Landkarte
Dvarka Girnar

Junagadh જુનાગઢ (Gujarat)

Mahabhat Khan Maqbara, Junagadh, Gujarat (India)

Das Grabmal von Mahabhat Khan (1851 — 1882)

Mahabhat Khan Maqbara, Junagadh, Gujarat (India)

Auf dem Dach der Mahabhat Khan Makbara sieht man die durch Erosion freigelegten Stahlelemente

Baha-ud-din Maqbara, Junagadh, Gujarat (India)

Bahāuddin Makbara

Juma Masjid, Junagadh, Gujarat (India)

Die Juma Masjid (Freitagsmoschee)

Liebe Birgit,   

Juna­gadh ist meine Lieb­lings­stadt im Gujarat. Ich kenne diesen ent­span­nen­den Ort mit knapp 3 Lakh Ein­wohnern im Herzen der Halb­insel Kathi­yavad schon von meinem ersten Besuch 1995, und sie ist in der Zwischen­zeit nicht weniger reiz­voll geworden, eher trägt der fort­schreitende Verfall zur Stimmung bei.

Junagadhs Altstadt­kern hat nur ein paar hundert Meter Durch­messer und läßt sich leicht er­wandern. Eine schmale Markt­straße führt von meinem Hotel an einer Markt­halle vorbei ostwärts zum alten Fort, etwas südlich davon liegt der Palast, und überall findet man exzentrische Architektur, deren Stil irgendwo zwischen indisch, islamisch, klassi­zistisch und phantastisch ange­siedelt liegt. Weitere Sehens­würdigkeiten liegen etwas auswärts. Es ist kaum zu verstehen, warum so wenige Touristen diesen Ort besuchen.

Step-well Adi Kadi Waw,at Uparkot Fort, Junagadh, Gujarat (India)

Der Stufenbrunnen Adi Kadi Waw im Fort Uparkot ist einfach in den Felsen geschnitten.

Old City view in Junagadh, Gujarat (India)

Altstadtfassade

Am bizarr­sten sind Mausoleen von Maha­bhat Khan und seinem Minister Baha ud-Din, die zu­sam­men mit der Freitags­moschee (Juma Masjid) ein sehens­wertes En­semble von minarett­gewor­denen Korken­ziehern bilden. Leider ver­fallen diese einzig­artigen Ge­bäude unge­bremst, wie ich im Ver­gleich zu 1995 etwas be­trübt fest­stel­len muß; immer­hin stehen sie noch, während die von Phillips ge­stiftete nächt­liche Beleuch­tung mittler­weile den Geist aufge­geben hat. Inter­essanter­weise sind die Mausoleen in Stahlbeton­technik erbaut, was im späten 19. Jahr­hundert wohl der letzte Schrei am Technologie­sektor gewesen sein muß. Bauten in einem europäisch–indischen Misch­stil waren im 19. und frühen 20. Jahr­hundert unter den indi­schen Fürsten allgemein recht beliebt.

Vom Fort existieren nur noch ein paar Mauern und zwei inter­essante und ziemlich alt aus­sehende Stufen­brunnen, von denen einer direkt in den Fels geschnitten ist, so daß man die geo­logische Schichtung des Gesteins fast so wie im Grand Canyon studieren kann. Außerdem gibt es noch ein paar Kanonen, die auf krümelnden Mauern vor sich hinrosten.

Sonst ist das ganze Fort re­naturali­siert und mit Grün­zeug be­wachsen; die Ein­heimi­schen kommen hier gerne zum Spa­zieren­gehen, und die Young­sters spielen auf den offenen Flächen gerne Cricket, was ja be­kannt­lich der indi­sche National­sport ist. An­gesichts der Tat­sache, daß mir die Leute immer Kom­pli­mente über das australi­sche Cricket-Team machen, habe ich übrigens be­schlos­sen, auf die Frage nach meiner Her­kunft nur noch mit “Europe” zu ant­worten — manch­mal wünsche ich mir, ich käme aus einem in Indien bekann­teren Land (ich kenne aber bereits die Namen der wichtigsten australi­schen National­spieler).

Antique Swiss Armee Knives, Junagadh, Gujarat (India)

Der Navab mit seinem Europa-Fimmel hatte sogar echte Schweizer Messer!

Durbar Hall in the City Palace, Junagadh, Gujarat (India)

Die Audienzhalle, in Junagadh-typischen Eklektizismus Darbar Holl genannt.

Der riesige Palast ist nur zu einem sehr kleinen Teil zu be­sichtigen, aber allein die Audienz­halle ist das Eintritts­geld wert. Der Navab von Juna­gadh mag im Ver­gleich zu seinen raja­sthanischen Kollegen ein armer Schlucker gewesen sein, aber er zeigt, daß man auch mit wenig Geld geschmack­voll wohnen kann: Böhmi­sche Kristalluster, öster­reichi­sche Sessel (letztes Mal durfte ich noch das k.u.k.-Wappen des Her­stellers sehen, heute haben sie mich aber nicht mehr ran­gelassen) und vene­ziani­sche Glas­arbeiten zeugen von seiner Welt­gewandt­heit, während er den Teppich kosten­schonend im eigenen Gefäng­nis knüpfen ließ. Der Thron­sessel ist mit silbernen Löwen als Zeichen der Herrscher­gewalt geschmückt.

Felis leo persicus: Asiatic Lion in Sakkarbaug Zoo, Junagadh, Gujarat (India)

… und im Sakkarbagh-Zoo kann man sich sogar echte Raubkatzen ansehen.

Heraldic lion in the flag of the princely state, Junagadh, Gujarat (India)

Ein Löwe ziert das Wappen des Fürstenstaates …

Stichwort Löwen: Der asiatische Löwe, der einstens vom Balkan bis nach Indien vorkam, hat nur dank der Patro­nage durch den Navab von Junagadh überlebt; im 1907 gegrün­deten Sasan-Gir-National­park lebt die weltweit letzte wilde Popula­tion dieser majestäti­schen Tiere. Ein paar frustrierte Löwen kann man sich im Zoo ansehen, der ein umfang­reiches Zucht­programm betreibt und den Über­schuß an andere Zoos weiter­gibt. Neuer­dings wird auch an die Aus­wilderung in einem National­park in Madhya Pradesh gedacht, um eine zweite Wild­population zu etablieren. Zoos sind ja überall in Asien die reinsten Tierquäler­agenturen. Einige Löwen sind zu zweit in relativ engen Schau­gehegen unter­gebracht, aber der größere Teil lebt einem dem Publikum nicht zugänglichen Bereich; ich vermute, daß die armen Viecher im Schau­gehege einem Dienst­plan mit täglicher Rotation folgen.

Spice Merchant, Junagadh, Gujarat (India)

Gewürzhändler in der Altstadt

Meine Be­geiste­rung für Juna­gadh zieht sich auch ins Kuli­narische. Die islami­sche Prä­gung der Stadt ist ja nicht zu über­sehen und hat dem Stadt­bild nicht nur Moscheen und Mausoleen beschert, sondern auch von Moslems geführte Non-Veg-Restau­rants. Ich bilde mir fix ein, daß es 1995 noch mehr davon gegeben habe, aber zwei konnte ich entlang der Markt­straße noch ausfindig machen, wovon eines rasch zum Stammlokal avancierte. Als besonderen Bonus bietet es eine blaß grau–braun getigerte Katze, die gerne durch die Gast­stube spaziert und von allen Leuten fast wie ein Familien­mitglied behandelt wird; nach ein paar Versuchen hat sie sich auch von mir berühren lassen. Als Tourist ist man automatisch der Mittel­punkt des Ladens, jeder kommt und will sich mit mir über die austra­lische Cricket-National­mannschaft unterhalten oder mich sonstwie vom Essen abhalten.

Muslim Chicken Curry

Chicken Curry

Muslim Hotel in Junagadh, Gujarat, India

Der Chef der finsteren Muslim-Kneipe

Muslim Chicken Biriyani

Chicken Biryani

Somit kann ich mich erstmals seit Amdavad wieder fleisch­lichen Genüs­sen hin­geben — und was für welchen! Hühner- und Lamm­curries ent­sprechen fort­geschrit­tenen An­sprüchen und sind voller Kreuz­kümmel und Garam Masala, ganz zu schweigen vom Chili, natürlich: Eine dicke, gulasch­rote Fett­schicht schwimmt über dem ganzen und verleiht ihm eine angenehme, mollige Schärfe. Eher untypisch für Non-Veg bekommt man auch eine rudi­mentäre Auswahl an geschmortem Gemüse, die ebenfalls sehr würzig und vor allem garantiert zucker­frei auf den Tisch kommen.

Der Star des Ensembles ist der Biryani — bereits 1995 war ich der Mei­nung, in Juna­gadh den besten Biryani des Landes ge­ges­sen zu haben, und heute be­stätigt sich das wieder. Biryani ist bekanntlich Fleisch und Reis, die getrennt zu­bereitet und danach ge­schich­tet und ge­mein­sam er­wärmt werden — Restau­rants kürzen die Prozedur gerne irgendwie ab, und das schmeckt man dann auch. Hier aber ist alles perfekt: Das nach Zimt und Cardamom duftende Huhn, der lehr­buchhaft körnige Basmati-Reis mit Safran­aroma und einem gelben Farbton, dessen Tiefe für jedes Reiskorn individuell fest­gelegt zu sein scheint, und der Hauch von grünen Zwiebeln und frischem Knob­lauch geben dem Biryani eine fast über­irdische Qualität.

Etwas schwie­riger war es mit dem Schwarz­tee: Der Chay-Wallah gleich ums Eck gehört in die Klasse der Schlitz­ohren und verrechnet mir für einen Viertel­liter 30 Ru, obwohl ich anderswo einen ganzen Liter um 40 bis 50 Ru bekomme. Desto geringer sind die Preise im Restaurant: Ein (zugegebener­maßen nicht großer) Teller Fleisch­curry mit Reis und Brot kostet nämlich ebenfalls 30 Ru, also knapp einen halben Euro. Irgendwie habe ich ein merk­würdiges Gefühl, für ein exzellentes und nach indischen Vor­stellungen geradezu luxuriöses Fleisch­gericht nur halb soviel wie für die paar Gläser Tee dazu zu bezahlen, aber Indien ist nun mal das Land der merk­würdigen Pro­portionen.


Dvarka Girnar

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