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Das Parlament von Imphal

Kleiner Tempel am Straßenrand

Diese Youngsters lassen sich die Laune vom Bürgerkrieg offenbar nicht verderben
Imphal wird wohl so etwas wie eine Haßliebe bei mir: Ich bin noch immer hier und koste mich lustvoll durch die spannenden Eßbarkeiten dieser exotischen Stadt. Zugleich habe ich jedoch hier mehr schlechte Erfahrungen gemacht als in drei Jahren Indien zuvor, und das ist schon eine komische Erkenntnis. Was einem hier zustoßen kann, ist rasch erzählt: Ich wurde angepöbelt, geschlagen und wie ein Hund quer durch die Innenstadt gehetzt — wenn man die an jeder Hausecke stehenden bewaffneten Einheiten einmal braucht, dann sind sie natürlich alle auf Kaffeepause. Die extrem rüpelhaften Manieren einiger Manipuri führe ich übrigens gleichermaßen auf den langen Bürgerkrieg zurück, der die Menschen nun schon länger als ein Lebensalter mit Tod und Zerstörung konfrontiert, wie auch auf den hohen Alkoholkonsum. Jedenfalls ist es auffällig, daß jeder der drei Zwischenfälle an einem Ort stattfand, wo der Schnapsohol in Strömen fließt, nämlich nahe den winzigen Absturzkneipen des Marktviertels.
Ansehen kann man sich in Imphal eigentlich nicht mehr als das, was ich Dir bereits beschrieben habe. Der Vollständigkeit
halber füge ich diesem Brief noch ein Bild vom Lokalparlament hinzu (“Legislative Assembly Hall”), das frisch renoviert einer ruhmreichen demokratischen
Zukunft entgegenblicken möchte — Photos sind aus Sicherheitsgründen natürlich verboten, aber man kann ja auch mit dem Tele aus dem Hinterhalt schießen. Beim
Spaziergang durch die Stadt stößt man immer wieder (wenn einem die Tschecheranten das Leben nicht schwermachen) auf attraktive Tempelbauten, die meist gar
nicht so indisch sondern eher kolonial–
Schrein in einer Markthalle
Blick über die Markthalle Purana Bazar
Diese Ima verkauft Bambussprossen
Auch die Marktfrauen brauchen manchmal Ruhe
Daß Imphal ein Kriegsgebiet ist, sieht man natürlich besonders an der allgegenwärtigen Präsenz unifomierter und bewaffneter Kräfte,
die teilweise der manipurischen Polizei, teils aber auch der indischen Armee, der CRPF (Central Reserve Police Forces, eine Sondertruppe des indischen
Innenministeriums) oder den berüchtigten Assam Rifles angehören, die von sich behaupten, die größte paramilitärische Truppe der Welt zu sein. Besonders
nach Einbruch der Dunkelheit dominieren Uniformierte das Straßenbild, denn Zivilisten wagen sich dann kaum noch außer Haus (wegen der Stromrationierungen
ist es ja auch sehr dunkel).
Doch reden wir doch lieber vom Essen und dem Markt. Der „Muttermarkt“ Ima Keithel hat sich im Lauf meines viel
zu langen Aufenthalts durchaus verändert, denn Marktprodukte sind nun einmal saisonal. Leider fällt der Umorok, der superscharfe und superaromatische
lokale Superchili, in die Kategorie der saisonbedingten Abgänge: Ab Februar wird er immer seltener, und den
Rest des Jahres wird man ihn fast nur getrocknet und geräuchert bekommen, was aber auch noch gut genug schmeckt, bis er ab September wieder gehandelt
wird — angeblich bekommt man zu Saisonsanfang die besten Qualitäten. Dafür erweitert sich das Angebot an Fischen und Kräutern, zur Zeit scheint
Dill besonders aktuell, und außerdem sieht man überall jungen Ingwer, also saftige
Wurzelstöcke mit frischen Trieben.
Iromba aus Bananenstamm (die verwendete Sorte hat rotviolette Stämme)
„Bananenstämme“ am Markt
Schweinebauch in Gemüsesauce
Beim Thema Essen denke ich aber vor allem an Jagaddhatri, den Guten Geist™ der Cafeteria im Obergeschoß des
Purana Bazar, die mich zusammen mit ihrer Schwester Sofia fast täglich bekocht. Klarerweise treten
bei längerem Aufenthalt Wiederholungen auf, aber im Großen und Ganzen finde ich, daß man dort einen perfekten Einblick in die Kochkunst
von Manipur erhält. Mit von der Partie sind auch die Mutter der beiden Damen sowie Sofias Ehemann, der meist
nur superwichtig schwatzt oder mit seinen Freunden abhängt (indischer Mann eben!), der aber zumindest einmal zum Kochlöffel griff, um mich mit einer
manipurische Schweinerei zu erfreuen. Die beiden Damen weigern sich nämlich, Schweinefleisch auch nur in die
Hand zu nehmen, und so mußte dieses Stück kulinarische Erfolgsgeschichte vom Mann geschrieben werden: Es handelte sich um Schweinebauch,
der erst angebraten und dann mit viel Curcuma in einer dicken Gemüsesauce weichgeschmort wurde; ich bilde mir ein, auch ein bißchen Geschmack von fermentierten
Bohnen herausgeschmeckt zu haben.
Was man sonst noch bekommt: Natürlich Iromba in allen erdenklichen Varianten, deren gemeinsamer Nenner nur in dem
nach italienischen Sardellen schmeckenden fermentierten Fisch Ngari besteht. Ich habe Dir ja bereits einige Photos
davon gezeigt, deshalb heute eine neue Variante: Iromba aus Bananenstamm. Eigentlich ist das paradox, denn Bananen
haben ja gar keinen Stengel (außer, wenn sie blühen); was wie ein Stamm erscheint und richtig „Scheinstamm“ genannt wird, sind nur die
ineinandergeschachtelten Blattscheiden. Das merkt man, wenn man den „Stamm“ in Scheiben schneiden will, denn dann zerfällt er wie eine Zwiebel
in sichelförmige Fragmente. Die aus dem Bananenstamm zubereitete Iromba war sehr trocken mit bißfesten Gemüsestücken.
Strukturlose Fischeier
Fischeier in Form frittierter Bällchen
Singju aus Yongchak mit getrocknetem Lomba-Kraut (oben)
Auch den Salat Singju gibt es in vielen Formen, allen gemeinsam ist nur, daß rohes Gemüse mit einem
scharfen Gewürzpulver vermengt wird, die durch Verwendung von Mehl aus gerösteten Kichererbsen oder Sesam einen nussigen Geschmack annimmt.
Am Markt bekommt man einen Standard-
Eine andere Spezialität sind Fischeier (Nga Marun).
Sofia bereitete mir einmal ein Gericht zu, das sich als eine helle, sehr fettige, entfernt nach Fisch schmeckende
Masse mit homogener und sehr weicher Konsistenz präsentierte; ich hätte es für Gehirn gehalten, aber es handelte sich um eine Art winziger Fischeier.
Den bekannteren Typ aus millimetergroßen Kügelchen bekam ich ein paar Tage später; diese waren mit Besan-Mehl zu kleinen Klumpen vorgeformt und frittiert, und beim
Zerbeißen platzte jedes Kügelchen angenehm im Mund. Diese frittierten Bällchen gibt es sowohl trocken als Snack, als auch als Einlage in einem suppigen Curry.
Südindisches Essen wie Utappam (Reisbrot mit Belag) mit Kokos-Sauce und Sambar gibt es mittlerweile in ganz Indien
Pizza al Manipuri coll’ Umorocco
Frittierte Erbsen mit Ingwerpaste und Kräutern
Stichwort Snack: Da die von mir so geschätzten Pfeilwurzelknollen (Koukha) ebenfalls der Jahreszeit zum Opfer fielen,
mußte ich mir etwas Neues suchen, und natürlich kann die Cafeteria da auch helfen: Die gekochten und frittierten Erbsen (Mattar)
erwiesen sich als sehr wohlschmeckend, besonders, wenn sie mit frischer Ingwerpaste und dem letzten am Markt erhältlichen Umorok serviert werden.
Wenn mir der Sinn nach weniger Fischigem stand, dann wich ich gelegentlich auf ein südindisches Restaurant ganz in der Nähe des Hotels aus, dessen Besitzer in die
glücklicherweise gar nicht seltene Klasse „gebildeter, lebenserfahrener Inder mittleren Alters“ fiel und mir viel über die jüngere Geschichte erzählte;
ich fand es bemerkenswert, daß er seinen Kindern (die alle irgendwo in Indien studieren) verbietet, in den Ferien nach Imphal
zu kommen, weil es für jemanden, der nicht mehr ständig hier lebt, einfach zu gefährlich sei; er meinte allerdings auch, daß die Verbesserungen unübersehbar
seien und daß eine friedliche Zukunft heute wahrscheinlicher erscheine als noch vor ein paar Jahren.
Eine weitere Alternative war ein von einem Rajasthani geführter Laden gleich gegenüber vom Hotel. Dort bekommt man neben
Süßigkeiten unterschiedlicher Qualität auch ein typisch indisches junk food: Pizza. Das hat natürlich nichts mit Italien zu tun, sondern ist ein
vorgebackener Fladen, der mit süßer Tomatensauce bestrichen und mit Zwiebeln und Käse belegt wird; anschließend wird er in einem unter der Stromverknappung
leidenden Ofen leicht erwärmt, so daß der Käse ein bißchen schmilzt. Wirklich toll ist das nicht, aber ich konnte den Besitzer immerhin dazu überreden, mir
ein oder zwei Umorok-
Da meine Zeit in Indien viel zu schnell abgelaufen ist, muß ich das Land bald wieder verlassen; demnächst melde ich mich daher wieder einmal aus Nepal. Eines weiß ich jetzt schon: Ich werde den Umorok vermissen!
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