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Karnali Highway कर्णाली राजमार्ग (Nepal) |

Der Karnali-Highway ist nichts für ängstliche Gemüter

Fast ein Postkartenmotiv: Einsames Haus in den Weizenterrassen

Nach der Nachtruhe: Weiterfahrt in der Morgendämmerung durch ein unbewohntes, enges Flußtal (wahrscheinlich die Tila)

Die Fahrt auf dem Karnali Highway bringt viele wunderschöne Bilder

Im Himalaya sind selbst kleine Dörfer oft von riesig ausgedehnten Terrassenfeldern umgeben
obwohl es mir in Birendranagar (das bekanntlich überall sonst Surkhet heißt) sehr gut gefallen hat, war diese Stadt doch nur als Durchgangsposten geplant; eigentlich zieht es mich nämlich hier, im unterentwickelten Westen Nepals, nach einer viel anspruchsvolleren Destination, dem extrem abgelegenen Jumla. Diese Stadt ist erst seit drei Jahren für den Motorverkehr erschlossen, und daher erwarte ich mir ein sehr exotisches Reiseerlebnis. Die Straße nach Jumla heißt Karnali Rajmarg oder Karnali Highway, benannt nach einem Fluß, dem sie über einen weiten Teil folgt.
Zuvor jedoch noch ein Nachtrag zu Surkhet: Ich habe die Stadt zu früh gelobt, denn der letzte Abend verlief unerfreulich. Der Wirt meiner Herberge wollte zwei Tage mehr Miete kassieren als ich dort geblieben war, weil er (vielleicht) bei den stückweisen Anzahlungen die Übersicht verloren oder (wahrscheinlicher) den von mir kräftig heruntergehandelten Zimmerpreis elegant zu kompensieren plante. Ich zeterte Tod und Teufel, rief Passanten und schließlich die Polizei zur Hilfe, und mußte schlußendlich doch einen Tag zu viel bezahlen. Also, liebe Surkhet-
Zwischen Surkhet und Jumla liegen knapp dreihundert Straßenkilometer; je nachdem, wen ich fragte, schwankten die Angaben um bis zu 50%, aber
Der Bus startete pünktlich um sechs Uhr (warum man immer eine Stunde früher kommen muß, läßt sich nur mit dem verschwenderischen Zeitgefühl der Nepalesen erklären) und legte auf einer gut asphaltierten Straße ein beachtliches Tempo hin. Der Weg führt nach Norden und durchquert eine abwechslungsreiche Hügellandschaft, die dicht mit Laubwald bewachsen ist und in der Morgensonne magisch glänzte. Ich begann mich zu fragen, ob wir nicht schon am selben Abend ankommen würden.
Eine kurze Rast ließ sich zu einem Frühstück nutzen; ich genoß erfreulich würzige Kichererbsen (Chana), die anders als die übliche trockene Zubereitungsform in viel Flüssigkeit schwammen und ziemlich chililastig gewürzt waren; überhaupt fällt mir auf, daß man hier im Westen deutlich schärfer ißt als anderswo, ausgenommen natürlich Kathmandu. Grundsätzlich bleibe ich bei Busfahrten lieber etwas hungrig und durstig, weil die Toiletten an den Haltepunkten das europäische Hygieneempfinden regelmäßig mit Füßen treten, aber bei so langen Strecken muß man dann doch einen Kompromiß mit dem eigenen Energiebedarf schließen.
Inzwischen hatten mich andere Fahrgäste mit mehr Karnali-
Bald wurde die Landschaft alpiner und interessanter, aber im selben Maß nahmen Straßenqualität und Reisegeschwindigkeit ab. Ich hatte mir für die bessere Aussicht einen Fensterplatz ausbedungen, merkte aber bald, daß ich damit nicht viel Freude haben würde: Eine heftig kotzende Nepalesin nahm ihn mir kurzerhand weg, damit sie im Fall des Falles ihren Kopf aus dem Fenster strecken konnte (kam dann auch oft genug vor), und außerdem lag die gute Aussicht immer zur linken Seite, während ich rechts, gleich hinter dem Fahrer, nur in den Genuß einer steilen Böschung kam. Also wechselte ich zum Platz am Gang und schoß meine Photos zur Tür hinaus — die bleibt nämlich die ganze Fahrt über offen, damit der Busjunge jederzeit hinausschauen und den Fahrer über etwaige Hindernisse informieren kann; bei Nahbegegnungen mit anderen Fahrzeugen springt er gleich ganz hinaus und weist den Fahrer millimetergenau ein.
So eine Busfahrt durch den Himalaya ist ein traumhaftes Erlebnis, vorausgesetzt, man bringt genug Polsterung am Sitzfleisch mit (die Bus-
Bereits nach kurzer Zeit erreichten wir die Karnali, einen breiten, trägen Fluß, der im Lauf der Reise immer dünner und bewegter wurde. An seinem Rand spielte sich typisches Dorfleben mit waschenden Frauen, badenden Männern, brennenden Scheiterhäufen und sich suhlenden Wasserbüffeln ab, und atemberaubend steile und ausgedehnte Terrassen bedeckten kilometerweit die Hänge. Auf diesen wuchs übrigens kein Reis sondern Weizen, der gerade in goldener Reife leuchtete. Die Kamera stöhnte unter der Last von hunderten Bildern. Eine Auswahl davon siehst Du hier: Sie sind chronologisch geordnet, mit Leserichtung von oben nach unten und innerhalb der Zeile von rechts nach links.
Nach einigen Stunden bekamen wir auch erstmals das Etappenziel Kalikot zu sehen, das sich noch in weiter Ferne an einem Bergrücken erstreckte, mit einem schneebedeckten Berg im Hintergrund. Der Weg war aber noch weit: Wir hatten die Sohle des Karnali-
Endlich oben angekommen landeten wir — im Stau. In Kalikot gebe es, so sagte man mir, zwei verschiedene Fahrergewerkschaften, die miteinander und mit dem Rest der Welt im Streit lägen und daher häufig mal die Straße blockierten. Nach drei Stunden Warten ging es zwar weiter, aber der Fahrer war offenbar sauer geworden und ließ die Nachtruhe ausfallen. Stattdessen fuhr er bis Mitternacht (nicht nur mein Magen knurrte), bis er irgendwo an einer Ansammlung von drei oder viel Freßbuden anhielt und sich bis zum Morgen schlafen legte. Zu essen gab es nur Dhalbhat, allerdings ziemlich gutes, und optional vier Stück zähes Ziegenfleisch, auf das ich retrospektiv gerne verzichtet hätte. Desto impressiver funkelten jedoch die Sterne am Nachthimmel, mitten im Himalaya ganz ohne Lichtverschmutzung.
Im Morgengrauen ging es dann weiter, durch ein steiles und düsteres Tal voller ungeschlachter Felsblöcke und ohne menschliche Besiedlung; ich vermute, daß es bereits die Tila war, die uns aus Jumla entgegenfloß. Plötzlich weitete sich die Schlucht zu einer schönen Tallandschaft, von der Morgensonne in Gold gebadet, voller Felder und Dörfer mit urtümlicher Steinarchitektur. Und genau in diesem Moment kam der Hammer.
In einem kleinen Dorf namens Nagma standen verdächtig viele Busse und LKWs. Wir mußten alle aussteigen: In Jumla würde gestreikt, die Straße sei für drei oder fünf Tage blockiert, und die Fahrt könne nicht fortgesetzt werden. Die meisten Fahrgäste entschieden sich für die Option, drei Stunden zu Fuß zu gehen und dann auf eine mögliche Weiterfahrt zu hoffen; schlimmstenfalls könnten sie Jumla in einem steifen Zwölfstundenmarsch erreichen. Ob ich mitkommen wollte? Ein Träger für mein Gepäck würde sich schon auftreiben lassen, ein freundlicher Mitfahrer bot sich sogar gratis an.
Ich schlug aus und bezog ein Zimmer in einer der zahllosen Buden am Straßenrand. Dort kam der zweite Schock: Das Netzgerät zum Laptop hatte die Schlaglöcher nicht verkraftet und produzierte bei Kontakt mit einer Steckdose nur Kurzschlüsse.
Wie geht es weiter? Wird der unerschrockene Reisende jemals nach Jumla kommen oder in den nächsten Tagen den kläglichen Rückzug antreten müssen? Wird er zu einem Leben ohne IT verdammt, oder tut sich Hilfe in Form eines Lötkolbenakrobaten auf? Oder wird gar der Karnali Highway von der Jumla-
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