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Dharamsala 2 धर्मशाला (Himachal Pradesh) |

Das Motiv der zwei Rehe, die vor einem Rad der Lehre oder (wie hier) den Drei Juwelen kauern, findet man auf den Dächern vieler tibetischer Tempel
nun bin ich also wieder in “Little Tibet”, dem Sitz Seiner Heiligkeit des 14. Dalai Lama. Zusammen mit meiner Begleiterin Petra (Name von der Redaktion geändert) habe ich nach der glühenden Wüste Rajasthans in einer langen Busfahrt von Jaisalmer über Ganganagar und Pathankot den Weg in die von Shanti erfüllte Bergwelt genommen.
In den eineinhalb Jahren seit meinem letzten Besuch hat sich nicht allzuviel verändert, nur der zentrale Tempel, der an der Hauptstraße über den Gebetstrommeln errichtet wird, nähert sich mittlerweile der Vollendung. Meine bevorzugten tibetischen Kneipen und Cafés existieren alle noch, und auf den Gassen erschallt immer noch das permanente Om mani padme hum aus den Lautsprechern der CD-Händler. Der wesentliche Unterschied zum letzten Mal ist das Wetter: War es im Winter hier ziemlich kalt, so herrschen jetzt Nebel und Regen.

Avalokitesvara-Statue im Tsuglagkhang-Tempel

Ein (verbotener) Blick in den Kalachakra-Tempel

Der Tsuglagkhang-Tempel sieht abgrundtief häßlich aus …

… ist aber innen überraschend stimmungsvoll.
Petra ist von dem Ort, seinen tibetischen Bewohnern und seiner friedvollen Atmosphäre restlos angetan. Auch das Wetter kann ihr den Spaß nicht verderben: Immerhin braucht es hier nur einen Regenschirm zum Überleben, während in Rajasthan mindestens ein tragbarer Desert Cooler nötig gewesen wäre, um die lebensfeindliche Umgebung erträglich zu machen. In den folgenden Tagen besichtigten wir daher einige Klöster und andere Sehenswürdigkeiten.
Von den tibetischen Klöstern der Umgebung habe ich Dir ja schon berichtet. Wir besuchten den Tsuglagkhang-
Der Kalachakra-Tempel ist innen ganz mit Fresken bedeckt, die ein wunderbares Photomotiv abgegeben hätte, wenn nicht das Photographieren verboten wäre. Ich konnte nur ein müdes Bild von außen schießen und mußte mich dann mit dem zweiten Tempel begnügen, der mit drei goldglänzende Statuen von Buddha, Avalokiteshvara und Padmasambhava auch bestimmt nicht unphotogen ist.
Der britische Friedhof
Die Kirche St. John in the Wilderness
Ich habe ja bereits das letzte Mal erwähnt, daß McLeod Ganj ursprünglich eine europäische Ansiedlung war. Das große Erdbeben, das 1905 den halben Kangra-Distrikt in Schutt und Asche legte, hat fast alle europäischen Bauten zerstört, aber die Kirche St. John in the Wilderness hat überlebt. Sie steht etwa einen Kilometer entfernt in einem Wald und ist auch heute noch in Betrieb: Ein südindischer Pfarrer kümmert sich seit vielen Jahren um das Wohl der offenbar winzigen christlichen Gemeinde. Die Kirche hat zwar ihr Dach verloren (der Neuaufbau sieht fürchterlich aus), das Erdbeben aber sonst ganz gut überstanden. Rund herum erstrecken sich englische Friedhöfe, deren Grabsteine auch heute noch ganz leserlich sind. Während mystische Nebelschwaden vorbeiziehen, spazieren wir über den menschenleeren Friedhof, und ein paar Kühe sind gekommen, um hier friedlich zu grasen. Ein merkwürdiger Gedanke beschleicht mich: Die Leiber der ehemaligen Kolonialherren düngen nun das Gras für die Heiligen Kühe. Treffender kann man das Versagen der Raj, Indien zwangseuropäisieren zu wollen, nicht beschreiben.
Der „Schlangentempel“ Bhagsu Nag Mandir hat ein massives Holzdach
Das nur zwei Kilometer entfernte Dorf Bhagsu hat in den letzten Jahren ein steile Karriere als Destination für indische Inlandstouristen hingelegt. Nach der fast transzendenten Ruhe in McLeod Ganj wirkt das lärmende indische Treiben auf der Hauptstraße fast wie ein Schlag in den Magen; allerdings habe ich gehört, daß viele Inder Bhagsu als Urlaubsort vorziehen, wohl weil sie das auf Ausländer ausgerichtete McLeod Ganj irgendwie nicht indisch genug finden. In Bhagsu steht ein teilweise aus Holz errichteter Tempel, der eigenartigerweise mit den Insignien eines Gurkha-Regiments geschmückt ist. Außerdem kann man zu einem Wasserfall wandern, der einen Kilometer weiter über einen gut ausgebauten Betonpfad erreichbar ist; einsam–friedlichen Naturgenuß darf man aber nicht erwarten, stattdessen sammeln sich Horden indischer Inlandstouristen um die verschiedenen Snack- und Getränkestände am Weg.
Natürlich ging der Souvenirtango hier in seine zweite Runde: Statuen, Gebetsfahnen, T-Shirts mit tibetischen Motiven usw. hielten uns ein paar Tage auf Trab. Dazu kam noch eine Klangschale, also jene tibetisches Bronzeschüsseln, die bei Streicheln mit einem speziellen hölzernen Stab voll wie Glocken tönen und mehr oder minder intensiv schwingen.
Petra entschied sich schließlich für die Schale eines muslimischen Ladakhi, der in einem Dorf knapp an der Line of Control wohnt und dessen Modell zwar maschinengearbeitet war, aber ungewöhnlich stark vibrierte und zugleich ganz gut sang.
Gebratene Momos am Straßenrand
Der rätselhafte Snack aus feuchten Teigblättern und Chilipaste
Tibetischer Lammcurry mit gedämpftem Brot
Die Verpflegung in den Restaurants von McLeod Ganj ist über die Jahre auch nicht besser geworden. Eine große Anzahl relativ teuerer, teilweise aber sehr gemütlicher Travellerkneipen bietet den tibetischen Standard-
Angeblich „tibetischer“ Curry aus Schweinefleisch und Kartoffeln, vgl. 红烧肉
Angeblich „tibetischer“ Gurkensalat mit Sojasauce und Chilipaste, vgl. 凉拌黄瓜
In den besseren Restaurants bekommt man auch „moderne tibetische Küche“, die in meinen Augen recht chinesisch schmeckt. In einem Laden, der rasch zur Stammkneipe avancierte, unterhielt ich mich mit dem Besitzer darüber. Er war erst vor wenigen Jahren aus Tibet nach Indien geflohen und gestand ein, daß seine Küche zum guten Teil chinesisch sei, aber das entspreche der heutigen Realität in Lhasa. Auch wenn mich Tibeter für diese Aussage mit Nasenrümpfen bedenken mögen: Ein Gewinn. Jedenfalls erinnerten die Gurkensalate zumindest ein bißchen an meine chinesischen Erfolgserlebnisse in Kathmandu, und der angeblich tibetische Kartoffel–
Etwas verbastardisiertes Himadatshe (ཧི་མ་ཞད་ཚེ་)
Ein anderer Laden warb mit „Küche aus Bhutan“, und da konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, eine der rätselhaftesten und unbekanntesten Speisen Südasiens zu versuchen: Himadatshe (auch Hemadatshi oder sonstwie anders geschrieben, das TSH spricht sich dabei TS-H, nicht TSCH) ist das Nationalgericht Bhutans und hat den Ruf, eine der schärfsten Speisen der Welt zu sein. Laut Literatur handelt es sich dabei um eine dicke Käsesuppe, in der massenhaft grüne Chilies als „Suppeneinlage“ schwimmen. Was dann auf den Tisch kam, schmeckte zwar irgendwie nach Käse (genauer gesagt: europäischem Schmelzkäse), aber von Schärfe waren höchstens homöopathische Mengen zu bemerken, denn die reichlich vorhandenen grünen Objekte stellten sich bei genauerem Hinsehen zum größten Teil als Bohnschoten heraus, unter die sich nur einige wenige Chiliringe gewagt hatten.
Leider nähert sich Petras Urlaubszeit dem Ende, und so müssen wir uns bald wieder ins Flache aufmachen.
P.S.: Erfreulicherweise bekam ich auch bei Himadatshe eine zweite Chance, nämlich in einer sonst uninteressanten Ortschaft an der indisch–
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