Landkarte
Janakpur Siehe auch Kathmandu 3, Kathmandu 4 Kathmandu 2

Kathmandu काठमाण्डौ (Nepal)

Wooden octogonal Krishna temple in Kel Tole, Kathmandu (Nepal)

Der achteckige Krishna-Tempel in der Marktstraße von Kel Tol dient nur noch profanen Zwecken

Wooden balcony in Kathmandu, Nepal

Kathmandu ist voller alter Holzfenster und Holzbalkone

Wooden balcony Deshag Madu in Kathmandu, Nepal

Wunderbares Holzfenster namens Dashya Madu Jhyah in Yatkha Tole

Liebe Birgit,  

ich bin end­lich in Kath­mandu angelangt, der Haupt­stadt Nepals. Die Fast-Mil­lionen­stadt mitten im frucht­baren, kühlen Kathmandu-Tal hat eine aus­ge­dehnte, un­glaublich atmo­sphärische Alt­stadt (allenfalls ver­gleichbar mit der von Sri­nagar) voller ver­winkelter Straßen, in denen buch­stäblich alle zehn Meter eine Sehens­würdigkeit lauert: Wunder­bare holz­geschnitzte Balkone an Wohn­häusern, kleine und größere Tempel, buddhisti­sche Stupas am Straßen­rand, uralte, verwitterte Statuen, die achtlos Haus­eingänge zieren, malerische Innen­höfe mit kleinen Schreinen und auch größere tibetische Klöster. Man möchte tage­lang nur spazieren­gehen!

Das Kath­mandu-Tal wird traditio­nell von den Newar be­wohnt, die eine sino-tibeti­sche Sprache sprechen und die erst in den letzten Jahr­hunderten von den aus Süden zuge­zogenen ethni­schen Nepali minorisiert wurden. Die Newar-Tempel sind leicht an ihren pagoden­artigen, mit Holz­schnitzereien verzierten Dächern zu erkennen, und es heißt sogar, daß die Chinesen diese Bauweise von den Newar übernommen und dann in Südost- und Ostasien verbreitet hätten. Die Newar praktizieren Hinduismus oder Buddhismus, oft auch beides parallel; es gibt auch Tempel, die beiden Religionen heilig sind und in denen sich buddhistische und hinduistische Ikonographie vermischen.

Buddhist metal work at Seto Machendranath temple Kathmandu, Nepal

Tempeltor mit buddhisti­schen Motiven am Seto-Mach­endra­nath-Tempel

Hindu Shiva sanctum in Seto Machhendranath temple Kathmandu, Nepal

Shiva-Altar

Classical Greek famale statue in front of Seto Machendranath Mandir, Kathmandu, Nepal

Merkwürdige Dame

Besonders gut ge­fallen hat mir der „bi­konfessio­nelle“ Tempel Seto Mach­endranath Mandir, dessen Gott­heit Seto Machendra­nath den einen als In­karnation Shivas, den anderen als Form des barm­herzigen Bodhi­sattva Avaloki­teshvara gilt (siehe dazu auch viel später). Um­geben von hindu­isti­schen Kult­figuren, bud­dhisti­schen Stupas und einer über­raschend klas­sisch–grie­chisch anmuten­den Frauen­statue steht er inmitten eines offenen Platzes im Bezirk Bhedasing, mitten in der Alt­stadt. Unter dem reich­verzier­ten holz­geschnitzten Portal sitzt ein Brah­mane vor einem bunten Shiva-Altar, während die Galerie mit Gebets­mühlen rund um den Tempel führt. Allein wegen der ange­nehmen Atmo­sphäre (und der Gewürz­händler am Rand des Platzes) will man wieder­kehren!

Toothache shringe Bangemudha in Kathmandu, Nepal

Zahngesundheit für Traditionalisten

Dentists in Bangemudha, Kathmandu, Nepal

Zahngesundheit für Fortschrittsgläubige

Ziemlich amü­sant war die Straße der Zahn­ärzte im Stadt­teil Bange­mudha, die al­le mit ei­nem grin­sen­den Ge­biß vor dem Praxis­eingang wer­ben. Pas­send dazu findet man am näch­sten Platz einen Schrein, der gegen Zahn­weh hel­fen soll: Man nagelt dazu eine Münze auf einen Holz­block (von dem mittler­weile nichts mehr zu sehen ist). Wenn es nach der Anzahl der Münzen geht, dann bleibt den Zahn­ärzten eigentlich kein Geschäft mehr übrig.

Die bekann­teste Sehens­würdig­keit ist der Palast­platz (Darbar Square), der mit zahl­losen Bau­ten im tra­ditio­nel­len Newar-Stil ge­schmückt ist. Ähn­liche Plätze gibt es auch in den Städten der Um­gebung, und ich schreibe lieber bei späterer Ge­le­gen­heit darüber, um die­sem Brief nicht allzu­viel Über­länge zu verleihen.

Vishnu temple (Shika Narayan) in Kathmandu (Bangemudha)

Der Sikha Narayan Mandir steht in Bangemudha, nur ein paar Minuten vom Hotelviertel Thamel

Narasingha temple in Kilagal, Kathmandu (Nepal)

Der Narasingh-Tempel steht gut versteckt in einem Wohnviertel in Kilagal

Die Infra­struktur für Tou­ri­sten ist sehr gut. Di­rekt am Rand der Alt­stadt liegt der Tou­risten­bezirk Thamel, wo man sich fast in Eu­ropa wähnt: Ho­tels, Bars, Re­stau­rants, Reise­büros, Sou­ve­nir­läden, Inter­net-Cafés, Trek­king-Shops, Photo-Fach­geschäf­te (ich habe mir sicher­heits­halber ein neues Ob­jektiv ge­kauft — genau das, was in ganz Indien an­geblich nicht auf­zutrei­ben war) und alles andere, was das Touristen­herz begehrt, konzentriert sich hier in drei oder vier Straßen­zügen. Auch der größte Schatz aller Südasien-Reisenden, nämlich Toiletten­papier, steht reichlich zur Verfügung. Es ist nicht mehr vorstellbar, daß es 1950 in ganz Kathmandu nur ein einziges Hotel gab. Und es kommen nicht nur westliche Touristen: Auf der Straße sieht man auch japanische, koreanische und chinesische Gesichter, und für jede Nation haben die findigen Nepali speziali­sierte Angebote geschaffen.

Was das Es­sen be­trifft: Kath­mandu ist das Ge­lobte Land. Die Newar ha­ben eine ein­zig­artige, pi­kan­te Küche, die sich kaum mit ir­gend­einer an­de­ren Koch­tradi­tion des Sub­konti­nents ver­glei­chen läßt. Aber bit­te ver­zeihe mir, wenn ich davon erst in den näch­sten Briefen erzähle. Ich halte ja gene­rell nicht viel von Rei­senden, die sich anders als landes­üblich er­nähren (zu­mindest, wenn das Gast­land eine einiger­maßen genieß­bare Küche auf­weist). Aber trotz der aus­gezeich­neten Newar-Speisen, die man in kleinen Kneipen in der Alt­stadt recht leicht bekommt, erliege ich dem Charme des Touristen­ghettos Thamel. Hier gibt es wegen des inter­nationalen Publikums so gut wie alles, darunter auch — Chinesisch.

Du weißt ja, daß ich der chinesi­schen Küche ziemlich ver­fallen bin, zumindest wenn sie so scharf und geschmack­voll ist wie in Szechuan oder Hunan. Besuchern chinesi­scher Restau­rants in Deutsch­land oder sonstwo auf dem euro­päischen Konti­nent mag meine Be­geiste­rung für Chine­sisch nicht nach­voll­zieh­bar sein, aber wer einmal Gelegen­heit hatte, authen­tisches chinesi­sches Essen zu pro­bieren, der wird sich rasch eine andere Meinung bilden: Daß man nämlich in China mehr vom Essen ver­steht als in den meisten anderen Ländern. Und so snacke ich tags­über Newari und diniere dann Chine­sisch, in einem von zwei Sichuan-Restau­rants in Thamel. Diese Restau­rants wenden sich vorwiegend an chinesische Touristen: „Langnasen“ sieht man nur selten, wohl auch, weil die Karte ohne rudimentäre Chinesisch­kenntnisse schwer zu ent­schlüsseln ist.

Chinese food: Ma-la Zi-ji Ding (dry fried chicken pieced) (trockene scharfe Hühnerstücke)

麻辣子鸡丁, trockenes Huhn

Chinese food: Shui-zhu Niu-rou (water-cooked beef Sichuan style) (in Wasser gekochtes Rindfleisch)

水煮牛肉, Scharfes Rind

Shuizhu niurou oder 水煮牛肉, der harm­loser­­weise „in Was­ser ge­koch­tes Rind­fleisch“ (lies: Büffel­fleisch) genannte super­scharfe Rind­fleisch­topf, ist mein chinesi­sches Lieb­lings­essen und betört mit Brat- und Fer­menta­tions­aromen genauso wie mit Un­mengen Chili und Sichuan­pfeffer, die die Zunge zum Vibrieren bringen. Man bekommt auch Mala ziji ding 麻辣子鸡丁, mit getrock­neten Chili­schoten und Sichuan­pfeffer in Öl gebratene Hühner­brust ohne Sauce; dieses Gericht ist lange nicht so scharf wie es aussieht, weil man die Chilies nicht mit­ißt und das Öl durch den Brat­vorgang eine rauchig–pikante aber nicht bren­nende Schärfe an­ge­nom­men und auf das Fleisch über­tragen hat.

Chinese food: Hui-Guo Niu-Rou (twice cooked pork) (doppelt gebratenes Schweinefleisch)

麻辣牛肉丝, trocken–scharfes Rind

Chinese food: Ma-la Niu-rou Si (strips of pungent dry-fried beef) (Streifen von scharfem Rindfleisch)

回锅肉, doppelt gebratetes Schwein

Als letzten Klassiker er­wähne ich noch das „doppelt gebratene Schweine­fleisch“ Huiguo rou 回锅肉, das in deutschen China­restau­rants nur dem Na­men nach ex­is­tiert: Wie der chi­nesi­sche Name „Zurück-in-den-Topf-Fleisch“ bereits an­deutet, handelt es sich um kom­pakte Stücke Schweine­bauch, die in Brühe gar­gekocht und nach dem Ab­kühlen in dünne Scheiben ge­schnit­ten werden. Diese Scheiben werden dann mit fer­men­tier­ten Soja­bohnen und grünem Paprika in einem zweiten Koch­vorgang gewokt und nehmen dabei eine fast knusprige Kon­sistenz an. Die Kellner im Restau­rant warnten mich bei der Bestel­lung extra, daß Schwarte und Knochen dabei seien, ob mich das wohl nicht stören würde?

Zu den Dingen, die ich vor­her nicht kann­te, ge­hört das Pao­jiao niu­rou 泡椒牛肉 „Rind­fleisch mit fer­men­tier­ten Chi­leis“. Die Chi­lies sind in Es­sig ein­gelegt und ver­lei­hen dem gan­zen nicht nur eine saure Schär­fe, son­dern auch einen stren­gen Geruch, fast wie Sauer­kraut. Eige­nwillig aber nicht un­ange­nehm, zumal die reich­lich zu­gefüg­ten dünnen Streifen von rohem Ingwer einen frischen Akzent setzen. Ganz toll schmeck­ten auch die Streifen aus Büffel­fleisch, die in Chili­öl gebraten und mit viel Chili und Sichuan­pfeffer bestreut waren (Mala Niurou Si 麻辣牛肉丝); sie waren so scharf, daß ich meine Portion kaum aufessen konnte.

Chinese food: Liang-bian Niu-rou (cold beef slices in spicy dressing) (kaltes scharfes Rindfleisch)

凉拌牛肉, kaltes Rind

Chinese food: Ma-la San-si (three kind of threads salad) (Nudel-Salat aus drei Sorten Fäden)

麻辣三丝, drei Fäden

Chinese food: Liang-ban Huang-gua (Cucumber salad with chili) (Gurkensalat mit Chili)

凉拌黄瓜, Gurkensalat

Chinese food: Suan ni Jiang-dou (Salad of green beans with garlic) (Salat aus grünen Bohnen mit Knoblauch)

蒜泥豇豆, Bohnensalat

Natürlich ha­be ich mich auch nach den kal­ten Vor­speisen um­gese­hen, für die Si­chuan ja ei­gent­lich be­sonders bekannt ist. Die Auswahl war er­staun­lich klein, aber ich habe ein aus­ge­zeichne­tes Langbian Niurou 凉拌牛肉 ge­gessen, das ist in Scheiben ge­schnitte­nes mageres Rind­fleisch mit einem Dres­sing aus Sesam­öl und Chili. Zu den Über­raschun­gen gehörte ein pikanter Nudel­salat namens Mala Sansi 麻辣三丝, das heißt „drei Sorten Faden­nudeln mit mala-Ge­schmack“, der tat­sächlich außer nach Soja­sauce und Sesam­öl ganz erfreu­lich nach Chili und Sichuan­pfeffer schmeckte.

Und wer leich­tere, fett­arme Vor­spei­sen sucht, der kann er­fri­schen­de Gur­ken­sala­te knab­bern, etwa Suan ni Huang-gua 蒜泥黄瓜 (mit Knob­lauch und Se­sam­öl) oder Liang-ban huang­gua 凉拌黄瓜 (mit einem Chili­öl–Soja­sauce-Dres­sing). Auch der Salat Suan ni Jiang­dou 蒜泥豇豆 aus grünen Bohnen und Knob­lauch macht gute Laune, zu­mindest dann, wenn man in einem Ein­bett­zimmer schläft.

Ich werde mich noch einige Zeit hier in der Gegend aufhalten, da die nähere Umgebung von Kathmandu viele bekannte Sehens­würdigkeiten bietet, die in Ein- bis Zweitages­ausflügen erreichbar sind. Dann wird auch die Newar-Küche zu ihrem Recht kommen.


Janakpur Kathmandu 2

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