Landkarte
Kohima 2 Siehe auch Rangamati Imphal 2

Imphal ইম্ফাল/ꯏꯝꯐꯥꯜ (Manipur)

Gate to Kangla Palace in Imphal, Manipur, North-East India

Eingangstor zum Kangla-Palast

Shahid Minar Monument in Imphal, Manipur, North-East India

Das Denkmal Shahid Minar ehrt von den Briten getötete Märtyrer und wurde von derselben Regierung errichtet, die zeitgenössische Freiheitskämpfer militärisch bekämpfte

Kangla-Sha animal at Kang-La Palce, in Imphal, Manipur, North-East India

Das mythische Tier Kangla-Sha am Palastgelände

Liebe Birgit,

jetzt bin ich im „Juwelen­land“ Mani­pur, ge­nauer in des­sen Haupt­stadt Imphal. Wegen der gerin­geren Höhe von ca. 800 m ist es deutlich wärmer als im eisi­gen Kohima, aber auch in anderer Hin­sicht macht die Stadt einen viel indi­scheren Ein­druck als die ver­schla­fene Naga-Metro­pole: Imphal hat immer­hin 2 Lakh Ein­wohner und ist eine geschäf­tige und verkehrs­verseuch­te Markt­stadt. Ihre Bewoh­ner rekru­tieren sich vor allem aus dem Stamm der Meithei, die sprach­lich entfernt mit den Nagas verwandt sind, die aber schon seit zwei Jahr­tausenden in Indien leben und den hinduistischen Glauben angenommen haben; sie gehören der Vaishnava-Sekte an, und deshalb findet man in der Stadt mehrere Krishna-Tempel (davon dann das nächste Mal). Das Palast­gelände erinnert an die Zeit des un­ab­hängigen Fürsten­staates Manipur, der mit der Bildung der Indischen Union ein eher gewalt­sames Ende fand; es be­eindruckt nur mäßig (einen eigentlichen Palast gibt es gar nicht).

Die Sprache der Meitei heißt Meitei-Lon oder offi­ziell Mani­puri, was gegen­über den anderen Eth­nien des Staates ein biß­chen un­fair ist. Seit ein­einhalb Jahr­hunderten wird sie fast aus­schließlich in bengali­scher Schrift geschrieben, aber in den letzten Jahren erfährt das histori­sche Meitei-Mayek-Alphabet ein rasantes Revival: Die meisten Geschäfts­schilder in Imphal sind mit den „neuen“ (in Wahrheit alten) Schrift­zeichen bemalt, obwohl nur Schul­kinder damit wirk­lich ver­traut sind. Die Schrift fällt weit aus dem üblichen indischen Rahmen, und ich erlerne sie, indem ich bewaffnet mit einer Tabelle durch die Stadt spaziere und im Stil von Champollion zweisprachige Schilder analysiere, sehr zum Amüsement der Manipuri. Wenn Du die Zeichen am Computer sehen willst, dann mußt Du Dir wohl erst einen Font herunterladen.

Friendly market woman at „Mother Market“ Ima Keithel in Imphal, Manipur, North-East India

… humorvolle Marktfrauen, …

Foodstall at „Women Market“ Ima Keithel in Imphal, Manipur, North-East India

… und essen kann man auch.

Culinary herbs at „Mother Market“ Ima Keithel in Imphal, Manipur, North-East India

Am Frauenmarkt Ima Keithel gibt es Kräuter, …

Die wesen­tliche Sehens­würdigkeit ist jedoch der Markt. Imphal hat mehrere Märkte, eigen­tlich ganze Markt­viertel. Der größte davon ist der Kwairam­band Nupi Keithel, in dessen Zentrum als An­samm­lung von über­dachten Ständen der große „Mütter­markt“ Ima Keithel thront; wie der Name bereits aus­sagt, gehen hier aus­schließ­lich Frauen dem Gewerbe nach. Man findet dort neben Textilien und anderem Zeug vor allem Lebens­mitttel aller Art: Frisches Gemüse, haus­gemachte ein­gelegte Bambus­sprossen, Betel­nüsse, die größte Auswahl von fer­mentiertem Fisch, die mir je be­geg­net ist, und natürlich auch den „Königs­chili“, den es hier sogar in einer schokolade­braunen Variante gibt. Vor allem aber bietet der Markt eine ganz unindische Auswahl an frischen Kräutern, die mich an ähnliche Erlebnisse in Georgien und Vietnam erinnert.

Die indischen Küchen nutzen frische Kräuter recht wenig, und ge­trock­nete ei­gent­lich gar nicht. Koriander­kraut ist zwar weit­verbrei­tet, und regio­nal gibt es auch einmal Minze, aber damit hat sich das Thema eigent­lich bereits er­ledigt. Nicht so in Imphal: Selbst jetzt, im Winter, kann man die exotisch­sten Kräuter be­schnup­pern und sich von den stets gut­gelaun­ten Markt­frauen für die Neu­gierde aus­lachen lassen: Dill kannte ich zwar schon aus Karnataka, aber chinesischen Schnitt­knoblauch, Kresse und ein ziemlich italie­nisch duften­des Basilikum habe ich in Indien noch nie gesehen, und dazu fand ich sogar zwei weitere Kräuter, die mir zuvor nur im Zusammen­hang mit Südost­asien be­geg­net waren: Langer Koriander und sogar viet­namesi­scher Koriander. Selbst das eigen­willig riechende Chamäleon­blatt war vertreten, aller­dings gab es jahreszeit­lich bedingt kaum Blätter, sondern nur den dünnen, zu einem wirren Nest verknoteten Wurzelstock.

Houttuynia cordata (chameleon herb, vap/giap ca) and Polygonum odoratum / Persicaria odorata (Vietnamese coiander, rau ram) at „Women Market“ Ima Keithel in Imphal, Manipur, North-East India

Wurzelstock und herzförmiges Blatt der Chamäleon­pflanze (Tu-ning-kok); rechts oben Blatt von Vietnamesischem Koriander (Phakpai)

Capsicum chinense cf. Nagahari: Umorok (King's Chili, Naga Jolokia) in a chocolate-brown variant, at „Mother Market“ Ima Keithel in Imphal, Manipur, North-East India

Schokoladebraune Variante vom „Königschili“ (Umorok bzw. Naga Jolokia)

Ein paar Bemer­kun­gen zu den bei­den exoti­schen Koriander­arten: Viet­namesi­scher Koriander ist eine Knöterich­art mit herbem Koriander­aroma und in Südost­asien heimisch. Richtig viel verwendet wird er eigentlich nur in Vietnam und Singa­pore. Etwas anders steht es um den Langen Koriander, der zwar aus der Karibik stammt, den ich aber schon einige Male in Indien gesehen habe: Wild­wachsend in Sri Lanka und als Heil­pflanze kultiviert in Kerala, dazu einmal in einem Haus­garten in Nepal; gegessen wurde er offenbar nur im letzteren Fall. Auch in Naga­land habe ich die Pflanze einige Male gesehen, aber nun finde ich sie zum ersten Mal auf dem Markt; serviert wurde sie unter anderem als Pakora, also in Besan-Teig getaucht und frittiert.

Innerhalb Indiens gilt die Mani­puri-Küche als eine heraus­ragende Kurio­sität; glaubt man dem Inter­net und seinen Food Blogs, dann könnte man mei­nen, daß ur­bane Inder selbst im weit ent­fern­ten Delhi davon schwär­men, aber in der Praxis habe ich keine Manipuri-Restau­rants westlich von Guwahati gesehen. Und wenn man den eigen­willigen Charakter dieser Küche berück­sichtigt, dann fällt es wirk­lich schwer, sich vorzu­stellen, sie könnte jemals im indischen Main­stream Fuß fassen, und selbst bezüglich Europas habe ich so meine Zweifel.

Ngari Fermented fish at „Woman Market“ Ima Keithel in Imphal, Manipur, North-East India

Diese Art von fermentiertem Fisch (Ngari) braucht man für Iromba

Dried fish at „Women Market“ Ima Keithel in Imphal, Manipur, North-East India

Getrocknete Fische

Viel mehr noch als die Khasi- oder Naga-Küche lebt das Meitei-Essen von fer­men­tiertem Fisch; meiner Meinung nach schlägt es in dieser Hin­sicht sogar die fischig­sten Thai-Gerichte. Am Ima Keithel kann man eine unglaub­liche Palette an ge­trock­neten und durch langsame Fer­men­tation in großen Ton­krügen gereiften Fischen beriechen, und das Geruchs­spektrum kann sich qualitativ und quantitativ durchaus mit den Düften der extremsten Käse­sorten Europas messen: Alle olfak­torischen Noten zwischen dumpf–verrottet und stechend–ammoniaka­lisch sind mehr­fach vertreten, und im Restau­rant stellt man dann verwundert fest, daß jede Speise mit einem speziellen, un­ver­wechsel­baren Fisch­aroma gewürzt ist. Allen gemeinsam ist nur die betäubende Stärke, die oft durch Kräuter ein wenig aus­balanciert wird.

Indian / Manipuri food: Fried potatoes, soupy sish curry and Iromba (fermented fish curry)

Manipuri Thali: Links gebratene Kartoffeln, unten Iromba, rechts sehr flüssiger Fischcurry

Indian / Manipuri food: Kang-soi (boiled mustard green) and Ooty/Uti (pea dal)

Kangsoi und Ooty

Und so fin­det man dann ne­ben in indi­scher Tradi­tion aromati­sierten Fisch­curries oder frit­tierten Fisch­scheiben, die auch gut nach West­bengalen (oder, im letz­teren Fall, nach Ham­burg) gepaßt hätten, die ganz spezi­ellen Signatur­gerichte Manipurs: Zum Beispiel Iromba, ein Gemüse­curry von der ge­schmack­lichen Inten­sität einer Würz­sauce. Es besteht aus Erbsen, Kartof­feln oder anderen Knollen, etwas Bambus und hoch­fermentierten Fischen (Ngari), die schon fast spontan zu einer Paste zerfallen. Als geschmack­liches Gegen­gewicht dienen eine Art Dal namens Uti oder Ooty mit erdigem Geschmack (es wird angeblich mit Soda gekocht) und Kangsoi, das sind einfach mit ein paar winzigen Trocken­fischen und Salz in Wasser gekochte Senfkohl­blätter. Diese mani­purische Form von Thali wird etwas ver­störender­weise fast immer kalt serviert.

Indian / Manipuri food: Koukha Bora Pakora (fried arrowhead tubers) with Long Coriander and mustard paste chutney

Koukha mit Senf und Langem Koriander

Indian / Manipuri food: Shing-jou (raw salad with lotos root)

Singju mit Lotuswurzel

Auch bei den Snacks am Straßen­rand hat Imphal viel Lokal­kolorit zu bieten. Am besten schmeckte mir Singju, das ist rohes Gemüse mit inten­siver Würzung durch ein Pulver aus gerösteten Sesam­samen, geröste­tem Besan-Mehl, Chili und Salz, das mit in dünne Scheiben ge­schnit­tener Lotus­wurzel garniert und zu­sam­men mit heißen ge­koch­ten Erbsen (Kelichana) serviert wird. Man ißt es von einem Bananen­blatt, und als Löffel dient hygie­nischer­weise ein zu einer kleinen Schaufel gebogenes Bananen­blatt­fragment. Die Lotus­wurzel ist herrlich knusprig, und der geschmackliche Finger­abdruck des „Königschili“, der hier Umorok heißt, ließ sich nicht verleugnen, aber wer will, der bekommt noch einen frischen zum Dazu­knabbern extra.

Ein anderer, sehr empfeh­lens­werter Snack ist Koukha Bora, gebratene Pfeilkraut­knollen. Das Pfeilkraut (Sagittaria sagitti­folia) ist eine Wasser­pflanze und bildet kleine, stärke­reiche Knollen, die sehr den Krokus-Knollen unserer Blumen­händler gleichen; sie können im Stil von Pakora in Besan­teig getaucht oder auch nackt frittiert werden. Letzteres schmeckt mir besser, da nichts vom nussigen Eigen­aroma ablenkt — außer dem dazu­gereichten Chutney, das sich als simple Senfpaste heraus­stellte. Es wird aus Senfmehl, Wasser und Senföl frisch hergestellt und kann sich in der Schärfe mit jedem Dijon-Senf messen.


Kohima 2 Imphal 2

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