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Mandu माण्डू, माण्डाव (Madhya Pradesh) |

Die Hoshang Shah Makbara im Sternenlicht

Die Westseite der Großen Moschee (Jami Masjid)

Das Grabmal des Hoshang Shah
nun bin ich in Mandu angekommen, einem winzigen Dorf im südwestlichen Madhya Pradesh. Das Dorf liegt auf einem Hochplateau in einer fast perfekt flachen, radfahrtauglichen Umgebung, die geradezu gesprenkelt ist mit Monumenten längst vergangenen Glanzes.
Im 15. Jahrhundert wurde Mandu die Hauptstadt des Königreiches Malwa, das als Fürstenstaat bis zur Unabhängigkeit Indiens Bestand hatte. Angesichts der afghanischen Herkunft der Herrscherfamilie findet man hier eine Anzahl Monumente in einem eher zentralasiatischen als typisch indo–islamischen Stil; andererseits haben sich die Mogulen durchaus von den Bauten in Mandu inspirieren lassen, besonders was die Verwendung von Marmor betrifft.
Trotz seiner strahlenden Geschichte ist Mandu vor allem eines: ein Dorf. Die riesige Ruine der Jami Masjid, der Großen Moschee, wird von einer Ringstraße umlaufen, an der alles Wesentliche zu finden ist und an der einmal in der Woche ein bunter Markt stattfindet. Fünf Gehminuten später ist man schon auf freiem Felde, egal welche Richtung man eingeschlagen hat. Direkt an der Jami Masjid liegen auch mein Hotel sowie die beste Futterstelle des Ortes — aber dazu später mehr.
Die Freitagsmoschee ist ein prachtvolles Gebäude mit einem weitläufigen, von einer Säulengalerie gesäumten Innenhof, dessen Westseite an einen von zahlreichen Säulen getragenen Gebetsraum grenzt. Am Anschluß an die Moschee findet man eine majestätische Makbara, also einen kuppelförmigen Grabbau, aus weißem Marmor. Dieses Grab des Hoshang Shah, so erzählt man sich hier, habe den Mogulenkaiser Shah Jahan zum Bau des Taj Mahal inspiriert, und ganz unmöglich ist das nicht, auch wenn der Bau hier in Mandu vergleichsweise klobig wirkt.

Der Jahaz Mahal (Schiffspalast)

An Deck des „Schiffes“

Der Stufenbrunnen Ujali Baori

Im Schiffspalast
Nur drei oder vier Kilometer außerhalb des Dorfes stehen durchaus impressiven Ruinen des ehemaligen Palast- und Repräsentationsviertels. Der langgezogene aber sehr schmale Jahaz Mahal oder „Schiffspalast“ gilt als das Wahrzeichen Mandus; wegen seiner eigenartigen Proportionen kommt man sich wirklich ein bißchen wie am Deck eines Schiffes vor, zumal sich an der Westseite des Palastes ein großer See anschließt, eigentlich eher eine ausgedehnte aber flache Pfütze, in der die Bauernkinder der Umgebung ihre Wasserbüffel baden.
Rings um den Jahaz Mahal findet man noch weitere Paläste, darunter den Hindola Mahal mit seinen charakteristisch schrägen Mauern, weiters ein paar Moscheen, Handelshäuser und sogar ein Türkisches Bad; am meisten hat mich allerdings der Stufenbrunnen Ujali Baori beeindruckt. Wahrscheinlich ist der Ujali Baori der letzte Stufenbrunnen, den ich in Indien zu sehen bekommen werde; er ist gewissermaßen eine tiefe Grube oder ein sehr breiter Schacht, an dessen Rand mannigfaltige Stufen hinunter zum Wasserspiegel führen. Das Wasser glänzt giftgrün und riecht ungefähr so, wir man sich das erwartet; trotzdem habe ich einen Inder beobachtet, der sich darin voller Begeisterung die Füße wusch. Wasser ist eben heilig und reinigt im spirituellen Sinn selbst dann, wenn es zu 90% aus Dreck besteht.

Moschee in der Dariya-Khan-Gruppe

Die finale Karawansarai

Frau am Grab des Dariya Khan
In größerer Entfernung vom Dorf findet man weitere Gruppen interessanter Monumente in allen erdenklichen Phasen des Verfalls. Dariya Khan ließ hier neben Moscheen und anderen Gebäuden ein beeindruckendes Grabmal errichten, das gerade restauriert wird; weil diese kleine Gruppe von Monumenten in keinem Reiseführer stehen, bleibt sie so gut wie unbesucht.
Nach einigen weiteren Kilometern durch die karge Landschaft stolperte ich über eine Karawansarai, die in ihrem Stil ganz an die bekannten Beispiele aus der Türkei oder Zentralasien erinnert. Da ich in Indien noch ein ein solches Gebäude gesehen hatte, folgte eine ausgedehnte Photosafari durch die vielen Kammern, in denen die Karawanengüter sicher verschlossen aufbewahrt wurden, als mich plötzlich das Karma an der Achillessehne mit dem Gungnir durchbohrte. Mit diesem mythologischen Potpourri will ich ausdrücken, daß meine Kamera in den Totalstreik-Modus ging, und sich folglich jede weitere Besichtigung oder Reiseplanung erübrigt. Die nächsten Tage, Wochen oder (schlimmstenfalls) Monate werden zeigen, wie ich das gestrandete Jahaz wieder flott kriege.
Die Verpflegungssituation in Mandu ist gar nicht schlecht, soferne man nur nicht den Fehler macht, irgendeines der im Reiseführer empfohlenen Restaurantoide zu betreten; ich tat es einmal, und verließ den Laden mit offenbar psychosomatisch motivierten Bauchschmerzen. Stattdessen besucht man besser ein uriges Kochzelt am Hauptplatz und speist entspannt sein Thali unter freiem Himmel mit Blick auf die Hoshang Shah Makbara. Die Qualität der Speisen ist dem royalen Ambiente vollkommen angemessen, und so sammeln sich allabendlich die paar westlichen Individualtouristen auf der freundlicherweise bereitgestellten „Ausländerbank“.

Alu Chana

Gobhi
Trotz der grandiosen islamischen Geschichte Mandus leben heute nur noch Hindus hier (und ein paar Jains). Entsprechend bekommt man in dem namenlosen Kochzelt vegetarische Küche angeboten, die aber in ihrer Vielfalt und Würzigkeit zu den absoluten Spitzenreitern in Nordindien zählt. Selbst die simpelsten und eigentlich weitverbreitetsten Zubereitungen schmeckten ganz herausragend: Alu Chana, Kartoffeln mit geschälten und gespaltenen Kichererbsen, waren so scharf, aromatisch und kreuzkümmelig, daß es einfach nur eine Freude war. Dasselbe galt für den Blattkohl, der in Indien namentlich nicht vom Blumenkohl (Gobhi) unterschieden wird: Es ist unglaublich, wie hocharomatisch eine so simple Zubereitung schmecken kann.

Alu methi

Bati
Wenn man tagtäglich Thali ißt, dann kann man ja einen einigermaßen repräsentativen Querschnitt des ortsüblichen Angebots sampeln, auch wenn die Zubereitung im Restaurant sich von der im Haushalt oft unterscheidet (das trifft jedoch auf Thali-
Eine für die Malwa-
Früchte des Affenbrotbaums (Khurasani Imli)
Affenbrotbaum (Baobab)
Eine letzte kulinarische Besonderheit nicht der Region, sondern nur der Umgebung von Mandu, ist der Baobab oder Affenbrotbaum, der angeblich nirgendwo sonst in Indien wächst und der ebenso angeblich aus der zentralasiatischen Region Khorasan eingeführt wurde (wie auch immer er dorthin gekommen sein mag). Die großen Früchte enthalten ein weißes, merkwürdig poröses Fruchtfleisch, das beim Trocknen fragmentiert und dann fast wie Styropor-Verpackungsmaterial aussieht. Wegen des sauren Geschmacks werden die Früchte lokal als Khurasani Imli, also soviel wie „Tamarinde aus Khorasan“ bezeichnet. Die Bäume mit ihren charakteristisch dicken Stämmen sieht man überall.
Da jetzt das Holi-Fest ins Haus steht, ist in den nächsten Tagen nichts Neues von der Kamera-
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