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Srinagar شرینگر (Jammu & Kashmir) |

Die Hausboot-Kolonie am Dal-See

Blick vom Dal-See zu den verschneiten Bergen

Inneneinrichtung eines Hausbootes

Blick über den Jhelum-Fluß zum Shah Hamadan Khanqah, einem Sufi-Pilgerheim mit angeschlossener Moschee

Teil des Sufi-Komplexes Naqashband Sahib
ich melde mich heute aus Srinagar, der Sommerhauptstadt des nördlichsten indischen Bundesstaates. Hier ist es bitter kalt; kein Wunder, schrieb ich doch gerade „Sommer-
Ich höre Dich schon fragen: „Hausboot? Ist er denn vor Anker gegangen?“ — aber nein, so schlimm ist es nicht. Srinagar ist seit Jahrhunderten ein Touristenparadies, und aus einer komischen historischen Laune heraus hat es sich eingebürgert, Touristen in schön orientalisch eingerichteten Hausbooten unterzubringen. Daran war wohl ein lokaler Maharaja schuld, der den Zustrom von hitzemüden britischen Offizieren in sein kleines Himalaya-
Diese Geschichte mag auch gut erfunden sein, aber die Hausboote sind tatsächlich in einem unbeschreiblich altmodischen Mix aus kolonial, orientalisch und unbequem eingerichtet. Dicke Vorhänge filtern jedes Tageslicht weg, dafür brennen die Glühbirnen mit der Intensität unterernährter Kerzenflammen; immer vorausgesetzt, der Strom ist mal nicht ausgefallen, denn während der drei täglichen Stromausfälle springen parallel auf allen Hausbooten knatternde Dieselgeneratoren ein, die klingen (und riechen) wie ein Rasenmäher, die aber nur einen Teil der zahllosen unabhängigen Stromkreise bedienen können; man hat dann also ein superschwaches Licht am Gang, aber gar keines im Bad.
Gebetsraum in der Jamia Masjid
Die Freitagsmosche, Jamia Masjid
Die meisten Hausboote liegen im großen Dal-
Die Stadt bietet eine Anzahl von Sehenswürdigkeiten, von mogulischen Gartenanlagen über Sufi-
Die Altstadt ist wirklich baufällig
Altstadthaus
Es ist aber auch ganz wunderbar, einfach durch die Altstadt zu spazieren. Srinagar ist schön, aber unglaublich wurmstichig: Nach Jahrzehnten der täglichen Bombenanschläge ist das Stadtbild ziemlich vernachlässigt, und wenn nun auch seit ein paar Jahren Ruhe herrscht, so fehlt doch der Wille (oder das Geld) für eine großflächige Renovierung. Da sage ich nur „Gott bzw. Allah sei Dank“, denn den mottenzerfressenen Charme möchte ich hier nicht missen.
Sieht man mal davon ab, daß man von unzähligen Souvenirhändlern mit “very cheap prices” für Teppiche, Papiermachée-Arbeiten, Safran, Juwelen und tibetischen Schmuck genervt wird, so ist es in der Altstadt ungefährlich und angenehm. Rund um die große Hauptmoschee, die Jamia Masjid, erstreckt sich ein riesiges Basarviertel voller Händler, fliegender Teeverkäufer und winziger Restaurants, die oft nur aus einem Loch in der Hausfassade und einigen Töpfen bestehen. Obwohl ich in meinem Hausboot Vollpension genieße, macht es doch auch Spaß, im Marktviertel auf kulinarische Erkundungstour zu gehen.
Stichwort Safran: In dem kleinen Dorf Pampore nahe Srinagar liegt das einzige Safrananbaugebiet Indiens; vielleicht schaffe ich es ja im Herbst, zur Ernte nochmals vorbeizukommen. Der kashmirische Safran hat eigentlich eine gute Reputation, aber die mir angebotenen Qualitäten waren ziemlich mau und können keinesfalls mit dem iranischen Safran mithalten, den man in Berlin (zugegebenermaßen für den fünffachen Preis) überall kaufen kann.
Ristah
Rogan Josh
Kashmirische Küche ist muslimisch und relativ fleischlastig; zumindest, wenn man es sich leisten kann. Rogan Josh gilt als das Nationalgericht Kashmirs: Das ist Lammfleisch, das in einer dünnen, joghurtbasierten Sauce geschmort wird. Es ist intensiv gewürzt und knallrot, aber nicht etwa wegen Tomaten, sondern wegen Hahnenkamm, den wir als Zierpflanze kennen, und getrockneter Chilies, die in Kashmir in herausragender Qualität angebaut werden. Die haben eine herrlich rote Paprikafarbe und riechen wie ungarischer Rosenpaprika, schmecken aber herzerfrischend scharf. Jedenfalls ist kashmirisches Rogan Josh nicht mit dem traurigen Papp zu vergleichen, den man in deutschen Indien-Restaurants unter diesem Namen bekommt.
Die gleiche Garflüssigkeit wie bei Rogan Josh kommt auch bei einer weiteren Spezialität Kashmirs zum Einsatz: Rista. Dabei handelt es sich um kleine Bällchen aus feinst gestampften Lammfleisch, das mit Ei zu einem festen Teig verknetet wird. Das Fleisch wird wirklich nicht gewolft, sondern in einer Art hohem Mörser gestampft, bis es ganz homogen ist. Nicht selten garen Rogan Josh und Rista sogar in einem Topf gemeinsam vor sich hin, denn Platz ist in diesen Mikro-Restaurants natürlich Mangelware.
Yakni
Kashmir Ochar
Eine eigenartige Spezialität ist das Kashmir Ochar, eine lokale Variation der vielen Sorten pikant eingelegten Gemüses, die man überall in Indien zubereitet (Pickle, Achar). Während Pickles sonst fast überall gekocht und ölig sind, besteht die Kashmir-Version aus grob geschnittenem Wurzel- und Blattgemüse, das mit Knoblauch, Ingwer und viel Chili gewürzt und milchsauer fermentiert wird. Das Resultat schmeckt ein bißchen wie koreanisches Kim-Chi und ist eine echte Ausnahme in Indien, wo Fermentation eher mit Verfall gleichgesetzt wird.
Wem das alles zu scharf ist, dem bietet sich mit Yakni eine mild–aromatische Alternative. Dieses chilifreie Schmorgericht besteht ebenfalls aus Lamm und Joghurt, wird aber nur dezent mit Ingwer, Zimt, Cardamom und Fenchel gewürzt, die in einem ersten Arbeitsgang mit Zwiebeln angebraten werden, um ihr Aroma optimal zu entwickeln.
Während Indien ja nicht unbedingt ein Hort der Trinkkultur ist, so hat Kashmir tatsächlich eine lokale Getränke-Spezialität zu bieten: Grüntee mit Cardamom, manchmal auch Zimt und Nelken; eigenartigerweise heißt es Kawah, was ja sonst überall „Kaffee“ bedeutet. Wie in Indien nicht anders zu erwarten, werden Tee, Gewürze und Zucker gemeinsam gekocht und in kleinen Schälchen nach dem Essen genossen; das einzige Getränk zum Essen ist Wasser, und davor schrecke ich doch zurück, da sich mein Magen sich ungeachtet der 13 Jahre seit meinem letzten Besuch noch genau an die Tödlichkeit dieses Getränkes erinnern kann.
Nächste Woche geht es in die hinduistische Tempelstadt Jammu, dort sollte es auch wärmer sein.
Liebe Grüße aus Srinagar