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Girnar ગિરનાર (Gujarat) |

Die Tempelgruppe rund um den Neminath Mandir am Girnar Parvat, unweit von Junagadh

Der Girnar Hill, gesehen von Junagadh

Puja mit Räucherstäbchen und Kokosnüssen

Der rauchfreudige Sadhu

Dieser Sadhu posiert als Kali
die Sonne ist noch nicht aufgegangen, und irgendetwas klopft an die Hoteltür. Während mein Bewußtsein verzweifelt seine eigene Existenz verifizieren oder notfalls auch falsifizieren möchte (Hauptsache endlich Klarheit), nehmen äußere und innere Welt schrittweise konkretere Formen an: Der Ventillator helikoptert an der Decke, und der Laptop singt offenbar schon seit einiger Zeit das Gayatri-Mantra, wohl in der Hoffnung, mich damit aufzuwecken. Ach ja richtig, ich wollte doch heute morgen mit Pepe — ahh, damit ist auch klar, was den Lärm an der Tür verursacht. Pepe, ganz ruhig, ich komme ja gleich!
Pepe ist ein italienischer Tourist, mit dem ich mich gestern für einen Ausflug auf den Girnar Hill verabredet habe, ein großartiges Bergheiligtum mit Jain- und Hindutempeln nur ein paar Kilometer vor Junagadh. Im Morgengrauen machen wir uns auf die Suche nach der Riksha, die uns zum Beginn des viele tausend Stufen langen Pilgerwegs bringen soll. Daraus wird aber nichts, denn das Gelände rund um das „Girnar Base Camp“, wie ich es im Stillen nenne, ist von der Feier der letzten Tage noch mit Tausenden von Besuchern verstopft, durch die wir uns im Laufe einer halben Stunde einen Weg bahnen.

Steil führen die Stufen empor
Unter den Besucher findet man auch viele Sadhus, manche in leuchtendes Orange gekleidet, andere auch fast völlig nackt und nur mit Asche beschmiert. Letztere stammt von den Feuern, mit denen sie die kühlen Nächte überstehen. Mein Thermometer zeigt 14° an, als Pepe mit einem der Sadhus einen längeren Schwatz beginnt, der schließlich im Rundumreichen einer Haschischpfeife (Chillum) gipfelt. Das heilige Kraut Shivas ist zwar in Indien fast überall verboten, aber Sadhus rauchen ungeniert Gras (Bhang) oder auch Haschisch (Charas) in der Öffentlichkeit — “it’s tradition, Sir”. Der dienstälteste Sadhu dieser Gruppe ist praktisch völlig nackt, und sein asketischer Lebenswandel steht ihm ins Gesicht geschrieben. Wahrscheinlich hat er, wie die meisten seiner Kollegen, einmal ein ganz gewöhnliches Leben geführt, war vielleicht Beamter, Selbstständiger oder Angestellter mit eigener Famile, bis er entsprechend dem alten Brauch sein weltliches Leben beendete, um sich auf die spirituelle Suche zu machen.
Vom Girnar Hill strömen uns die Massen entgegen, als wir endlich das Tor am Begin des Pilgerwegs erreichen: Viele Leute haben in den letzten Tagen oben übernachtet und machen sich jetzt auf den Heimweg. Nach einem Kilometer wird das Gedränge dünner, aber dafür gewinnt der Anstieg an Steilheit. Der kettenrauchende Pepe gibt auf und meint, er wolle lieber noch mit ein paar Sadhus plaudern, statt die siebentausend Stufen bis zum Girnar Hill emporzusteigen. Das war bei Stufe fünfhundert, und so keuche ich alleine weiter. Drei Stunden, schätze ich, wird es wohl dauern.

Der Neminath Mandir glänzt im Licht der Vormittagssonne

Ein Einzeltepel des Neminath-Mandir-Komplexes schmiegt sich an den steilen Hang

Blick über den Tempel den Hügel hinab
Das relativ flache Vorspiel endet etwas nach Stufe siebenhundert, danach windet sich eine Serpentinentreppe am steilen Felsen empor. An den Umkehrpunkten stehen häufig kleinere Schreine, vor denen die Gläubigen Räucherstäbchen entzünden oder kurz meditieren (oder vielleicht auch nur ausrasten), ehe sie die nächsten Stufen in Angriff nehmen. Die Sonne war natürlich längst aufgegangen, aber der Weg verläuft auf der Westseite des Hügels; erst irgendwo bei Stufe 3000 schwenkte er soweit nach Süden, daß ich in der wärmenden Morgensonne weitersteigen konnte. Mit leichtem Schaudern dachte ich daran, wie weit die Temperatur im Lauf der nächsten paar Stunden noch steigen würde. Glücklicherweise bekommt man alle paar hundert Stufen Erfrischungen angeboten, wobei der Limettensaft mit Salz als näherungsweise isotonisches Getränk den Durst hervorragend löscht. Eine Limette kostet ganz unten noch zwei Rupye, und ganz oben würde ich dafür zehn bezahlen müssen.
Knapp vor Stufe 4000 erreicht man den Tempelkomplex des Neminath Mandir, der einer der vier wichtigsten Tempel der Jains ist und der dritte, den ich besuche. Durch ein großes Tor betritt man den Komplex, der neben dem mehrteiligen Neminath-Tempel noch einige weitere kleiner Jain- und auch Hindu-
Das wäre dann der nächste und letzte Tempel gewesen.
Die letzten Meter zum Shiva Gorakhnath Mandir
Endlich angekommen!
Folgt man dem Weg weiter, dann kommt man nach 1500 weiteren Stufen zu einem kleinen Komplex von Hindu-
Das ist aber noch nicht das Ende des Pilgerweges: Eine tiefe Schlucht von mindestens 2000 Stufen erst hinunter und dann wieder hinauf wäre bis zum Guru-
Passend zur spirituellen Atmosphäre dieses Briefes gibt es jetzt nochmals einen Bericht über die vegetarische Gujarati-Küche, die – man höre und staune – hier in Junagadh viel weniger Zucker verwendet als an meinen letzten Stationen. Folglich habe ich in den letzten Tagen erfreulich gut gegessen, wobei ich mir einen Laden nur eine Ecke von meinem Hotel zum Stammlokal erkoren habe. Dort gibt es Thali mit bis zu fünf verschiedenen Speisen um
Masala Chana (Kichererbsen) und Bharta (Aubergine)
Vorspeise mit italienischem Touch: Gebratene Paprika
Seva (Tomaten mit weichgekochten Nudeln)
In den Thali-
Dazu kommen bei Patel noch rohe Kohlblätter und Karottenwürfel, die mit einer pikanten Chili–
Roher Kohl als Vorspeise
Pau Bhaji
Als Ausländer wird man sehr rasch zum Liebling des Personals, bietet man doch mit seinen merkwürdigen Sitten und Verhaltensweisen Gesprächsstoff für Tage: Ich trinke absurde Mengen Tee, sortiere am Laptop Photos während des Essens und schieße gelegentlich Bilder, aber nicht von mir plus dem Kellner oder von dem Lokal, sondern von den Speisen, in denen die Gujarati selbst nichts Dokumentationswürdiges erkennen können.
Am Patel gibt es nur einen Kritikpunkt: Nachmittags ist der Laden, wie fast alle Restaurants der Stadt, geschlossen, und es kann richtig schwierig werden, außerhalb der Zeit an Eßbares zu kommen. Außer diversen Snackläden mit Pakora und Co füllen einige wenige Straßenstände die Lücke. Ein typischer „Straßenrand-Snack“, den ich vor allem in Gujarat gesehen habe, ist Pau Bhaji. Dieses merkwürdige Hybridprodukt stammt aus Maharashtra und Goa und ist letztlich ein portugiesisches Erbstück, wie bereits der Name verrät: Pão heißt ja Brot, und Bhaji ist ein dicker Brei aus halbzerkochten Kichererbsen und anderem Gemüse mit moderaten aber merklichen Chilimengen. Das verwendete Brot erinnert ein bißchen an einen Osterstriezel und ist auch leicht gesüßt; es wird in Butter auf der heißen Platte angebraten („getoastet“) und zusammen mit dem Gemüse gegessen, oder auch damit vermengt, wobei es völlig zerfällt und einen steifen Papp ergibt. Pau Bhaji schmeckt am besten, wenn man noch ein Stück Butter einrührt.
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