Landkarte
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Amritsar ਅੰਮ੍ਰਿਤਸਰ (Punjab)

Golden Temple of Amritsar, the main pilgrimige Site of the Sikhs (Punjab, North-Western India)

Der Goldene Tempel (Harimandar Sahib) von Amritsar, gesehen von Südosten. Links im Hintergrund der goldverzierte Turm des Akal Takht, schräg davor am Anfang des Steges der „Pfortentempel“ Darshani Deori, der im ersten Stock eine Schatzkammer (Toshakhana) beherbergt; ganz rechts hinten das Nordtor.

Golden Temple (Haramandir Sahib) in Amritsar, Punjab (India)

Goldener Tempel, Südseite

Golden Temple (Haramandir Sahib) in Amritsar, Punjab (India)

Den Goldenen Tempel betritt man über einen Steg von der Westseite

Golden Temple (Haramandir Sahib, Night picture) in Amritsar, Punjab (India)

Das Osttor zum Goldenen Tempel

Liebe Birgit,  

wie letztens bereits ange­kündigt, bin ich in Amrit­sar, dem kultu­rellen Zentrum des Punjab. In den Achzigern war das noch eine kata­strophale Unruhe­provinz, mit zwei großen Militär­aktionen, die letztlich der damali­gen Premier­ministerin Indira Gandhi das Leben kosteten, aber heute ist das alles ver­gessen; statt­dessen hat der Sikh-Pragma­tismus das Land zu einer öko­nomischen Blüte geführt.

Die Haupt­sehens­würdig­keit ist der Goldene Tempel, der auf Punjabi Harimandar Sahib heißt. Er gehört den Sikhs, einer im 16. Jahr­hundert hier ent­stan­denen syn­kretisti­schen Reli­gion, die von einem un­sicht­baren Gott spricht, zu dem jeder Gläubige ohne Askese oder Auf­gabe des bürger­lichen Lebens finden kann. Trotz des typische indischen Glaubens an karma und Wieder­geburt sind die Sikhs daher sehr dies­seitig orien­tiert, und das hat sie in jeder Hin­sicht erfolg­reich gemacht: Sie domi­nieren nicht nur die techni­schen Berufe in Indien, sondern sind auch über­propor­tio­nal oft unter den wirt­schaft­lich erfolg­reichen Aus­wanderern zu finden, so daß mittler­weile jeder­mann in Europa ihre speziellen Turbane und ihre langen Bärte mit „Indien“ as­sozi­iert. Die Namen von initi­ierten Sikh-Männern enthalten immer das Wort Singh, das heißt „Löwe“, da man von ihnen Stärke in jeder Form erwartet.

Golden Temple (Haramandir Sahib) in Amritsar, Punjab (India)

Der Goldene Tempel in der Nacht

Dining hall in Golden Temple (Haramandir Sahib) in Amritsar, Punjab (India)

Im Pilger-Speisesaal

Daß der Gol­dene Tempel 1984 von der Armee in der berüch­tigten Opera­tion Blue­star er­stürmt und dabei teil­weise zer­stört wurde, sieht man nir­gendwo mehr. Es ist heute ein Ort voller fröhlicher Spiri­tualität, stets gefüllt mit einer Menge von Gläubigen, die inner­halb des schnee­weißen Gebäude­karrees bar­fuß auf dem Marmor­boden dahin­wandeln, ein kleines Bad im heiligen Wasser des Amrit Sarovar nehmen oder in einer langen Schlange durch den eigent­lichen Tempel fla­nieren, der im Amrit Sarovar steht und durch einen breiten Steg mit dem west­lichen Ufer verbunden ist. Die beiden oberen Stock­werke des aus Marmor errichteten Schreins sind vollständig vergoldet, angeblich wurden hier 750 kg Edelmetall verbaut.

Im Tempel wird ganz­tägig aus dem heiligen Buch Sri Guru Granth Sahib gelesen, in dem die Lehren der zehn Sikh-Gurus zu­sammen­gefaßt sind und das noch im Original vor­liegt; das Buch gilt den Sikhs als elfter und ewiger Guru. Der ganz­tägige Sing­sang ist von einer berüh­renden In­brunst und wird per Laut­sprecher in den ganzen Tempel­komplex und sogar live per Radio über­tragen. Man kann vor dem Betreten auch eine Portion eines süßen Breis aus Weizen­grieß und Butter aus­fassen, den man dann durch den Tempel trägt und hinter­her als heilige Speise (Prasad) verzehrt.

Der Goldene Tempel unter­hält auch eine eigene Groß­küche, mit zehn­tausen­den Mahl­zeiten pro Tag, die hier mit der typischen Effizienz der Sikhs an hungrige Pilger oder auch Touristen gratis aus­geschenkt werden. Dort habe ich heute das wahr­schein­lich beste Dal meines Lebens gegessen: Es bestand haupt­säch­lich aus braunen Linsen, gemischt mit ein paar gelben Spalt­erbsen, und duftete nach Knoblauch, Curcuma und Kreuz­kümmel — der Geschmack mit einem guten Schuß Chili und nicht zuviel Salz kriegt drei von drei Sikh-Turbanen. Dazu gab es grüne Erbsen mit ein paar Bröckeln Panir, eben­falls ganz gut, Voll­korn-Chapati und einen süßen Milch­reis, der mich aber nicht vom Hocker riß. Die Kom­bination verschie­dener Hülsen­früchte zu einem Dal-Gericht kommt im Punjab häufig vor, ist sonst in Nord­indien selten.

Jallianwala Bagh Memorial in Amritsar, Punjab (India)

Das Denkmal von Jallianwala Bagh

Jallian Wallah Bagh Memorial in Amritsar, Punjab (India)

In diesem „Märtyrer-Brunnen“ starben Hunderte

Neben die­sem wun­der­baren Tempel, der übri­gens weit mehr Be­sucher als das Taj Mahal an­zieht, ver­blassen die übrigen Sehens­würdig­keiten Amritsars; vielleich ergibt sich ja später eine Gelegen­heit, davon zu berichten. Von einer will ich Dir aber trotz­dem heute noch erzählen, weil sie durch den Film Gandhi von Sir Richard Atten­borough im Westen sehr bekannt ge­wor­den ist: Jallianwala Bagh. In diesem kleinen Garten, der heute ein nationales Mahn­mal ist, kam es 1919 zu einem schreck­lichen Massaker: Ange­sichts der politisch aufge­heizten Lage nach dem Ersten Welt­krieg und einer nicht genehmigten Demonstra­tion gegen das zunehmend repres­sivere Kolonial­regime wollte die britische Armee unter General Dyer ein Exempel statuieren und beschoß einige Tausend in dem Garten einge­schlossene Demonstranten mit Schnellfeuer­waffen. Die offiziell gezählten 400 Toten glaubt in Indien keiner, da geht man von bis zu 2000 Opfern aus. Lang­fristig verlieh dieses Massaker der Un­abhängig­keits­bewegung von Gandhi und Nehru weiteren Aufwind.

Indian food: Dal (lentile puree) eaten in the Golden Temple of Amritsar

Das göttliche Dal aus dem Goldenen Tempel

Indian food: Matar (boiled peas) eaten in the Golden Temple of Amritsar

Erbsen im Goldenen Tempel

Die Punjabi-Küche ent­hält viele Ele­mente, wie man sie auch aus den deutschen Indien-Re­stau­rants kennt: Sie ist relativ fleisch­lastig, da den Sikhs keine religiös bedingten Speise­tabus auf­erlegt sind; und der weit­ver­breitete Lehmofen Tandoor dient zum Backen von Brot und Grillen von Ge­flügel. Außer­dem sind die Punjabi Ex­perten in der Zu­berei­tung von Hülsen­früchten — aber darüber habe ich ja bereits oben geschrieben.

Die Tradi­tion des Lehm­ofens geht im we­sent­lichen auf die ältesten jung­stein­zeit­lichen Brenn- und Back­öfen zurück, und das Design ist folg­lich vom Nahen Osten über Zentral­asien bis nach Nord­indien weit­gehend identisch. So ein Ofen kann gemauert oder gegraben sein; in jedem Fall ist er ein mit Lehm aus­geklei­deter tonnen­förmiger Hohl­raum mit einer kleinen Öffnung oben. Am Boden wird ein Feuer entfacht — nach dessen Nieder­brennen ist der Ofen rauch­frei aber sehr heiß. Das Fladen­brot Chapati macht man einfach aus Teig­fladen, die man an die Wand klatscht und ein paar Minuten später mit einem Haken abnimmt. Viele indische Trend-Läden stellen in solchen Öfen auch pseudo-italienische aber trotzdem recht respektable Pizze her.

Buffalo Milk Lassi in Amritsar, Punjab, North West India

Das beste Lassi aller Zeiten

Indian sweet food: Phirni

Phirni

Indian Food: Tandoori chicken (Murg tanduri)

Das berühmte Tandoori-Huhn

Murg tanduri (oder wie man auf Anglo-Indisch häufig liest: tandoori chicken) ist ein im Lehm­ofen ge­grilltes Hähn­chen. Dazu mari­niert man das Geflügel in einer Mi­schung aus Joghurt, roter Lebens­mittel­farbe und Gewürzen, vor allem Nelken, Zimt, Muskat, Koriander, Kreuzkümmel und manch­mal auch einem Hauch Safran. Danach werden die Vögel auf einem Spieß in den Tandur ver­senkt und gegart. Vor dem Ser­vieren werden sie noch­mals zerteilt und mit einer Gewürz­mischung bestreut, die haupt­säch­lich aus Koriander und Pfeffer zu bestehen scheint; als Bei­lage bekommt man Brot und ein Chutney aus rohen Zwiebeln und mit Chili leicht ge­schärf­tem Joghurt. Mari­nierte Hühner­stücke, auf die­selbe Art zubereitet, heißen Tikka; die briti­sche Variante davon ist ist Chicken tikka masala, einfach Tanduri-Hähnchen-Stücke mit einer pikanten Tomaten­sauce, und man bekommt es mittler­weile sogar in Indien.

Der Punjab ist auch für seine Wasser­büffel be­kannt, die ganz be­sonders fette Milch geben. Des­halb schmeckt Joghurt hier noch besser als im Rest Indiens, und das heutige Lassi war eine Offen­barung: Nicht zu süß, und serviert mit einem Löffel dickem Süß­rahm und einigen Klumpen eines Mascarpone-artigen, un­glaub­lich cremigen Materials. Eben­falls erwähnens­wert: Phirni, ein hoch­aromatischer Milch–Mandel-Pudding, der in kleinen Ton­schälchen gekühlt serviert wird.

P.S.: Der älteste aller Sikh-Witze: Wie heißt das, wenn ein Punjabi am Strand Urlaub macht? — Relak-Singh

Liebe Grüße


On the Road Orcha

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