Landkarte
Puducherry Kotagiri

Madurai மதுரை (Tamil Nadu)

Lightning at the Meenakshi Amman temple in Madurai, Tamil Nadu (India)

Gewitter über dem Minatchimman Koyil in Madurai

Decoration in Northern Gopuram of Meenakshi Amman temple in Madurai, Tamil Nadu (India)

Detail aus der Verzierung des nördlichen Gopurams

Gopram of Meenakshi Amman temple in Madurai, Tamil Nadu (India)

Die bunten Tempeltürme des Meenaksi-Tempels

Liebe Birgit,

heute melde ich mich aus dem kultu­rellen Zentrum von Tamil Nadu: Die Stadt Madurai ist eng verknüpft mit der so­genannten Sangam-Literatur, der ältesten süd­indischen Literatur über­haupt. Der Legende zufolge gehen die Sangam-Dichterer­schulen mehrere tausend Jahre zurück, und wenn auch max. 2300 Jahre realisti­scher sein dürften, so ist das doch für Indien ein sehr ehr­würdiges Alter. Die Sangam-Texte wurden erst im 19. Jahr­hundert wieder­entdeckt und handeln aus­schließlich von weltlichen Dingen; sie sind in einem alter­tümlichen Tamilisch abgefaßt, aber auch für heute lebende Tamilen noch ganz gut verständlich. Diese ganz eigen­ständige Literatur­gattung begründet die Bezeichnung „klassische Sprache der indischen Literatur“ für das Tamilische.

Du wirst es kaum anders er­war­tet haben: Auch hier gibt es natür­lich einen be­rühm­ten Tem­pel, und zwar den Minatchi­amman Koyil (oft auch Mee­nakshi ge­schrie­ben). Er steht mitten in einem leb­haften Markt­viertel, und seine vier um die 60 m hohen Ein­gangs­türme be­stim­men die Skyline von Madurai. Sie wurden erst im letzten Jahr fer­tig re­no­viert und dabei so knall­bunt angemalt, so daß sie eigent­lich ameri­kani­scher als Mickey Mouse und Donald Duck zu­sam­men wirken; aber dieses kitschige poly­chrome Wunder ent­spricht wirklich dem histori­schen Original.

Inside hall in the Meenakshi temple in Madurai, Tamil Nadu (India)

Halle im Minatchi-Tempel

Sacred temple elephant in Madurai, Tamil Nadu (India)

Tempelelefant

Nandi (bull) statue in the Meenakshi temple in Madurai, Tamil Nadu (India)

Nandi-Statue

Einige wei­tere kleinere Gopurams zieren die ver­schie­denen Neben­räume, und auch ihre Farben­pracht ist über­wälti­gend, wenn man erst einmal einen schönen Aus­sichts­punkt ge­fun­den hat. Einige Souvenir­läden in Tempel­nähe haben perfekt gelegene Dach­terrassen und schicken ihre Schlepper mit “Best view, sir!” und ähn­lichen Sprüchen auf die Straße. Für die paar Minuten auf der Aussichts­plattform bezahlt man aber teuer, oder ver­plempert min­destens eine halbe Stunde mit der Besichti­gung von Sandel­holz­statuen aus Mysore, Gold­ringen aus Rajasthan, Miniatur­malereien aus Kashmir, tribal art aus Orissa, und was es eben in diesem riesigen Land noch für Kunst­handwerk gibt. Am Ende hat man dann einen fast weinenden Verkäufer vor sich, der erklärt, sein Boss würde ihn rauswerfen, wenn er heute nicht noch schnell etwas verkaufe — die Schamgrenze bei diesen Kerlen ist selbst mit dem Teleskop nicht auszumachen.

Einzig­artiger­weise hat der Minatchi-Tem­pel zwei Sancta, eines für Shiva und eines für seine Frau Parvati, die beide von einem ver­golde­ten Turm (Viman) ge­krönt werden. All­abend­lich besucht der Herr die Dame, das heißt, das Kult­bild Shivas wird in einer Pro­zession in das Sanctum der Parvati trans­portiert, damit die beiden ihren ehe­lichen Pflichten nach­kommen können. Touristen dürfen zwar nicht ins Sanctum, aber der Tempel ist groß genug, daß keine Lang­weile aufkommt; auf seinem Ge­lände findet man nicht nur einen Lotus­teich, viele kleine Altäre, mehrere Hallen und Innen­höfe, sondern auch eine große Halle mit dem Tempel­elefanten, der mit seinem mächtigen Rüssel Segen spendet. Die Be­zahlung dazu saugt er bizarrer­weise mit dem Rüssel auf und schneuzt sie dann seinem Mahout in die donation box.

Stambha in Meenakshi Amman temple, Madurai, Tamil Nadu (South India)

Der Tempel bietet viele herrliche Anblicke

Elephant/cow bistable ambiguous picture at Meenakshi Amman temple, Madurai, Tamil Nadu (India)

Was siehst Du: Elefant oder Kuh?

Im Tempel ist die Atmo­sphäre sehr fried­lich. An­geb­lich be­suchen ihn pro Tag um die 10000 Menschen, die dann ganz ge­müt­lich um den Lotus-Teich herum­sitzen, religiöse Souvenirs von den im Tempel an­sässigen Händlern kaufen, Parvati ein Räucher­stäbchen zu Füßen stecken oder einer Ganesha-Statue einen Kranz duftender Jasmin­blüten um den Hals wickeln. Manche scheinen sich auch nur zum Plaudern zu treffen.

Leider darf man diesen Tempel nicht einmal mit Socken betreten, sondern muß wirk­lich bar­fuß gehen — ein ziem­licher Horror für mich, denn nicht zu­letzt wegen der vielen Tauben ist es nicht wirklich sehr sauber. Ich leistete mir den Luxus eines Führers, der mir schließ­lich diskret nahe­legte, hinter dem kon­trol­lierten Eingangs­bereich heim­lich wieder die Socken anzulegen.

Das Wetter schlägt nun langsam Richtung Monsun um, einmal gab es sogar ein nächtliches Gewitter. Von meinem Hotelzimmer mit Tempelblick konnte ich den von Blitzen umtosten Tempel gut sehen — sonst bin ich auf das Hotel aber nicht so gut zu sprechen, denn mein Bett erwies sich als eine Art Verkehrs­hindernis für die Ameisen­straße, die quer darüber verläuft. Die Biester bauen sich ihre Verkehrs­wege ständig um, und jeden Morgen werde ich dann wieder von ein paar hundert Stück bekrabbelt. Naja, irgendwie sind sie mir doch sympathischer als die Kakerlaken von Vizag, und Eßbares habe ich ohnehin nicht dabei.

Tamil vegetable meal, Madurai, Tamil Nadu (India)

Ein vegetarisches meals

Stichwort „Eß­bares“: Lang­sam heißt es, Ab­schied von der tamili­schen Küche zu nehmen. Ich habe Dir ja schon einiges be­schrieben von all den Köst­lich­keiten, die sich auf mein Bananen­blatt verirrten; heute mache ich das Maß voll mit den Butter­milch­curries. Butter­milch schmeckt sauerer als Joghurt und drückt den Curries eine ganz erkenn­bare Note auf, da ihre Säure sich von der tamarinden­gewürzter Curries ganz erheblich unter­scheidet. Gemacht wird das ganz einfach: Nachdem man Gewürze, Gemüse etc. in der heißen Pfanne kurz angeschmort hat, gießt man mit Butter­milch auf. Es gibt auch dick­flüssigen Linsen­brei mit Buttermilch­geschmack, und das ist eine erfreulich Abwechslung im Einerlei der Dal-Speisen.

Diese Buttermilch ist übrigens nicht das dick­flüssige, klumpige Ding, daß man früher tetrapack­weise im Supermarkt bekam, sondern ein dünn­flüssges, halb durchsichtiges bis opales­zierendes Produkt, das eher an reine Molke erinnert. In purer Form bekommt man die Buttermilch nicht nur als Erfrischungs­getränk, sondern sie wird auch oft zu den meals gereicht, wobei mir nicht klar ist, ob man sie trinken oder über den Reis schütten soll. Meist entscheide ich mich für ersteres, und das schmeckt sehr gut, besonders, wenn noch ein Curry­blatt oder ein bißchen Koriandergrün darin versteckt sind.

Coffee wallah (coffee vendor) cooling his drink in Madurai, Tamil Nadu (India)

Kaffeeverkäufer

Cow milking in Madurai, Tamil Nadu (India)

Hier kommt die Milch fúr den Kaffee her

Nach dem Es­sen trinkt man in Madurai, so wie über­haupt in ganz Süd­indien, am besten einen Kaffee. Die Kaffee­zuberei­tung erfolgt überall nach dem­selben System: Kaffee­pulver, Milch und Zucker werden gemeinsam gekocht, danach ab­filtriert und ser­viert. In einer Eingangs­nische zum Minatchi-Amman-Tempel hat ein Coffee-Wallah seinen Stand, der aus dem Kaffee­verkauf ein ziem­liches Spektakel macht: Ziel­sicher gießt er den Kaffee aus großer Höhe in ein Glas, so daß er mit etwas Schaum und vor allem genau auf Trink­temperatur ab­gekühlt beim Kunden ankommt.

Nach so vielen Orten im Flachen zieht es mich für nächste Woche dann in die Nilgiri-Berge.

P.S.: Beim Stich­wort „Butter­milch“ hätte ich eigentlich auch über den Buttermilch­chili schreiben sollen; dieses Versehen wird in Tiru­chira­ppalli nachgeholt.


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