Landkarte
Basantapur Siehe auch Kathmandu 1, Kathmandu 3 Kathmandu 5

Kathmandu 4 काठमाण्डौ (Nepal)

Marriage Procession with musicians in Kathmandu, Nepal

Hochzeitsmusikanten

Earthware market near Nau Deva temple, Kathmandu, Nepal

Markt für irdene Gefäße in Bhedasing

Ganesh srine in Shvabhagabati-Temple, Kathmandu, Nepal

Ganesha-Schrein in Dhalko

Sadhu posing for Tourist in Thamel, Kathmandu, Nepal

Auf Touris spezialisierter Sadhu in Thamel

Liebe Birgit,

mittler­weile bin ich nach der kargen Schön­heit der öst­lichen Gebirgs­orte wieder im reichen, prallen Leben der Haupt­stadt Kath­mandu ange­kommen. Einein­halb Jahre ist es nun schon her, daß ich von hier wieder zurück nach Indien aufge­brochen bin; und da fragt man sich natürlich: Was ist gleich ge­blieben, was ist besser ge­worden, und was hat sich zum Schlech­teren verändert?

Ich kam nach einer selbst für süd­asiati­sche Ver­hält­nisse ab­scheu­lich engen Bus­fahrt im frühen Morgen­grauen an und brauch­te einige Zeit, um von dem mir unbe­kannten End­punkt des Busses den Weg in des Traveller­ghetto Thamel zu finden. So früh­morgens bin ich sonst nur selten auf den Beinen, und so beobach­tete ich inter­essiert das rege Treiben um die kleinen Tempel an jeder Straßen­ecke, während ich vom Ratna Park, dem Knoten­punkt des städti­schen Bus­systems, über Asan Tole, Tyoda und Thahiti nach Thamel spazierte. Diese Namen stehen für sehr kleine „Nachbar­schaften“, das heißt eine längere Straße oder einen kleinen Platz mit ein paar Gassen rundherum. Sie dienen vor allem als Adress­angaben und sind deshalb peinlich genau auf jedem Geschäfts­schild aufgemalt; daher weiß man immer, wo man gerade ist.

In mei­nem Hotel er­kannte man mich sofort wieder und gab mir ohne jede Ver­hand­lung ein Zim­mer zum alten Preis; offen­bar erinnerte sich der freund­liche Rai an der Rezep­tion gut an meine ganz über­durch­schnittlich langen Auf­enthalte, denn andere zahlen mehr. Es ist übrigens gerade Neben­saison; warum, kann ich allerdings nicht sagen, weil des Wetter hier im Kathmandu-Tal eigentlich sehr angenehm sonnig–warm ist; aber die Touristen­massen werden erst in einem Monat erwartet, und so sind die von Souvenir­shops, Trekking-Ausrüstern, Reise­büros und natürlich Restaurants gesäumten Gassen in Thamel noch ziemlich leer. Im Photo-Laden gleich eben dem Hotel, in dem ich letztes Mal ein neues Objektiv gekauft hatte, wurde ich auch gleich wieder erkannt, und der unter­beschäftigte Besitzer unterhielt sich lang mit mir über meine Reise­erlebnisse. Auch in meinen Stamm­kneipen konnte ich das bewunderns­werte Personen­gedächtnis der Leute bestaunen — ich merke mir von den Gesichtern ja meistens nur, wieviele Augen sie haben.

Die Internet-Cafés haben sich nun zu einem Kar­tell mit ein­heitlich gestal­teten Preis­schildern zusammen­geschlos­sen: Sie ver­langen für die Stunde mittler­weile 100 Rs, also halb soviel, wie mein Hotel­zimmer mit WC für einen Tag kostet. Begründet wird der Preis­anstieg übrigens wenig über­zeugend mit der problemati­schen Strom­versorgung: Pro Tag gibt es höchstens zehn Stunden Strom (meist ein paar Stunden rund um Mitter­nacht, und dann noch am Vor- oder Nach­mittag), und wer keinen Generator hat, ist in der Tat ein armes Schwein und nur ein paar Stunden pro Tag geschäfts­fähig. Angeblich verkauft die Regierung Strom an Indien, und da bleibt im wasserarmen Winter eben nicht genug für den Eigen­bedarf: Devisen gehen vor, und wahr­scheinlich ist auch noch viel Provision (sprich: Bakschisch) im Spiel. Als Erklärung für das Raub­rittertum in den Internet-Cafés scheidet die Strommisere aber vollständig aus, weil ich in den Nachbar­bezirken wie seit eh und je um 20 bis 30 Rs surfen kann.

Nepal hat un­zählige ver­schie­dene Kalender par­allel in Ver­wendung: Der gregori­anische und der tradi­tionell nepali­sche haben offi­zielle Funktion, aber daneben zählt jede ethni­sche Minder­heit die Jahre nach eigener Art, und die weni­gen Mos­lems machen es natür­lich wieder anders. Einige Tage nach meiner An­kunft stand das tibeti­sche Neujahres­fest Losar (auf Nepali Lochar genannt) an, und da machte ich mich zum größten tibeti­schen Kult­platz des Tales auf: Bodhnath, von dem ich schon einmal berichtet habe. Dort umwandelte ich den pracht­vollen Stupa und fand zwar keine richtige Neujahres­festivität, kam aber doch zu einem Tanzfest mit meist jugendlichen Tänzern, die auf einer großen Bühne in äußerst photogenen Kostümen das Jahr des Hasen begrüßten.

Chinese food: Huoguo, fire-pot (Chinese Fondue, steamboat)

Beim Feuertopf 火锅 kommt es auf Abwechslungsreichtum an

Chinese food: Huo-guo, fire-pot (Chinese Fondue, steamboat)

Die feurige Brühe 红汤鹵

Das tibeti­sche Neu­jahres­fest fällt ja fast genau mit dem chinesi­schen (Chun jie 春节) zusam­men, und das hatte Aus­wirkun­gen: Das Cheng­du Hotel, meine bevor­zugte Quelle für chinesi­sche Schärfe, war plötz­lich geram­melt voll, und ich (als einzige Aus­länder im Raum) wurde an einen vollen Tisch gebeten, wo sich eine Zehner­gruppe junger chinesi­scher Männer sich gerade dem Huo Guo 火锅 hingab. Dieses fest­liche Gemeinschafts­essen , bei uns meist als „Feuer­topf“ oder „chinesi­sches Fondue“ bekannt, besteht aus einem großen Topf, in dem gemein­sam oder indivi­duell kleine Stücke von Fleisch oder Gemüse gegart werden, die man dann mit einem pikanten Knoblauch­öl aber ohne Reis verzehrt. Klarer­weise nahm ich die Einladung gerne an und schlemmte mich durch mehrere kalte Vor­speisen, ehe der qualmende Topf in der Mitte des Tisches zu seinem Recht kam. Von den Vorspeisen blieb mir besonders Liangban Zhu-Er Duo 凉拌猪耳朵 in Erinnerung, das sind pikant mit Knoblauch, Chili und Sichuan­pfeffer marinierte Schweine­ohren. Das erinnerte mich daran, daß man ja auch in Österreich zu Silvester Sauschädel ißt.

Chinese food: Shuizhu rou, Sichuan water-boiled pork

水煮肉, in Wasser gekochtes Schwein

Chinese food: Langbian Zhu-er duo, marinated cold pig's ears

凉拌猪耳朵, kalte Schweineohren

Auch sonst hat das Cheng­du Hotel seine An­ziehungs­kraft auf mich nicht verloren. Meine diversen chinesi­schen Lieblings­speisen werden hier groß­artig zube­reitet; gleich am ersten Tag wollte ich meine Rück­kehr nach Kathmandu mit einem großen Topf Shuizhu niurou 水煮牛肉 feiern, der bekannt höllisch scharfen Brühe mit Büffel­fleisch und Gemüse­einlage. Aller­dings gab es auf der Speise­karte nur eine Variante mit mageren Schweine­fleisch, die mir keinen Deut schlechter schmeckte. Außerdem hegt der neue Koch im Hotel offenbar eine ziemliche Leiden­schaft für die „Stinkende Rose“, und so schwamm auf der mit dunkel­rotem Chili-Öl über­schichteten Brühe auch noch ein guter Eßlöffel klein­gehackter und ganz kurz ange­bratener Knoblauch. Schlimmeres soll mir nicht passieren.

Chinese food: Huigo rou, twice cooked pork

回锅肉, doppelt gebratenes Schwein

Chinese food: Huigo rou, twice cooked salt-cured pork

回锅腊肉, doppelt gebratenes Pökelschwein

Unter den Neu­zugän­gen auf der Karte fand ich sehr rasch einen neuen Lieb­ling: Huiguo Larou 回锅腊肉. Bekannt­lich ist Huiguo Rou 回锅肉 das „doppelt ge­brate­ne Schweine­fleisch“, das man in deutschen Restau­rants häufig auf der Speise­karte, aber nur ganz selten am Teller findet; es sollte aus dünnen Scheiben von vorge­kochtem Schweine­bauch be­stehen, die mit fermen­tierten Bohnen, Gewürzen und Gemüsen rasch gewokt werden. Die Extra­silbe La 腊 bedeutet „ge­trock­net, kon­serviert“ (nicht zu ver­wech­seln mit dem gleich ausge­sproche­nen La 辣 „scharf“), und somit handelt es sich um ange­brateten gepökel­ten Schweine­speck, dessen salzi­ges und zu­gleich deftiges–rustikales Aroma durch viel Chili, Sichuan­pfeffer und Fermentations­aromen sehr gut ausgeglichen wird. Natürlich besteht der Speck zu fünfzig Prozent aus Fett und illustriert daher prächtig, was am Mythos von der „leichten asiatschen Küche“ dran ist: Nicht viel.

Chinese food: Yan-jian rou, pork fried with salt

盐煎肉, Schwein mit Salz

Chinese food: Xiang chang, fragrant pork sausage

香腸, aromatische Wurst

Chinese food: Xiang laji kuai, spicy dry-fried chicken

麻辣子鸡丁, scharfes trockenes Huhn

Chinese food: Ziran yangrou, mutton with cumin

孜然羊肉, Lamm mit Kreuzkümmel

Wer sein Schwein lieber magerer ge­nießen will, ist mit Yan Jian Rou 盐煎肉, dem „mit Salz gebra­tenen Fleisch“ besser beraten: Das ist ein schnell gewoktes Gericht aus Schei­ben von magerem Schweine­fleisch mit Gemüse (vor allem Knob­lauch­grün) und nur sanften Chili-Mengen; es schmeckt folg­lich mehr nach Röst­aromen als nach Schärfe. Schwein ist auch das Aus­gangs­material von Xiang Chang 香腸, der „duftenden Wurst“, die scharf ange­braten warm serviert wird; sie ist kräftig gewürzt und sehr aroma­tisch, aber leider auch ziemlich fett. Und natürlich kann man sich auch an ein Huhn wagen: Ich empfehle Xiang Laji Kuai 香辣鸡块, was ich mir als „duftendes scharfes Hühner­fleisch, trocken gebraten“ zusammen­reime. Dabei handelte es sich um eine Variante des bekannten Mala Zi Ji Ding 麻辣子鸡丁, also zusammen mit Unmengen von Chili und Sichuan­pfeffer frittierten Hühner­würfeln, aber durch Zugabe verschiedener, ebenfalls trocken gebratener Gemüse nahm das Gericht einen etwas magen­freundlicheren Charakter an.

Zuletzt ver­suchte ich auch noch eine Spezialität, von der ich oft gehört habe, die ich aber noch zwischen die Stäb­chen bekommen hatte: Zi-ran Yang-rou 孜然羊肉, das „Lamm­fleisch mit Kreuz­kümmel“, bietet die seltene Gelegen­heit, das indische Charakter­gewürz Kreuz­kümmel in einem chinesischen Kontext zu erleben. Hat sich gelohnt!

Wenn Dir das alles zu fleisch­lastig ist, dann warte einfach auf die nächste Woche, da erzähle ich Dir nämlich auch etwas von chinesischen Gemüse­speisen — denn ich bleibe natürlich noch eine Zeit­lang in Thamel, um mehr in Kathmandu und Umgebung zu sehen.


Basantapur Kathmandu 5

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