Landkarte
Orcha Puri

Khajuraho खजुराहो (Madhya Pradesh)

Stone caving at Dulhadeo Mandir Hindu Temple in Khajuraho (Souther Group), Madhya Pradesh, India

Figurenpracht an der Südseite des Dulhadeva Mandir

Idol in Parshvanath Mandir Temple, Khajuraho, Madhya Pradesh, India

Kultstatue von Parshvanath, dem 23. Tirthankara der Jains

Apsara (Dancer) at Lakshmana Mandir Temple, Khajuraho, Madhya Pradesh, India

Tänzerin am Lakshmana Mandir (Nordseite)

Outside view of Javari Mandir Temple, Khajuraho, Madhya Pradesh, India

Der Javari Mandir. Man sieht den typischen Bauplan aus der Vorhalle (Mandapa, rechts) und dem daran anschließenden Tempelturm (Shikhara), der genau über dem Heiligtum steht.

Idol in Vamana Mandir Temple, Khajuraho, Madhya Pradesh, India

Kultstatue im Heiligtum des Vamana Mandir (der Zwerg Vamana ist die fünfte Inkarnation Vishnus).

Erotic sculpture at Kandariya Mandir, Khajuraho, Madhya Pradesh, India

Erotisches Detail am Kandariya Mandir (Nordseite)

Liebe Birgit,

nun bin ich also in Khaju­raho, und wie be­reits an­gekün­digt ist dieser Brief nicht ganz jugend­frei: Diese Klein­stadt mit­ten im länd­lichen Madhya Pra­desh ist näm­lich für eine An­zahl etwa tausend­jähri­ger Tem­pel be­kannt, die hier in der Ein­öde die mu­slimi­schen Er­obe­rer ganz gut über­stan­den haben und daher das Bild einer sonst weit­gehend ver­lorenen Epoche des Hin­duis­mus doku­men­tie­ren. Le­bens­freude und Sinn­lich­keit sind die Schlüs­sel­wör­ter zum Ver­ständ­nis der hier in Stein ge­haue­nen Tempel­kunst, die in Wahr­heit alle Aspek­te des Lebens ab­deckt, aber natür­lich ziehen die eroti­schen Dar­stellungen das größte Inter­esse an sich — übri­gens auch das der Inder, die hier ganz gerne ihre Flitter­wochen ver­bringen (die häufig gehörte Bezeichung Kama­sutra-Tempel halte ich trotzdem für übertrieben).

Die Tem­pel, von denen weniger als ein Drittel erhalten sind, sind über ein paar Quadrat­kilometer ver­streut, aber die schön­sten stehen in der so­genann­ten „west­lichen Gruppe“ nur ein paar Meter von meinem Hotel entfernt. Dafür muß man einen aber­witzi­gen Ein­tritt von 250 Rupye be­zah­len (Inder kom­men für zehn in den Genuß), wäh­rend die an­de­ren noch nicht so kom­merzi­ali­siert und frei zu­gäng­lich sind. Fluchen hilft nichts, und Boy­kottie­ren wäre Wahn­sinn, also habe ich heute die Tour gemacht und in drei Stunden sechs­hundert Photos ge­schos­sen, von denen nach heftigem Aus­jäten immer noch drei­hundert den Weg auf die Fest­platte ge­schafft haben.

Die Tempel gelten als das schönste Bei­spiel für den indo–arischen Stil, wie er in Nord­indien vor dem Kon­takt zum Islam üb­lich war. Sie stehen meist auf einer Platt­form und öffnen sich nach Osten; nach einer oder mehre­ren Vor­hallen kommt man in des Heilig­tum, das ein Kult­bild be­her­bergt und von einem hohen Tempel­turm ge­krönt wird. An der Außen­seite sind die Mauern so dicht mit Skulp­turen ver­ziert, so daß man manch­mal den Ein­druck hat, die Mauer sei nur aus den Ab­bildern mensch­licher Körper er­rich­tet. Viele, aber bei weitem nicht alle, dieser Skulp­turen stel­len Tänzerin­nen in eroti­schen Posi­tio­nen dar, und man findet (meist an expo­nier­ten Stel­len) dann auch die be­rühm­ten Sex­darstel­lun­gen, die Paare oder Grup­pen in ana­tomisch kaum mög­lichen Posi­tionen zeigen. Es wird aller­dings be­haup­tet, daß man durch fleißiges Prak­tizie­ren von Yoga eine ent­sprechen­de Ge­lenkig­keit er­werben kann (Yoga-Schulen gibt es an jeder Straßenecke).

Eotic scene at Facade of Jagadambi Mandir Temple, Khajuraho, Madhya Pradesh, India

Erotische Szene auf der Südseite des Jagadambi Mandir

All lives are Delicious!

Die allgegenwärtige Vegetarier-Propaganda gefällt nicht jedem

Nicht alle Tem­pel hier dien­ten dem Hin­duis­mus. Es gibt auch eine Grup­pe von drei Jain-Tem­peln, ob­wohl der Jainis­mus heute hier kaum noch An­hän­ger hat: Die strengst vege­tarisch leben­den An­hän­ger dieser Re­li­gion, die etwa zeit­gleich zum Bud­dhis­mus ent­stand und teil­weise ähn­liche Kon­zepte auf­weist, findet man heute fast nur noch weiter west­lich, in Maha­rashtra, Raja­sthan und vor allem Gujarat.

Water Buffalo, Khajuraho, Madhya Pradesh, India

Wasserbüffel

Indian women bathing in Shivsagar Talao, Khajuraho, Madhya Pradesh (Central India)

Inderinnen baden im Shivsagar Talao

Als Kon­trast­pro­gramm zur mas­si­ven Kultur kann man mit dem Fahr­rad durch die Land­schaft stram­peln, auf schnur­gera­den Alleen, die von so be­kann­ten Bäumen wie Neem, Tamar­inde oder Mango ge­säumt sind. Auf den Fel­dern wer­den Weizen und Senf an­gebaut, und fried­lich grunzen­de Wasser­büffel suhlen sich in den schlam­mi­gen Seen. Die Mango­bäume stehen gerade in Blüte: In der Hitze der gerade be­gin­nen­den heißen Jahres­zeit sollten die Früchte in zwei Monaten reif sein, und mir läuft allein beim Ge­dan­ken daran schon das Wasser im Mund zu­sam­men. Was man in Deutsch­land als Mango zu kaufen be­kommt, wäre ja hier selbst für die Bettel­schale eines Sadhu eine Beleidigung.

Das Fahr­rad bie­tet noch einen wei­te­ren Vor­teil: Man ent­kommt den zahl­losen Nerven­sägen, die jedem ein Hotel auf­schwa­tzen, ihn in ihren Shop ver­schlep­pen oder ihm eine Tour nach Ich­weiß­nicht­wohin an­bieten wollen; selbst die Kinder sind eine Qual, die wollen einen näm­lich in eine Schule, ihr Haus oder sonst­wohin ein­laden — und sobald man sich freund­lich gibt, ist man schon mit Geld­forde­run­gen kon­fron­tiert. Wie schön ist es da, wenn man mit dem Rad in einer Sekunde schon fünf Meter weit weg ist. Aller­dings ist es kein All­heil­mittel, denn Inder können auch rad­fahrender­weise Ver­kaufs­gespräche starten und be­halten dabei genug Über­blick über den chaoti­schen Ver­kehr. Ich nicht.

Indian Food: Alu Tikki

Alu Tikki

Indian Food: Alu Paratha

Alu Paratha

Indian Food: Aloo mutter (Alu matar), Potatoes with peas

Alu Matar

Kulina­risch ist Khaju­raho lei­der eben­so touris­tisch ver­seucht: Pizza ist leicht zu be­kom­men (“Italian Chef, Dutch Super­vision” steht auf einem der größten Re­stau­rants des Ortes), aber echtes indi­sches Essen er­weist sich als Heraus­forde­rung. Nach einigen Fehl­versuchen habe ich am drit­ten oder vierten Tag endlich einen Laden ge­funden, wo es schmeckt, und das Baigan Bharta (dazu später mehr) ließ keine Wünsche offen: Das ist grob gehacktes Au­berginen­fleisch, das mit Zwiebel, Ingwer und Gewürzen in nicht zu wenig Fett geschmort wird, bis es weit­gehend zer­kocht ist; es war simpel aber effektiv mit Chili, Curcuma, Koriander und Kreuz­kümmel ge­würzt. Am darauf­folgenden Tag ver­suchte ich es mit Alu Matar, das sind grüne, frische Erbsen und Kartoffel­stücke in einer pikanten Curry­sauce. Ganz passabel war auch der gestrige Egg Curry, harte Eier in eines Sauce aus Knoblauch, Zwiebel, Curcuma, Chili und Tomaten.

Sonst kann man sich nur an die auf der Straße ver­kauf­ten Snacks hal­ten. Die meisten davon be­stehen aus Kar­tof­feln, ein­fach weil sie billig und nahr­haft sind, und weil sie sich so gut würzen lassen — es ist schwer vorstell­bar, daß die indi­sche Küche noch vor fünf­hundert Jahren ohne diese Hack­frucht aus­kom­men mußte (und, horribile dictu, auch ohne Chilies). Meist werden die ge­koch­ten Kar­tof­feln mit Zwiebeln und Gewürzen zu einem Teig ver­knetet, der dann in ver­schie­de­ner Form ser­viert wird. Für Alu Tikki wird der Teig auf einer heißen Platte mit etwas Fett gebraten, mit gekochten Kicher­erbsen abgelöscht und zuletzt mit einer scharf–süßen Sauce über­gos­sen; der Kunde be­kommt das ganze dann meist in einem industriell her­gestell­ten Schälchen aus ge­preß­ten Blättern, das man nach dem Essen diskret einer Heili­gen Kuh zuwirft. Außer­dem gibt es natür­lich auch Samosa, die bekann­ten, knusprig frittierten Teig­täschchen mit Kartoffelfüllung.

Die Kartoffel­masse kann aber auch zum Fül­len von Brot ver­wendet werden. Für Paratha, das in ganz Nord­indien ver­breite­te gefüllte Brot, braucht man nur ganz ordi­nä­ren Chapati-Teig, also Weizen­mehl und Was­ser; die Fladen werden einfach mit einer Kugel eines groben, mit Kreuz­kümmel gewürzten Kar­toffel­pürees gefüllt.

Indian Food: Masala Dosa

Und das ist ein fertiges Masala Dosa.

Preparation of South Indian food  Masala Dosa

Masala Dosa: Der Teig wird auf die Platte gegossen.

Interessanter­weise be­kommt man hier aber auch Masala Dosa, ei­gent­lich eine süd­indi­sche Spe­ziali­tät, aber neuer­dings auch im Norden sehr be­liebt. Dazu wird ein dünn­flüssi­ger, leicht fer­men­tier­ter Teig aus Reis- und Bohnen­mehl auf eine heiße Platte ge­gos­sen und wie ein Crèpe ohne Wenden gegart. Mit der glatten Seite nach außen wickelt man den Fladen dann um eine Kartoffel­masse, die süd­indisch mit Curry­blättern ge­würzt ist, und serviert mit einer pikanten Kokos­paste und dem süd­indi­schen Gemüse­curry Sambar. Im Süden spielt ja der Reis eine viel größere Rolle als hier im Norden, wo man eher Weizen­brote als Beilage ißt — die bekannten Reis­gerichte der nord­indi­schen Küche, Biryani und Pullao, bestäti­gen diese Regel, denn es sind aufwendige Haupt­speisen und keine simplen „Sättigungsbeilagen“.

Ich habe vor ein paar Tagen in Jhansi ein Bahnticket nach Orissa erstanden, allerdings stehe ich noch auf der Warteliste. Wenn alles gutgeht, dann trete im in drei Tagen die ein­einhalbtägige Reise zur Ostküste an, wenn nicht, dann sitze ich eben in der Tinte. Wenn aber alles klappt, dann finde ich noch mehr Tempel, und weitere – auch kulinarische – Höhepunkte.


Orcha Puri

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