Landkarte
Guwahati Shillong

Tezpur তেজপুৰ (Assam)

Shiva Statue in Brahmaputra river bed, Tezpur, Assam (India)

Shiva-Statue auf einer Sandbank im Brahmaputra

Sunset on the banks of Brahmaputra river, Tezpur, Assam (India)

Der Sonnenuntergang malt spektakuläre Farben an den Himmel

Kali statues on the banks of Brahmaputra, Tezpur, Assam (India)

Gruppe von Kali-Statuen am Ufer des Brahmaputra

Brahmaputra river with Kolia Bhomora Setu bridge, Tezpur, Assam (India)

Der Brahmaputra mit der Brücke Kolia Bhomora Setu

Liebe Birgit,  

der Ort Tezpur (auch Sonitpur [sprich: Sonit­pur]) ist nach Meinung seiner Be­wohner eine der schön­sten und histo­rischsten Stätten Indiens; jeder andere weiß es besser. Tat­sächlich hat diese Stadt nur zweimal inter­nationale Schlag­zeilen geschrie­ben: 1959 tauchte hier der Dalai Lama nach seiner Flucht aus Tibet erstmals wieder auf, und 2002 wurde hier der schärfste Chili der Welt gefunden. Ersteres haben hier wohl schon alle vergessen, und zweiteres — ja, darauf komme ich etwas später zu sprechen.

Sehenswürdig­keiten gibt es hier kaum. Das Bett des Brahma­putra ist beein­druckend, auch wenn wegen des Niedrig­wassers im Winter zahl­reiche Sand­bänke aus dem seichten Wasser aufge­taucht sind. Trotz­dem macht der hier drei Kilo­meter breite Fluß einen majestä­tischen Eindruck und wirkt schon fast wie ein See oder gar ein Meer, da das Ufer mit fein­pulvrigem Sand bedeckt ist, der beim Auf­treten staubt wie ein geplatzter Zement­sack. Die Sonnen­untergänge gehören zu den schönsten, die ich in Indien je hatte: Der Himmel erglüht in einem unglaub­lich intensiven Orange, wenn sich die niedrig­stehende Sonne im Brahmaputra spiegelt. Etwas süd­östlich der Stadt führt die Spannbeton­brücke Kolia Bhomora Setu [sprich Kôliā Bhomôrā Setu] in mehr als 20 eleganten Bögen über den Fluß, und dieses in den Achzigern erbaute technische Wunder­werk ist von vielen Punkten in der Stadt gut zu sehen.

Chitralekha Udyan (formerly Cole Garden) in Tezpur, Assam (India)

Der Chitralekha-Garten

Da Porbotia Shilar Toran, near Tezpur, Assam (India)

Das Portal Shilor Toran führt zum nicht mehr vorhandenen Tempel Dah Parbatiya

Agricultural trained elephant, near Tezpur, Assam (India)

Unverhoffte Begegnung auf der Landstraße

Chicken for sale, at Cntral Market in Tezpur, Assam (India)

Diese Hühner haben am Marktbesuch weniger Spaß als ich

Betel nut vendor, Tezpur, Assam (India)

Verkäufer von Betelnüssen

Tea Estate in Dhekiajuli, near Tezpur, Assam (India)

Teegarten nahe Dhekiajuli

Die Zeit zwi­schen zwei Sonnen­unter­gängen kann man sich z. B. mit einem Besuch des Gartens Chitralekha Udyan ver­treiben, einer sehr gepfleg­ten Garten­anlage mit einzelnen achäo­logischen Ausstellungs­stücken. Oder man kann den selbst für Indien unge­wöhnlich atmo­sphäri­schen Markt be­suchen, wo man von geruchs­intensiv dahin­fermentie­renden Betel­nüssen bis zu elektisch beleuch­teten Plastik-Weihnachts­bäumen alles bekommen kann, was das Herz so begehrt. Zuletzt gibt es auch noch ein paar Tempel, darunter die sehens­werte Ruine eines etwa tausend­jährigen Shiva-Tempels namens Dah Parbatiya [sprich: Dā Pôrbôtiā], von dem nur das sehr schöne Portal mit den Reliefs zweier Fluß­göttinnen erhalten ist.

Bereits bei der An­fahrt war mir aufge­fallen, daß sich rund um das etwa 35 km ent­fernte Dorf Dhekia­juli ausge­dehnte Tee­plantagen er­strecken; und das recht­fertigte einen Aus­flug dort­hin. Die Fahrt ging durch die flache assame­sische Land­schaft voller Reis­felder (die gerade beerntet wurden), kleiner Tümpel und Betelnuß­palmen. Unver­hofft trottete dem Bus sogar ein Arbeits­elefant entgegen, wie sie speziell in Assam auch heute noch oft in der Forst­wirtschaft und im Straßen­bau eingesetzt werden. Vor Ort konnte ich dann durch die schattigen Plantagen spazieren, die mich lebhaft an jene nahe Birtamod im nepalischen Terai erinnerten. Die Ähnlich­keiten gehen übrigens noch weiter: Die Bevölkerung Assams zeigt wie die in Südnepal teil­weise indische und teilweise (süd)ost­asiatische Gesichts­züge, und trotz der vollständig flachen Land­schaft reicht der Blick bis zu den schnee­bedeckten Himalaya-Riesen.

Staged duel for Moharam (Muharram), Tezpur, Assam (India)

Moharam-Schaukampf, im Hintergrund die Tajiya

Anders als im Terai leben in Assam aber auch Moslems. Der Zufall wollte es, daß gerade das Moharam-Fest gefeiert wurde, das ich letztes Jahr in Ahmedabad erlebt habe. So prächtig wie dort sind die Umzüge hier zwar nicht, und in der ganzen Stadt scheint es nur eine einzige Tajiya zu gebe; aber dafür wird die Schlacht von Kerbala martialisch nach­gestellt, indem Youngsters in gut choreo­graphierten Schau­kämpfen mit Bambus­stöcken oder stumpfen Metall­klingen aufeinander einschlagen.

Trotzdem: Der wesent­liche Grund, hierher­zukommen, ist natürlich der berühmte Tezpur-Chili oder Naga Jolokia, der hier meist Bhut Jolokia genannt wird. Reichlich unverhofft war mir diese Frucht bereits bei meinem Kurzaufenthalt in Guwahati begegnet, und hier auf dem Markt konnte ich schließlich größere Mengen davon erstehen. Ein Versuch, ein kleines Stück der Frucht­wand zu verkosten, endete jedoch mit einer Total­pleite, und ich braucht wirklich zwanzig Minuten, bis sich Rachen und Magen wieder beruhigt hatten; so etwas ist mir seit vielen, vielen Jahren nicht mehr passiert.

Um zu verstehen, was diesen Chili so besonders macht, ist ein bißchen Hinter­grund­wissen über die Chilies im all­gemeinen und über diese Sorte im spe­ziel­len er­forder­lich. Hier eine kurze Zu­sammen­fassung: Bekannt­lich gibt es fünf ver­schie­dene kulti­vierte Chili-Arten. Eine davon, Capsicum annuum, liefert alle milden oder mittel­scharfen Paprika­sorten und auch die meisten der scharfen Sorten außer­halb Latein­amerikas. Die ver­blei­benden vier Arten findet man über­wiegend in Mittel- und Süd­amerika. Von diesen kuli­narisch am inter­essan­testen ist Capsicum chinense, das trotz seines Namens nicht aus China stammt, sondern ur­sprüng­lich aus Perú; heute ist die Karibik das Haupt­verbreitungs­gebiet, und es gibt auch einige Sorten in Afrika. Diese Art bringt Früchte in Lampion­form mit extremer Schärfe hervor, und die meisten haben auch ein ausge­sprochen edles, blumen­artiges Aroma.

Naga Jolokia Chile (Bhut Jolokia Chili), Tezpur, Assam (India)

Naga Jalakiya vom Markt in Tezpur

Bis zur Jahr­tausend­wende kannte man aus Asien nur sehr wenige Vertreter von C. chinense. Daher war es eine große Über­raschung, als im Jahr 2000 eine indi­sche Forscher­gruppe einen Bericht publi­zierte, wonach in Tezpur eine zuvor un­bekannte Chili­sorte mit extrem scharfen Früchten kulti­viert werde. Anfangs glaubte fast niemand an diese Ge­schichte (und auch ich war sehr skeptisch), aber in den Folge­jahren hat sich diese Be­haup­tung im wesent­lichen bestätigt. Wie man in­zwischen weiß, handelt es sich um einen Hybrid mit über­wiegendem Anteil von C. chinense, und deshalb hat diese Sorte ein paar etwas a­typi­sche Merk­male, die sie von den meisten anderen chinense-Kulti­varen abgrenzen. Die mindere Kom­ponente der Hybridi­sierung ist übrigens C. frutescens, die seltenste der fünf Arten (der scharfe Kanthari-Chili, von dem ich Dir aus Kerala be­richtet habe, gehört hierher).

Inzwischen ist auch bekannt, daß der Naga Jalakiya (und möglicher­weise noch weitere, ähn­liche und bis­lang un­bekannte Sorten) aus den Bergen öst­lich und süd­öst­lich von Assam stammt; einigen obskuren Quellen im Web zufolge ist dieser Chili auch in Bangla­desh ver­breitet, und ich werde jeden­falls ver­suchen, am Ball zu bleiben. Bereits drei Jahre nach der ersten Be­schrei­bung der Sorte war das Saat­gut im Spezial­handel er­hält­lich, und die un­glaub­haft hohen Schärfe­werte konnten un­abhängig bestätigt werde. Manche Züchter haben mittler­weile den Naga Jalakiya mit anderen Sorten gekreuzt und dabei noch schärfere Früchte erhalten.

In Tezpur wird der Chili zwar gehandelt aber offenbar nur wenig verwendet. Auf meine Frage, wozu man ihn ge­brau­chen könnte, meinten die Leute nur Achar, also Pickle. Meine Ver­suche, irgend­wo Pflanzen zu finden, waren leider nicht von Erfolg ge­krönt. Zwar, so sagte man mir, hätten manche Leute speziell in den Dörfern ein paar Pflanzen zum Eigen­gebrauch, aber die kommer­zielle Ware stamme aus Dimapur in Naga­land, wo ich be­kannt­lich nicht hin­reisen darf. Und jetzt im Winter würden die Pflanzen ohne­hin nicht viel tragen.

Indian Food: Non-Veg Thali with Rice in Assam

Thali mit dünnem Dal und mollig–mildem Hühnercurry

Indian Food: Chana Bhatura (puff bread with chickpeas)

Bhatura mit einem Schälchen voll Chana (Kichererbsen)

Das Essen in Tezpur erinnert auch an das Tarai: Es ist nämlich fade, was sich auch sehr mit meiner Erin­nerung aus 1995 deckt: Assam war damals eine einzige Chana-und-Alu-Diät. Man bekommt nicht besonders heraus­ragende Momos, Kicher­erbsen mit Bhatura und ein sehr mildes Thali, das einem nepali­schen Dālbhāt gleicht wie ein Ei dem anderen. Selbst der dazu angebotene Hühner­curry schmeckte fast gleich wie einer, den ich in Janak­pur gegessen hatte, nämlich mehr nach Hühner­fett als nach Gewürzen.

Immerhin er­gibt das eine Gelegen­heit, ein bißchen über Bhatura zu schreiben, ein für Nord­indien recht charak­teristi­sches Brot aus Weizen­mehl, das in meinen bis­herigen Briefen keine Erwäh­nung fand. Es wird oft mit Puri ver­wechselt, weil beide frittiert werden und dabei zu einer typi­schen Ballon­form auf­schwellen, wes­wegen sie auch oft gemeinsam als „Ballon­brot“ bezeichnet werden. Allerdings ist Bhatura meist größer und hat einen leichten Hefe­geschmack, da der Teig Joghurt ent­hält und daher beim Ruhen spontan fer­mentiert (in Europa gibt man besser etwas Hefe zu, da Super­markt-Joghurt meist nicht mehr viel Leben enthält). Die knusprige Hülle umgibt nur heiße Luft, an der man sich beim Essen ganz gewaltig ver­brennen kann, aber trotz­dem sollte man Bhatura rasch ver­zehren, denn beim Ab­kühlen fällt es zu­sammen und verliert seine Knusprig­keit; man hat dann nur noch einen fetten, zähen Lappen vor sich.


Guwahati Shillong

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