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National Highway 1A (Jammu & Kashmir) |

Die Gebirgslandschaft ist recht reizvoll

“Be careful on my curves” © BRO
der National Highway 1A führt von Srinagar über Jammu weiter in den Punjab. Der Abschnitt zwischen Srinagar und Jammu ist aus drei Gründen so interessant, daß ich ihm einen eigenen Brief widme: Erstens bietet er beträchtliche landschaftliche Schönheit, zweitens hohen Unterhaltungswert und drittens kann man ein ganz spezielles Gewürz bestaunen. Ach ja, zu essen gibt es auch etwas. Aber nun alles der Reihe nach.
Zwischen Jammu und Srinagar verkehren reguläre Busse der staatlichen Busgesellschaft JKRTC (

“Life is short – don’t make it shorter!” © BRO
Das mit dem Unfall ist keine hypothetisches Gedankenspiel, sondern eine ganz handfeste, realistische Option. Alle paar Kilometer sieht man ein mehr oder minder ramponiertes Fahrzeug, das bestimmt noch nicht lange dort liegt, und auch die vielen abstrakten Gemälde am Straßenbelag, die einmal sehr lebendige Hunde oder Affen gewesen sind, geben zu denken. Solange sie leben, sind die Affen übrigens richtige Truckspotter, die den ganzen Tag im Familienverband am Straßenrand herumlungern und offenbar die vorbeirauschenden Fahrzeuge zählen, wenn sie nicht gerade ein possierliches (und ziemlich ablenkendes) Affentheater aufführen.
Die BRO (Border Roads Organization), die für Ausbau und Instandhaltung der militärisch wichtigen Straßen im Grenzgebiet zuständig ist, fühlt sich offenbar auch der Verkehrssicherheit verpflichtet und hat ihre eigene Methode, auf das Fahrverhalten der Kamikaze- äh, Truckfahrer einzuwirken: In kurzen Abständen pinselt sie gelbe Warnungen an die Felswände oder stellt Schilder auf, deren eindringliche Warnungen zwecks Mnemotechnik in Form von Wortspielen oder Knittelversen verfaßt sind: “Drinking whisky — driving risky” (könnte man auch in Österreich aufstellen, eventuell als „Zuviel Wein endet das Sein“), “Driving is a pleasure with leisure” oder “This is the valley not a ralley” blieben mir versbedingt in Erinnerung, während Freunde von Alliterationen mit “Always alert, avoid accident” bedient werden und “Life is a journey — complete it” eher wie ein fernöstlicher Weisheitsspruch aus dem Munde des Konfuzius wirkt. Mein Spitzenreiter war aber “Better Mr. Late than a late Mr”. Ob das wirklich der Konzentration dienen kann oder nur das Zwerchfell unnötig belastet?

Der hilfreiche Dr. Bengali

Im Jawahar-Tunnel
Wenn ich schon beim Thema „propagandistische Straßendekoration“ bin, dann muß ich Dir auch Dr. Bengali vorstellen. Persönlich habe ich ihn zwar nie kennengelernt, aber die Werbung für diesen (vermute ich) tonischen Stärkungstrank findet man überall im
Abgesehen von der Dekoration gibt die Straße aber auch landschaftlich durchaus etwas her. Das Pir-Panjal-Gebirge, das das Srinagar-
Eine unzeitige Granatapfelfrucht
Aufgeschnittener Granatapfel
Reichlich mumifizierter Granatapfel
Als ich die Strecke im Jänner zurückgelegt hatte, war mir sonst nichts Besonderes aufgefallen; manchmal bin ich eben doch ein blindes Huhn. Diesmal sah ich in der Nähe von km 130 (gemessen von Jammu) ein paar Granatapfelsträucher stehen, noch ehe das Schild “You are passing the famous anardana plantations” vorbeihuschte. Und dann war mir plötzlich klar, daß offenbar hier eines der am wenigsten bekannten Gewürze Nordindiens herkommt: Getrocknete Granatapfelsamen, die in einer Handvoll nordindischer Rezepte als Quelle von Säure dienen. Gestern besuchte ich diese Pflanzungen auf einem langen Eintagesausflug von Jammu aus nochmals, und zwar etwas hinter der Ortschaft Kulgam bei km 82, wo (wie ich auf Fahrt nach Jammu bemerkt hatte) die letzten Sträucher stehen.
Der Zeitpunkt ist natürlich sehr ungünstig: Die Ernte liegt ca. 2 Monate zurück, und folglich machen die Sträucher einen von Früchten, Blättern und guten Geistern eher verlassenen Eindruck. Manche tragen aber auch noch ein paar Früchte, die meist vom Schimmel gekennzeichnet sind, und gelegentlich trifft man sogar noch auf eine fast frische Frucht, offenbar einen Nachzügler. Obwohl die meisten Sträucher mittlerweile alle Blätter abgeworfen haben, tragen ein paar gelbes, verwelktes Laub, und einige stehen auch noch im satten Grün da. Offenbar ist die ganze Population genetisch ziemlich uneinheitlich, das merkt man auch an der variablen Fruchtgröße und an den unterschiedlich langen Dornen (aber waffenlos wie die Kultursorten ist keiner).
Das Shalimar Muslim Hotel in Kulgam ist nur wenig größer als das Schild, das es bewirbt!
Die meist nicht mehr als
Die Straße ist gesäumt mit kleinen Imbißbuden, sie sich häufig bescheiden Vaishno Dhaba, häufig aber auch (für Nicht-Inder überraschend) auf Englisch Hotel nennen; diese Buden leben alle vom Durchzugsverkehr, denn jeder Bus von Srinagar nach Jammu muß irgendwann einmal Station machen, und oft tun es auch solche mit kürzerer Fahrzeit. Die Speisen sind einfach aber in aller Regel gut; Hülsenfrüchte schmecken mir hier ganz besonders, für die ist ja der Nordwesten besonders berühmt (das ist aber einen eigenen Brief wert). Auf der letzten Fahrt hatte ich zuerst nicht verstanden, warum der Busfahrer sich mit Verschwörermiene zu mir an den Tisch gesetzt hatte und mir unbedingt noch ein (sehr gutes) Gericht mit der roten Rajma-Bohne aufschwatzte. Alles wurde dann beim Bezahlen klar: Der Chauffeur und alle bei ihm am Tisch essen nämlich gratis. Herzlichen Dank auf diesem Wege!
Hier wird der Maisgrieß geröstet
Das Maisbrot Makki Roti
Eine typisch kashmirische Spezialität, die man besonders in den allereinfachsten Imbißbuden finden kann, ist der Salztee, nun chay. Er wird aus Salz (manchmal auch Soda), Schwarztee und Milch im wesentlichen wie indischer Milchtee gekocht. Manchmal sieht man auch auch kräftige Fettaugen an der Oberfläche, aber Butter wie bei der tibetischen Version konnte ich eigentlich nie herausschmecken. In dem salzigen Milieu scheint die Milch nicht ganz stabil zu sein, jedenfalls ist der Tee immer voller dunkelbrauner Flocken aus geronnenem Milcheiweiß.
Die Kashmiri trinken diesen Tee als eine Art starkes Frühstück, oder auch zwischendurch als Snack, und zwar meistens zusammen mit einem Brot namens Makki Roti, das aus einer Mischung von Weizenmehl und geröstetem Maisgrieß (Satu) geformt und anschließend frittiert wird.
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