Landkarte
Patan Siehe auch Mysore, Konark, Almora 2 Dvarka

Modhera મોધેરા (Gujarat)

Outside stne carvin of Modhera Sun Temple, Gujarat (India)

Säulen am Sonnentempel von Modhera

Erotic stone carving, Modhera Sun Temple, Gujarat (India)

Unterhaltsames am Sonnentempel

Surya statue at Modhera Sun Temple, Gujarat (India)

Der Sonnengott Surya lenkt seinen Wagen.

Liebe Birgit,

nur 25 km von Patan ent­fernt steht ein be­mer­kens­werter Tempel: Der Sonnen­tempel von Modhera. Dieses spekta­kuläre Gebäude und alles, was damit zu­sammen­hängt, war mir einen Tages­ausflug wert und gibt auch genug Stoff für einen ganzen Brief.

Dem Sonnen­gott Surya ge­wid­me­te Tem­pel sind sehr sel­ten. Der größ­te und beein­druckendste steht in Konark in Orissa, und in Kashmir und Uttara­khand stehe noch wei­tere, aber der von Mo­dhera ist jeden­falls der ein­zige im Westen Indiens. Mit etwa 1000 Jahren ist er etwas älter als der von Konark, hat aber eben­so wie sein großer Bruder an der Ost­küste nur als Ruine über­lebt. Aller­dings ist er ziemlich heraus­geputzt, und nur der feh­lende Tempel­turm er­innert noch daran, daß hier vor 100 Jahren nur Trümmer lagen.

Shrines surrounding the Surya Kund tank at Modhera Sun Temple, Gujarat (India)

Der Abstieg zum Surya Kund führt an zahlreichen kleinen Schreinen vorbei

Surya Kund tank at Modhera Sun Temple, Gujarat (India)

Der Surya Kund

Inside pillars in Mandapa dancing hall at Modhera Sun Temple, Gujarat (India)

Säulen in der Tanzhalle

Betritt man das Tempel­areal, so kommt man zuerst einmal an einem Kund vorbei: Das ist eine Art künst­lich ange­legter, recht­eckiger Teich, der manch­mal auch als ein Typ Stufen­brunnen inter­pretiert wird, weil von allen vier Seiten Stufen nach unten führen, was ein biß­chen an ein Stadion er­innert. Die­ser Surya Kund ist überall mit kleinen Schrei­nen ge­schmückt, in denen teil­weise noch Kult­statuen erhalten sind.

Am West­rand des Surya Kund schließt die Vor­halle des Tem­pels (Man­dapa) an. Wie der ei­gent­liche Tem­pel ist sie außen und in­nen mit Skulp­turen und Re­liefen verziert, die haupt­säch­lich mytho­logi­sche oder eroti­sche Szenen zeigen. Auch der Haupt­tempel zeigt auf einem rings­um lau­fen­den Fries Dar­­stel­lungen aus dem täg­lichen Leben, darunter viele erotische; das Auge wird aber vor allem von den großen Götter­statuen auf den Außen­wänden in den Bann ge­zogen, darun­ter meh­rere von Surya selbst, wie er den mit sieben Pferden be­spann­ten Sonnen­wagen lenkt. Das säulen­verzierte Innere be­sticht mit vielen wei­teren Reliefs und be­herbergt im Zentrum den Raum für das aller­dings nicht er­hal­tene Kult­bild, das (mit der rechten Hand innen) um­wandelt werden kann. Ein tiefer schacht­artiger Raum darunter war an­geb­lich einmal mit Gold gefüllt, so er­zäh­lte mir der Führer, aber das hätten die Mo­slems bei irgend­einer Gelegen­heit mitgenommen.

Surya Kund and Mandapa at Modhera Sun Temple, Gujarat (India)

Festliche Beleuchtung von Kund und Mandapa

Mandapa dancing hall at Modhera Sun Temple, Gujarat (India)

Die Tanzhalle (Mandapa)

Es ist kein Zufall, daß ich den Surya Mandir aus­gerech­net heute besuche: Heute ist nämlich der dritte und letzte Tag des Modhera dancing festival”, und bizarrer­weise war deshalb der Ein­tritt zum Tempel gratis (das frei­werden­de Geld hatte ich dann in einen Führer in­ves­tiert). Gegen Abend wurde das ganze Gelände psychede­lisch be­leuchtet und gab dann die Kulisse zu einem Ballett ab, bei dem junge Frauen in bunten Kostümen zum Klang tra­ditionel­ler Live-Musik mytho­logi­sche Stoffe vor­tanzten. Jede Epi­sode wurde zuvor in Hindi (oder war es Gujarati?) an­gekün­digt und vor­gestellt, und davon hatte ich natür­lich nichts; trotz­dem ließ sich einiges erkennen und zuordnen.

Ich hatte mich bereits tags­über gefragt, ob die Aber­hunderte von Stühlen am Abend wohl auch ge­braucht würden, und meine Skepsis stieg, weil um sieben Uhr noch alles leer stand, während semi­profes­sio­nel­le Hör­proben aus der aus­ge­zeich­neten Sound-Anlage schall­ten und die nicht we­niger funk­tionale Licht­technik kali­briert wurde. Sollte das ganze wirk­lich in einer leeren Arena statt­finden? Das dann doch nicht. Offen­bar war ich eben der ein­zige ge­wesen, der die An­kündi­gung „sieben Uhr“ ernst­genom­men hatte; aber um 7:30 began sich schlag­artig alles zu füllen, und noch eine Viertel­stunde später fing das Pro­gramm endlich an. Zu diesem Zeit­punkt hatte ich längst einen Sitz mit bester Sicht in Besitz ge­nom­men, denn die drei oder vier Grup­pen von Aus­ländern wurden selbst­verständ­lich ohne viel Auf­hebens in den VIP-Bereich geführt.

Durga slays the demon (asura) Mahisha, at Modhera Dancing Festival, Gujarat (India)

… und gleich geht es dem Mahisha an den Kragen! Vgl. dieselbe Szene als Plastik und als Gemälde (Links öffnen ein neues Fenster, wenn es der Browser erlaubt).

Poori (Puri) with potato curry

Puri (frittiertes „Ballonbrot“) mit Kartoffelcurry

Goddess Durga in her chariot, at Modhera Dancing Festival, Gujarat (India)

Die Göttin Durga fährt in ihrem Streitwagen vor …

Die Auf­füh­rung zeig­te dann alle Stär­ken, für die indi­scher Tanz be­rühmt ist: Musik, Far­ben For­men und Be­we­gung, wobei mein pri­vi­legier­ter Sitz mir deut­lich zeigte, daß die Choreo­graphie selbst die klein­ste Finger­bewe­gung penibel vor­gab. Das En­semble be­stand aus ge­schätzt etwa 15 Tän­zerin­nen, von denen je­doch meist nur eine Hand­voll zu­gleich auf der Bühne zu sehen war.

Die vor­letzte Szene zeigte zufällig genau jene Epi­sode, von der ich Dir in mei­nem letzten Brief aus Patan erzählt hatte und die auch in meinem Brief aus Tansen erwähnt wird: Den Kampf zwischen Durga und Mahisha, einem starken Asura, der nur besiegt werden konnte, weil sich Durga für den Kampf Waffen von allen Göttern ausborgte. Wenn Du die bildliche Darstellung mit dem Tanz vergleichst, so fällt die strenge ikono­graphische Über­einstimmung auf: Der Löwe steht links, der Asura rechts (und blickt nach links), der Trishul zeigt im gleichen Winkel herab, und auch wenn das Ballett auf die vielen Arme der Göttin und auch auf den Wasser­büffel verzichten muß, so sorgt die Über­einstimmung in den Details dafür, daß der Zuseher die Szene sofort erkennt.

Durch den ver­späteten Beginn stellte sich die Frage, wie ich denn wieder nach Patan zurück­kommen würde — um zehn Uhr abends ver­kehren garan­tiert keine Linien­busse mehr. Ich hatte aller­dings be­reits im Vor­feld in Er­fah­rung ge­bracht, daß ein Sonder­bus nach Patan nach dem Ende der Ver­anstal­tung ab­fahren würde, und nun hatte ich nur noch sicher­zustellen, daß der Bus­fahrer von der Ver­zöge­rung auch wußte (man weiß ja nie, und Vor­sicht ist besser als Nach­sicht). Alles klar, ver­sicherte man mit, um zehn Uhr geht es los. Folg­lich war ich fünf vor zehn vor Ort, und fünf nach zehn setzte sich das Gefährt wirklich in Be­we­gung, mit satten drei Passa­gieren, denn die Massen begannen gerade erst, beim Tor heraus­zuströmen – der Fahrer hatte es wohl eilig und wollte recht­zeitig zum Abend­essen daheim sein, allen betriebs­wirtschaft­lichen Über­legungen zum Trotz.

Alu Gota (Aloo Gota)

Alu Gota

Methi no Gota

Methi no Gota

Das bringt uns ganz zwangs­los zur Frage, wovon ich mich den langen Tag in Modhera denn so er­nährt habe. Die beste Approxi­mation an ein Restaurant im Tempel­bezirk war eine Bar mit Snacks, bei der ich mehr­mals ein­fiel, nicht zu­letzt auch, um mit dem Lap­top die Bilder kritisch zu inspi­zieren und im Fall von kom­plet­ten Plei­ten mal schnell eine Statue noch­mals abzulichten.

Zu essen gab es definitiv nicht viel; nach indi­schen Verhält­nissen hätten sich die ange­boteten Spei­sen gerade mal zu einem etwas herz­hafteren Früh­stück geeignet. Der Vorteil war, daß sie wenig guja­ratisches Lokal­kolorit trugen und daher weit­gehend zucker­frei zubereitet waren. Andererseits war alles frittiert und daher nicht ganz light.

Als Mittags­imbiß ver­zehrte ich Puri, das ist un­gesäuer­tes Brot, das beim Frit­tieren eine Ballon­form an­nimmt. Es wurde mit einem Kar­toffel­curry ge­reicht, der mit Chili, Kreuz­kümmel und Curcuma gewürzt war; diese Kom­bina­tion ist in vielen Teilen Nord­indiens als Früh­stück ver­breitet, ob­wohl nach euro­päi­schen Maß­stäben das fettige Puri am Morgen gänz­lich un­geeig­net ist. Tags­über schmeckt es mir da­gegen sehr gut, voraus­gesetzt, man ißt es, solange es warm ist; nach dem Abkühlen wechselt es nämlich von knusprig nach zäh, und es scheint plötzlich auch viel fetter zu schmecken.

Zwischen der Tempel­besichti­gung und dem Tanz­fest kam ich dann noch­mals zu­rück und ver­such­te mich an Gota, das sind walnuß­große frit­tierte Bäll­chen, die hier mit einer süß–scharfen Sauce ge­reicht werden. Sie kön­nen aus ver­schie­de­nen Aus­gangs­materialien her­ge­stellt sein: Alu Gota sind ein­fach eine Art frit­tier­tes Kar­toffel­püree, und Methi no Gota bestehen aus Weizen­teig, der mit gehackten frischen Bockshornklee­blättern angereichert ist.


Patan Dvarka

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