Landkarte
Amdavad Siehe auch Tezpur Lothal

Amdavad 2 અમદાવાદ (Gujarat)

Main Friday Mosque (Jami Masjid), Ahmedabad, Gujarat (India)

Die Große Moschee (Jami Masjid) in Amdavad

Stone-carved balconies at Rani Sipri Mosque, Ahmedabad, Gujarat (India)

Die Balkone der Rani Sipri Masjid

Stone-carved window Sidi Sayed Jali, Ahmedabad, Gujarat (India)

Das Steinfenster Sidi Saiyad ni Jali

Comparison between colums ornaments in Indo-Aryan and Indo-Saracen (Indo-Islamic) styles

Zum Vergleich: Links Säule mit islamischen Motiven aus der Jami Masjid von Amdavad; rechts Säule des Vishvanatha-Tempels in Khajuraho mit Hindu-Dekoration.

Shaking Minarets ofSidi Bashir Mosque, Ahmedabad, Gujarat (India)

Die „Schwingenden Minarette“ der Sidi Basheer Masjid

Liebe Birgit,

Amdavad (in Hindi: Ahmada­bad, auf Eng­lisch auch Ahmeda­bad), die ge­fühlte Haupt­stadt von Gujarat, ist eine lärmen­de, ver­kehrs­verseuchte und schmutzige Groß­stadt, wie es in Indien gar nicht wenige gibt. Ent­sprechend hat Amda­vad bei Touristen einen schlech­ten Ruf. Ich finde diese Stadt jedoch auch an­genehm, ent­span­nend und höchst sehens­wert. Auch nach dem „heißen Empfang“, den mir die Stadt bei diesem Besuch bereitet hat und von dem ich letztes Mal berichtet habe, bleibt diese Ein­schätzung bestehen.

Zunächst ein­mal hat Amda­vad einen rela­tiv kom­pak­ten alten Kern mit zahl­rei­chen inter­essan­ten Gebäu­den, die sich in einem Areal von kaum mehr als 2 km Durch­messer drän­gen. Das ist zwar an der Grenze dessen, was ich als „fuß­gänger­kompatibel“ bezeichne, aber in Amdavad ist das Fahren mit Motor­rikshas einzig­artig entspannt: Alle Rikshas (die übrigens mit Gas fahren und folglich erheblich weniger stinken als anderswo) haben ein Taxa­meter, und somit entfallen für den Touristen die langwierigen und nerven­beanspruchenden Verhandlungen, die das Zufuß­gehen meist als die bessere Option erscheinen lassen, und man fährt völlig streßfrei 2 km um zehn bis fünfzehn Rupye.

In diesem Kern findet man vor allem eine Anzahl von Moscheen, die zu den besten Bei­spielen des indo–sarazeni­schen Bau­stils gehören: Indi­scher Figuren­reich­tum ver­bindet sich dabei mit islami­scher Schlicht­heit. Reich­deko­rierte Säulen erin­nern an die opu­lente Hindu-Orna­mentik, aber natürlich zeigen sie keine mensch­lichen Figuren, sondern abstrakte Orna­mente oder Pflanzen­motive. Besonders berühmt sind die un­glaub­lich fein per­forierten Stein­fenster (Jali) der Sidi-Saiyad-Moschee, die einen kunst­voll ver­schlungenen Lebensbaum zeigen.

Die Freitags­moschee (Jami Masjid) wird zu den schönsten Moscheen des Sub­kontinents gezählt. Die Ver­zie­rungen am Portal sehen wirklich fast wie in einem Hindu-Tempel aus, wie ein Detail­vergleich mit dem Vishva­natha-Tempel aus Khaju­raho hof­fent­lich klar zeigt. Sehr bekannt sind auch die „schwin­genden Minaret­te“ der Sidi-Bashir-Moschee gleich am Bahnhof, die durch diese spezielle Konstruktion besonders erdbebenfest sind — das letzte große Erdbeben von 2001 haben sie jedenfalls gut über­standen. Die schönste Steinmetzkunst findet man in der winzig kleinen Rani-Sipri-Moschee mit ihren wunderbar geschmückten Minaretten und Balkonen.

Stepwell Dada Hari Waw, Ahmedabad, Gujarat (India)

Der Abgang zum Stufenbrunnen Dada Hari Waw

Stepwell Dada Hari Waw, Ahmedabad, Gujarat (India)

Balustrade im Lichtschacht

Stepwell Dada Hari Waw, Ahmedabad, Gujarat (India)

Der Lichtschacht im Dada Hari Waw

Das inter­es­san­teste Bau­werk ist jedoch ein Brun­nen, genauer gesagt, ein Stufen­brunnen. Die­ser Brunnen­typ ist im gan­zen Nord­westen ver­breitet, aber beson­ders hier in Gujarat gibt es wunder­schöne Ex­emplare. Be­kanntlich bauen die Inder ja gerne Stufen (Ghats) an Fluß- oder See­ufern, damit der Wasser­spiegel immer in Reich­weite ist; ein Stufen­brunnen funktio­niert nach dem­selben Prinzip.

Der Dada Hari Waw ist der schön­ste Stufen­brunnen, den ich in Indien ken­ne. Er ist fünf Stock­werke tief in die Erde ge­baut: Vom Ein­gang führt eine Trep­pe in die Tiefe, und alle paar Meter sind mehr­fach durch­brochene Zwischen­decken einge­zogen, die die von Säulen getragenen Stock­werke bilden. Die Spalten in den Decken erlauben es dem Licht, auch noch die unterste Etage passabel zu erleuchten; dafür muß, wer die Haupttreppe verläßt, aber auch ziemlich herum­balancieren, um nicht abzustürzen.

Am hinte­ren Ende durch­bricht ein acht­eckiger Schacht alle Stock­werke in schön ge­arbei­teten steiner­nen Balu­straden. Dieser Teil des Brun­nens ist am hell­sten, und offenbar hielten sich hier auch die Damen auf, für die der Brunnen im 16. Jahr­hundert gebaut worden war: Knapp über dem Wasser, im Schatten und ver­borgen vor den Blicken anderer, das muß für eine muslimi­sche Dame ja gerade­zu herr­lich verlockend gewesen sein. Zwei enge Wendel­treppen rechts und links vom acht­eckigen Schacht erlauben es, rasch zwischen den Etagen zu wechseln, ohne vorher zur Haupt­treppe vorzuturnen.

Tajiya at Moharam (Muharram) festival, Ahmedabad, Gujarat (India)

Die Wagen (Tajiya) werden beim Moharam-Fest durch die Straßen gezogen, um auch jenen Gläubigen, die nicht nach Kerbala reisen können, einen symbolischen Besuch beim Grab Alis zu ermöglichen.

Tajiya at Moharam (Muharram) festival, Ahmedabad, Gujarat (India)

Was macht diese Frauenfigur auf einem schiitischen Fest?

Obwohl die Muslime in Amdavad nur eine Minder­heit sind, prägen sie doch das Stadt­bild mehr als die Hindus und Jains. Zufällig geriet ich in das muslimi­sche Fest Muharram, das hier Moharam genannt wird: Die Schiiten führen dabei unzählige wie Miniatur-Moscheen oder -Mausoleen gestaltete Wagen durch die Straßen, um an den Tod Husseins (des Sohnes von Ali) in der Schacht von Kerbala zu erinnern. Die Wagen (Tajiya) sehen ein bißchen so aus wie bei einem orientalisch angehauchten Faschings­umzug, und zu meinem Erstaunen trugen sie alle fein­säuberlich eine Registrierungs­plakette mit einer von der Stadt­verwaltung vergebenen laufenden Nummer. Eigentlich sollte das ein rein schiitisches Fest sein, aber die Sunniten (und manchmal auch die Hindus) feiern gerne mit.

Durch die Trommelmusik und die Gesangschöre wirkte der Umzug ziemlich hinduistisch, zumal manche Wagen sogar mit menschlichen Figuren geschmückt waren, die hinduistischen Göttinnen zum Verwechseln ähnlich sahen; die Beeinflussung des indischen Islam durch den Hinduismus ist eben nicht auf Architektur beschränkt. Gegen Abend mischten sich dann auch noch feuer­speiende Artisten unter das Publikum, und noch später kam es zu einer Schlägerei nahe meinem Hotel — das ist im Amdavad leider nichts Ungewöhnliches, und wenn es (wie auch diesmal) keine Tote gibt, dann verbucht man den Vorfall einfach unter „Ferner liefen…“.

Meat Samosas

Samosa mit Fleischfüllung

Biriyani

Biryani

Muslim restaurant in Ahmedabad, Gujarat (India)

Koch in einem Restaurant im islamischen Viertel

Tikka Masala

Tikka Masala

Besonders stark spürt man das muslimi­sche Ele­ment in einem Markt­viertel nur wenige Geh­minuten von mei­nem Hotel, wo man aller­lei Tiere lebendig oder tot kaufen kann (es riecht immer ein bißchen nach einer Mischung von Hühner­dreck und ver­wesen­dem Ziegen­schädel) und wo auch eine Anzahl von muslimischen Non-Veg-Restaurants steht. Kleine Restau­rants bereiten in großen Töpfen an der Straße Ziegen- und Hühner­curries, die sich als fettig aber sehr aromatisch erwiesen. In dieselbe Klasse fällt auch Kheema, ein Curry aus gehacktem Lammfleisch.

Außerdem bekommt man Tanduri-Huhn, das allerdings nicht im Tandur, sondern über Holzkohle gegrillt wurde, und das als Grundlage für einen als „Biryani“ bezeichneten gebratenen Reis dient oder das mit etwas Schmor­flüssigkeit irgendeines Hühner­curries zu jener eigenartigen Speise aufge­braten wird, die man als „Tikka Masala“ bezeich­net und die nicht aus Indien, sondern aus Birming­ham stammt, wo sie von Betreibern indischer Restau­rants erfunden und später nach Indien reim­portiert wurde.

Auf den Stra­ßen rund um das Markt­viertel wim­melt es von ver­schiede­nen Essens­angebo­ten, von Samosa bis Biryani. Die Samosa werden hier aus Blätter­teig gemacht und mit Fleisch gefüllt — nirgendwo sonst in Indien habe ich Fleisch­samosa gegessen, wie man sie in deutschen Indien-Restaurants kommentar­los ange­boten bekommt. Man bekommt auch frittierte Bällchen, die zumindest aus Fleisch und (euro­päi­schem) Weiß­brot bestehen und irgendwie an kroatische Ćevapčići er­innern, und Hühner- oder Lamm-Kabab auf Spießen (etymologisch sind die beiden Wörter ohnehin ver­wandt). Der Biryani wird, wie auch in den Restau­rants, auf die „Schnell­methode“ zubereitet: Sorgfältig mit Gewürzen gekochter Basmati-Reis wird entweder pur oder mit Hühner- bzw. Fleischcurry auf einer heißen Platte angebraten. Dieses Verfahren ist in der Gastronomie recht beliebt, weil man den Reis nur einmal kochen muß und trotzdem mehrere Biryani-Varianten anbieten kann; außerdem bekommt der Reis durch das Anbraten eine angenehme Konsistenz. Geschmack­lich hinkt dieser „Schnell-Biryani“ dem Original leider doch merklich hinterher.


Amdavad Lothal

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