Landkarte
Hazaribagh Siehe auch Kathmandu 3, Srirangapatnam und Pokhara 2 Rajshahi

Kolkata কলকাতা (Westbengalen)

Resting Riksha Walla in Kolkata (Calcutta), West Bengal, India

Der Riksha-Wallah rastet.

Streetcar (Tram) in Kolkata (Calcutta), West Bengal, India

Straßenbahn

Colonial Architektur near Esplanade, in Kolkata (Calcutta), West Bengal, India

Koloniale Architektur nahe Esplanade.

Liebe Birgit,

die Haupt­stadt des Bundes­staates West­bengalen heißt Kal­kata [sprich: Kol­kata]; früher wurde das oft englisch als Cal­cutta ge­schrie­ben, aber seit einem guten Jahr­zehnt ist die der Aus­sprache nach­empfun­dene Schrei­bung Kol­kata offi­ziell. Die Stadt hat unter Touristen einen schlech­ten Ruf: Groß, un­bequem, und trotz un­glaub­licher Armut auch noch ziem­lich teuer. Leider tref­fen alle diese Punkte wirk­lich zu; trotz­dem hat Kalkata etwas Faszinierendes.

Um mit dem schlimm­sten Kritik­punkt zu be­gin­nen: Kal­kata ist groß. Of­fiziell leben hier mehr als halbes Crore Inder, aber das werden fast dreimal soviele, wenn man das Um­feld mit­einrech­net. Mit 185 km² ist die Fläche des Stadt­gebietes zwar we­ni­ger als die Hälf­te von Wien, aber das bedeu­tet trotz­dem lange Wege, die man in Un­kennt­nis der vor­hande­nen Infra­struktur nur müh­sam be­wältigt. Zwischen den beiden großen Bahn­höfen Howra (was eigent­lich gar nicht zu Kol­kata ge­hört) und Sealdah liegen satte 4 km Luft­linie, und dazu kommen noch einige klei­nere Sta­tionen. Auch die Bus­bahnhöfe sind über die halbe Stadt verteilt. Da­gegen gibt es nur ein einziges Tra­veller-Ghetto, nämlich im nostal­gischen aber herunter­gekommen Kolonial­viertel Chowringhee; dort kon­zentriert sich alles auf die winzige Sudder Street, wo man in hundert­fünfzig Jahre alten Ko­lonial­bauten auf ähnlich alte Kaker­laken und Besen­kammern mit dem Preis von Hotel­zimmern trifft.

Anderer­seits gibt es auch Plus­punkte. Kal­kata war etwa seit 1772 der Sitz der briti­schen Ost­indien-Gesell­schaft und später bis 1911 die Haupt­stadt von Britisch-Indien. Daher sieht man eine ganze Menge kolo­nialer Archi­tektur, als eine Art „Museum für Ver­falls­stadien“, und für je­manden wie mich, der geschichts­trächtige Wurm­stichg­keit einer glänzenden, neu­modi­schen Ge­leckt­heit vor­zieht, ist das alte Europäer­viertel Chowringhee eine rich­tige Staun­oase. Auch die Straßen­bahn, wahr­schein­lich die einzige in tau­senden Kilo­metern Um­kreis, sollte er­wähnt werden; die Wagen sehen alle so aus, also ob sie noch in der Raj gebaut wurden. Kalkata hat übrigens auch eine U-Bahn; diese Metro war lange die einzige im indischen Sub­konti­nent und damit das modernste inner­städtische Verkehrs­mittel. Trotz­dem findet man hier auch das archaischste aller Fort­bewegungs­mittel, die von einem Menschen ge­zogene Riksha. Seit Jahren streiten die Politiker, ob diese un­würdige Praxis nicht besser auf­gegeben werden sollte, aber niemand weiß, wie die vielen Riksha-Wallahs dann ihr Roti verdienen sollen.

Shiva and various Godesses in a Pendal during Diwali festival in Kolkata (Calcutta), West Bengal, India

Shiva und verschiedene Göttinen in einem Pandal

Idol of Hindu Goddess Kali in Kolkata (Calcutta), West Bengal, India

Kali, die beliebteste Göttin der Bengalen

Zuletzt sind die Bengalen selbst ein er­staun­licher Men­schen­schlag: Höf­lich und eine ganze Menge zurück­halten­der als andere Inder, aber zu­gleich sehr ge­bildet, inter­essiert und deut­lich ziel­orientier. Auf die vielen erfolg­reichen und welt­berühm­ten Bengalen ist man sehr stolz, wobei der Physiker Satyendra Nath Bose (sprich: Shottendronath Boshu, Physik, Stich­wort „Bose–Einstein-Kondensat“) und Rabindra­nath Tagore (sprich: Robindra­nath Takur, Litera­tur, Stich­wort „Goldenes Bengalen“) nur zwei heraus­ragende Beispiele sind.

Eigentlich bin ich ja nur hier­her­gekommen, um mein Visum für Bangla­desh zu be­antragen (das ist bereits der zweite An­lauf, ein­mal ist es mir ja bereits miß­lungen), und war von der Aus­sicht auf ein paar Tage gräß­licher Groß­stadt gar nicht ent­zückt. Ich be­zog also mein Quar­tier in der Sudder Street und er­kundete gleich einmal den Weg zur Bot­schaft — die ist gar nicht so weit weg und bequem mit der Straßen­bahn oder einer Sammel-Motor­riksha zu er­rei­chen. Die Proze­dur um­faßt ein Inter­view mit einem Bot­schafts­angestell­ten, zu dem alle Aus­länder geladen waren, die am selben Tag ihr Visum be­antragt hatten. Ich war mehr als er­staunt, daß nur fünf Personen er­schienen. Offen­bar ist Bangla­desh touris­tisch ein ex­tremes Ent­wick­lungs­land, selbst der Inter­view­führer meinte, daß das Land eben kein Taj Mahal habe, und wun­der­te sich darüber, daß ich drei Monate be­willigt haben wollte; letzt­lich bekam ich zwei.

Oil lamp for Diwali Hindu festival in Kolkata (Calcutta), West Bengal, India

Zu Diwali sieht man nur wenige Öllampen

Coconut with auspiciuos Swastika in Kolkata (Calcutta), West Bengal, India

Kokosnuß mit glückverheißendem Symbol

Wie es der Zufall will, geriet ich hier wieder einmal in ein Fest (des­halb dauerte das Visum auch länger als üb­lich). Den herbst­lichen Doppel­schlag aus Dussehra und Diwali habe ich ja schon zwei­mal er­lebt: Erst in Nepal (hier und hier) und später noch­mals in Karnataka (hier und hier). Nach dem schril­len Fest in Rajgir vor ein paar Wochen ging es also noch­ein­mal zur Sache, wobei (wir sind ja in Bengalen) das Schwer­gewicht des „Lichter­festes“ auf der Göttin Kali liegt.

Divali ist zwar ein of­fi­ziel­ler Feier­tag, aber trotz­dem blei­ben die Ge­schäfte (anders als Bot­schaften) ganz­tägig ge­öffnet; es gehört zum Brauch, daß man auch in Geschäfts­räumen eine kleine Puja zelebriert. Gegen Abend ver­wandelt sich die Stadt dann in ein Lichter­meer, aller­dings nicht mit alter­tüm­lichen Öl­lampen wie in Kath­mandu, sondern mit modernen Halb­leiter­produkten in allen Farben, die die Band­struktur so hergibt. Außer­dem werden überall in der Stadt stoff­bespannte Gerüste (Pendal) auf­gestellt, unter denen knallig gefärbte Statuen von Kali und anderen Damen sich der öffent­lichen Verehrung stellen.

Rakshasi (Demoness) during Diwali Hindu festival in Kolkata (Calcutta), West Bengal, India

Eine fleischfressene Rakshasi

Rakshasi (female Demon) during Diwali Hindu festival in Kolkata (Calcutta), West Bengal, India

Zwei Rakshasis vor einem Kali-Schrein

Vor vielen klei­nen Schrei­nen, die alle mit bunten Lich­tern und Blumen­girlan­den ge­schmückt waren, konnte man auch gro­teske Figuren von Frauen sehen, die große Stücke rohes Menschen­fleisch ver­zehren. Da­bei han­delt es sich natür­lich um Dä­mo­nin­nen, die, wie ich vermute, von Kali in Schach ge­halten werden sollen. Manche dieser Rakshasis wirken mit ihren grell be­leuch­teten Augen wie aus einer morbiden Geister­bahn geklaut. In der Nacht beginnt dann eine Orgie an Pyro­technik, aller­dings haben mir einige Touristen gesagt, daß sie es aus Delhi impres­siver kennen; hier toben sich einfach nur die Kinder auf der Straße aus, und es kommt zu keinem organisierten Geballer.

Indian Mughal Food: Tikia (meat balls)

Tikiya

Roadside Tourist Inn in Kolkatta, West Bengal, India

Touristen-„Restaurant“ am Gehsteig

Was man in Kol­kata essen kann, muß ich bis zu einem ge­wis­sen Grad of­fen las­sen; ich habe mei­stens in der Um­ge­bung der Sudder Street ge­speist, wo man ganz gute „chi­ne­sische“ Speisen wie ge­bra­tenen Reis mit Hühner­stücken oder mugulische Fleisch­gerichte bekommt; besonders die Fleisch­bällchen Tikiya mit muslim­typisch zarter Würzung hinter­ließen einen guten Eindruck. Tee war aller­dings schwierig zu be­kommen, und da sprang dann eine winzige Touri-Kneipe mit verleih­baren Metalltopf ein.

Eigentlich trifft es „Touri-Kneipe“ nicht so richtig; wie soll man ein Lokal be­nen­nen, das exakt ke­ine Bau­lich­keit auf­weist? Das Tirupati Multi Asia Restau­rant be­steht näm­lich nur aus einem Platz am Geh­steig; früh­morgens werden Ofen und Koch­geschirr an­ge­schleppt und an der Haus­wand auf­ge­baut, und die Klientel nimmt auf Stein­bänken am Straßen­rand Platz. Dabei ist das Essen nicht schlecht, und der gebratene Reis mit koreani­schem Kimchi schmeckte sogar richtig gut. Diese Art von „Mikro-Unter­nehmer­tum“ findet man zwar überall in Indien, aber im kreativen Bengalen natür­lich besonders häufig.

Indian / Bengali Food: Chutney from syrup with Panch Phoron spice mix

Chutney mit Panch-Phoron-Gewürzen

Indian / Bengali Food: Aloo Posto (potatoes in a poppy gravy)

Alu Posto

Indian / Bengali Food: Puri with Nigella seeds and potato curry

Puri mit Nigella-Samen

Trotzdem bin ich einige Male zu echt bengali­scher Kost ge­kommen; beson­ders be­merkens­wert fand ich einen win­zi­gen Laden nahe der Bot­schaft, wo man zwar nur ganz simples Es­sen (das frit­tier­te Brot Puri oder eine mit dickem Linsen­brei ge­füll­te Teig­tasche namens Kachauri, dazu einen Kar­toffel­curry) be­kommt; aber zur ge­schmack­lichen Auf­wertung gibt es ein selbst­gemachtes Chutney, das zucker­süß und husten­bonbon­artig aber an­genehm nach Fenchel und indi­schem Lorbeer­blatt schmeckte. Das Puri bot auch eine aro­mati­sche Besonder­heit, nämlich Nigella­samen, die in den Teig ein­gearbeitet waren. Nigella, bei uns auch oft als „Schwarz­kümmel“ bekannt, ist zwar in jedem indi­schen Koch­buch zu finden, die indi­sche Realität hat es mir bisher aber nur in der öst­lichen Hälfte Nord­indiens und Nepals serviert.

Dasselbe gilt übri­gens auch für den Mohn, und so er­griff ich die Ge­legen­heit, einen sehr milden bengali­schen Kar­toffel­curry namens Alu Posto zu ver­speisen; der aromatische Fokus lag dabei ganz auf einer dicken Sauce aus weißen Mohn­samen. Das alles macht durch­aus Appetit auf Bangla­desh, und ich hoffe, daß ich Dir nächste Woche noch mehr bengali­sche Duft­noten servieren kann — dann aber aus dem Land, in das pro Tag nur fünf Touristen reisen.


Hazaribagh Rajshahi

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