis- und Fruchtverkäufern, die beim Publikum den indischen Inlandstouristen regen Anklang finden. Zwei Kanäle durchziehen die Stadt; sie führen jetzt kaum Wasser, verströmen dafür aber einen desto intensiveren Geruch. Ehrlich gesagt freue ich mich schon auf den Monsun, der bald diesen ganzen Gestank wegspülen wird.
Die katholische Église de Notre Dame de la Conception Immaculée
In der Sacré-Cœur-Kirche
Marienschrein im indischen Stil
Hinduistischer Tempel Iswaran Koyil
Anzusehen gibt es nicht viel, eigentlich nur ein paar Kirchen, von denen die Kathedrale Église de Notre Dame de la Conception Immaculée die beeindruckendste ist. Hier treffen indischer Farb- und Formenreichtum auf katholische Ikonographie, und das Ergebnis liegt zwischen charmant und befremdlich. Es ist auch ein echter Segen, zur Abwechslung einmal nicht die Schuhe ausziehen zu müssen, wenn man eine Sehenswürdigkeit besucht — die christlichen Inder beten aber trotzdem lieber barfuß, diese Art von Masochismus liegt ihnen wohl im Blut.
Ich war überrascht, eine Rue Surcrouf zu finden, die an den französischen Kaperkapitän Robert Surcrouf erinnert, der im frühen 19. Jahrhundert eine der wenigen marinen Erfolgsgeschichten Frankreichs schrieb. In meiner Jugend hatte ich eine Kurzgeschichte von Karl May über diesen wagemutigen Kaperer gelesen, der in den asiatischen Tropen zahlreiche englische Handelsschiffe aufbrachte und ihre Ladung für Frankreich beschlagnahmte; eine Episode dieser Erzählung spielt auch in Puducherry. Ob Surcrouf aber wirklich hier im Hafen ein englisches Schiff kaperte und – ganz Franzose – danach lediglich erzwang, daß seine Matrosen an einem Tanzabend mit englischen Damen teilnehmen konnten, war leider nirgendwo zu verifizieren.
Die größere Berühmtheit des Ortes war jedoch Sri Arabind (besser bekannt in der phantasievollen Schreibung Aurobindo), ein bengalischer Guru, der hier einen Ashram gründete; nach seinem Tod führte seine engste Vertraute, die Französin Mirra Richard, sein Werk fort. Das Resultat war eine „experimentelle“ Stadt namens Auroville, in der spirituell Interessierte aus allen Nationen gemeinsam an der Vervollkommnung des Menschen arbeiten sollten. Das Projekt erregte in den Siebzigern weltweites Aufsehen und wurde auch von der UNESCO gefördert, hinkt aber seinen hochgesteckten Zielen immer weiter hinterher, seitdem die Gemeinschaft der „zukünftig besseren Menschen“ in gegeneinander intrigierende Fraktionen aufgespalten ist. Touristen sind in Auroville nicht besonders willkommen, und daher habe ich von einer Besichtigung Abstand genommen.
Das sieht mir französisch aus
Erstaunliche Titel in einem Buchladen
Und das ist auch schon so ziemlich alles, was man in Puducherry machen kann: Die auf mediterrane Art mit Bäumen bepflanzten Straßen entlangschlendern, sich an kleinen französischen Hinterlassenschaften erfreuen und warten, bis sich die Hitze etwas legt. Zwischendurch kann man ein paar Mangos essen, die Produkte der indischen Speiseeisindustrie verkosten (sie werben mit dem Prädikat „italienisch“, und es ist auch weich und cremig, was aber eher der schlechten Kühlung als einer besonders raffinierten Rezeptur geschuldet sein dürfte) und die reichlich vorhandenen Buchläden nach englischen Titeln durchforsten. Die haben mich wiederum sehr an Deutschland erinnert, denn auch hier boomen dünne Hochglanzheftchen mit Kochthemen und erstaunlichen Titeln wie 60 Minute Gourmet, Cooking light und Stir-fry: Quick and simple recipes, ganz zu schweigen von Eat and stay slim. Indien ist eben am Weg zu einer Mittelklassegesellschaft mit Wohlstandsbauch, und die ersten sind offenbar bereits im Ziel.
Uriges Restaurant
Rava Kesari
Halbantike Espressomaschine
Zu essen gibt es nicht viel, die Franzosen haben sich hier eigentlich nur beim Wein verewigt, dem in etwas urigen Restaurants mit Gewölbeatmosphäre gerne zugesprochen wird. Der Rest der Ernährung ist ziemlich dasselbe wie in anderen Orten in Tamil Nadu, aber wegen der im Stil von Raumschiff Enterprise eingerichteten Restaurants mit voll aufgedrehter Klimaanlage teurer als anderswo. Den Vogel schoß jedoch die Espresso-
Da halte ich mich lieber an echt tamilisches Essen. Von den Curries, den gerösteten Chilies und dem würzigen Rasam habe ich ja schon anderswo genug geschrieben, deshalb soll heute ein süßes Desert vorgestellt werden: Rava Kesari. Das ist eine feste, etwas elastische Masse mit körniger Struktur; im wesentlichen besteht Rava Kesari nur aus Weizengrieß, Zucker und Nüssen und wird mit Cardamom und Safran gewürzt. Dazu bräunt man den Grieß wird in Butterschmalz, gießt danach mit Wasser, Zucker und Gewürzen auf und köchelt, bis alles zu einer dicken, festen Masse erstarrt. Milch ist komischerweise offenbar nicht beteilgt, und darin unterscheidet sich Rava vom nordindischen Kheer, der außerdem eine flüssigere Konsistenz aufweist.
Nächste Woche eile ich dann in die kulturelle Hauptstadt Madurai. Dort hoffe ich, wieder mehr genuin Tamilisches zu finden.
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