Doppeltempel in Ajaimerukot
Die Kühe tragen hier Glocken wie in den Alpen
Häuser in Dadeldhura
Damen beim Schwatz
Hirsepflanzen
Die Kühe tragen hier Glocken wie in den Alpen
Liebe Birgit,
ich bin diesmal im äußersten Westen Nepals, in der sogenannten Far-West Region, die noch weniger Touristen sieht als der Mid-West, über dessen fürchterlicher Infrastruktur ich ja schon einmal geklagt habe. Wer sich beim Far-West dasselbe oder noch Schlimmeres erwartet, wird jedoch angenehm enttäuscht werden: Bisher präsentiert sich diese Region als passabel entwickelt und vollständig touristentauglich.
Häuser in Dadeldhura
Zugegebenermaßen bin ich noch nicht allzu hoch gestiegen, denn mein aktueller Aufenthaltsort Dadeldhura liegt auf etwa 1700 m Höhe und ist von der Grenzstadt Mahendranagar durch eine sechsstündige Busfahrt über eine gut ausgebaute Straße bequem zu erreichen. Dadeldhura ist eine überraschend zivilisierte und freundliche Bazar-Stadt; Englisch-Kenntnisse sind weit verbreitet, und die Einheimischen so freundlich, wie man es nur an Orten im Windschatten des Tourismus erleben kann. Zugleich gibt es eine beachtliche Hotel-Infrastruktur, die sich wohl nur an Inlandstouristen wendet.
Damen beim Schwatz
Hirsepflanzen
Der Himalaya ist hier wesentlich dichter besiedelt als im Mid-West; überall sind die Hänge terrassiert, und kleine Dörfer schmiegen sich an die Flußwindungen oder zieren die Hügel. In dieser Hinsicht erinnert die Gegend stark an die Orte in Ostnepal, von denen ich ja schon oft berichtet habe, oder an die anschließende indische Provinz Uttarakhand; verglichen mit diesen Gegenden ist es hier aber doch deutlich menschenleerer. Die Bewohner sind ganz überwiegend hinduistische „Berginder“ (Pahari) und sprechen einen Dialekt des Nepali, der als Doteli bezeichnet wird; es fehlt also das Ethno-Element zahlloser Stämme, das im Osten dem Reiseerlebnis zusätzliche Farbe verleiht.
Hirsepflanzen
Ernte im Hirsefeld
Das Amargadhi-Fort
Hirsepflanzen
Dadeldhura blickt auf das Tal des kleinen Flüßchens Ghatal Khola. Auf den fruchtbaren Hängen werden außer Reis auch Soja (Bhatmas, auf Doteli auch Bhatta), Mais (Makai) und Hirse (Kodo) angebaut. Während ich Mais schon oft gesehen habe, war die Fingerhirse (Eleusine coracana) ein Neuzugang in meiner Botanik-Sammlung: Dieses uralte Getreide stammt entweder aus Indien oder aus Afrika (genau weiß man es nicht, genauso wie beim hier ebenfalls wachsenden Sesam) und ist in Indien außer im Himalaya vor allem im Süden verbreitet; gelegentlich findet man es als Ragi oder Maduwa in indischen Kochbüchern. Die wichtigste kulinarische Anwendung in Nepal ist das alkoholische Getränk Tongba, von dem ich ja schon berichtet habe; wenn Hirse gegessen wird, dann in Form von Brot. Die größte botanische Freude machte mir aber ein Curcuma-Feld, wo ich erstmals eine Blüte dieser so gut wie nie blühenden und vollkommen sterilen Art sehen konnte.
Das Amargadhi-Fort
Der Ugratara Mandir
Das Amargadhi-Fort
Die Sehenswürdigkeiten Dadeldhuras sind sehr überschaubar: Im Stadtgebiet kann man nur ein Fort besichtigen, aber wer sich dabei etwas Prächtiges à la Rajasthan erwartet, der wird von den paar Steinhäufen des Amargadhi Kila ziemlich enttäuscht sein. Trotzdem ist das Fort historisch nicht ganz zu vernachlässigen, da es angeblich von Amar Singh Thapa erbaut wurde. Der „unsterbliche Löwe“ stand im Dienste des ersten nepalischen Königs, Prithvi Narayan Shah, und eroberte für ihn des Westen Nepals bis weit nach Himachal Pradesh.
Der Ugratara Mandir
Außerhalb der Stadt findet man ein paar Tempel, wie den architektonisch eigenwilligen und schweinchenrosa angemalten Ugratara Mandir, geweiht einer Lokalgöttin namens Ugratara („mächtiger Stern“), die im Hinduismus mit Durga verschmolzen ist. Am Ufer der Ghatal Khola stehen verstreut Tempel (Ghatal Sthān), an denen wegen des gerade gefeierten Dashain-Festes ein merklicher Betrieb herrscht; man erreicht die Gruppe, indem man einer Schotterstraße nach Süden folgt, nach der Siedlung Ait einen kleinen Deodar-Wald durchquert (bis hierher kann man auch einen der gelegentlichen Sammeljeeps nehmen), dann nach links abbiegt und zum Fluß absteigt.
Doppeltempel in Ajaimerukot
In den Hang gebauter Tempel in Ajaimerukot
Tempel mit Wasserbecken (Kund) im Innenraum (man sieht davon nur die Reflexion an der Rückwand)
In den Hang gebauter Tempel in Ajaimerukot
Eine echte Sehenswürdigkeit ist die historische Ruinenstätte Ajaymerukot (in der Lokalsprache auch Ajaimerkot oder Ajaimirkot). Der Besuch setzt allerdings eine streckenweise sehr steile Wanderung von etwa 5 km voraus. Dazu fährt man an denselben Punkt, wo der Weg zum Ghatal Sthān abzweigt, und biegt rechts ab; die Straße ist größtenteils eine mit Gras überwucherte Lehmpiste und endet nach vielen zeitraubenden Serpentinen an einem Schulgebäude (es gibt dabei Abkürzungen für Fußgänger, aber dem Ortsunkundigen ist die Abkürzung bekanntlich immer die längste Verbindung zweier Punkte). Von dort muß man einen steilen Abstieg zu einem Flüßchen bewältigen; am Gegenhang verstreut lassen sich dann Ruinen verschiedener Art, darunter eine Anzahl schöner Steintempel, bewundern. Mit sehr viel Glück oder lokaler Hilfe findet man dann auch das einzige Bauernhaus, das darauf eingerichtet ist, Wanderer mit Tee und Instant-Nudelsuppen (Vai Vai) zu laben. Leider konnte ich über die Ruinensammlung und die rudimentär erhaltene Befestigungsanlage (Fort) überhaupt nichts herausfinden.
Tempel mit Wasserbecken (Kund) im Innenraum (man sieht davon nur die Reflexion an der Rückwand)
Rest der Befestigungsanlage Ajaimerukot
Sekuwa-Grill
Tempel mit Wasserbecken (Kund) im Innenraum (man sieht davon nur die Reflexion an der Rückwand)
Andererseits sprechen die in das diffuse Dorf harmonisch integrierten Ruinen von Ajaymerukot für sich selbst. Mit „harmonisch integriert“ meine ich übrigens, daß einige der Säulenhallen (Mandapa) von den Bauern als Warenlager oder sozialer Treffpunkt genutzt wird; dabei ist wohl eine einzige der mit verwitterten Reliefs überzogenen Säulen am Schwarzmarkt mehr wert als eine gesamte Jahresente des Dorfes. Insgesamt habe ich fünf Tempelruinen gesehen; die meisten bestanden aus zwei Türmen (Shikara) mit dazwischen eingeklemmtem Mandapa (so ein Design habe ich noch nie zuvor gesehen). Ein Tempel war als Miniatur-Kund ausgeführt, also als kleines quadratisches, rundum abgestuftes Becken hinter einem mit zwei Säulen geschmückten Eingang, und darin genossen ein paar Fische das heilige Habitat. Am Nachbarhügel stand einmal das Fort: Davon sind nur noch ein paar Steinmauern übrig, und dazu ein quadratisches Steingebäude, das ich für das Untergeschoß eines Wehrturmes halte.
Sekuwa-Grill
Sekuwa mit würzigem Chutney
Vegetarisches Abendessen mit Hirsebrot (im Kerzenschein, wegen der Stromabschaltung)
Sekuwa mit würzigem Chutney
Beim Essen ist Dadeldhura nicht so wirklich prickelnd: Außer Dalbhat Tarkari geben die Futterstellen wenig bis nichts her, abgesehen vom hervorragenden Sekuwa-Grill im Ortszentrum. Gut marinierte Lammstücke werden dort am ventillatorverstärkten Holzkohlengrill knusprig gebraten und mit Puffreis (Bhuja) und Linsenfladen (Papad) serviert; dazu bekommt man ein spektakuläres Chutney aus Sesamsamen und dem lokalen Sichuanpfeffer-Verwandten (Timur). Manche Leute haben hier übrigens einen Pfefferbaum im Garten, und da die Früchte gerade reif sind, wird gerade geerntet und verlesen. Wenn man Glück hat, läuft man beim Herumwandern in den Straßen unversehens in dichte Wolken vom starken Aroma dieses einzigartigen und nur in Nepal bekannten Gewürzes.
Vegetarisches Abendessen mit Hirsebrot (im Kerzenschein, wegen der Stromabschaltung)
Hirsebrot und gewöhnliches Weizenbrot im Vergleich
Maisbrot
Vegetarisches Abendessen mit Hirsebrot (im Kerzenschein, wegen der Stromabschaltung)
Meine bevorzugte Kneipe ist das Akash Deep Hotel, wo man in sehr freundlicher Atmosphäre ziemlich gutes Dhalbhat bekommt; der besondere Bonus ist ein Gurken-Raita mit erfrischend säuerlichem Joghurt und viel geröstetem Kreuzkümmel. Das Dal ist, wie in Nepal üblich, sehr suppig gekocht, allerdings überdurchschnittlich gewürzt (Knoblauch und Kreuzkümmel stechen hervor). Außerdem hat man dort zumindest gelegentlich eine fürchterlich schlechte WLAN-Verbindung, und die Leute sind unfaßbar nett. Mit einer Anlaufzeit von ein paar Tagen war es sogar möglich, daß mir Hirsefladenbrote (Kodo Roti) und Maisfladenbrote (Makai Roti) serviert wurden.
Hirsebrot und gewöhnliches Weizenbrot im Vergleich
Maisbrot
Diese Brote werden, ebenso wie die gewöhnliche Weizen-Variante, aus Wasser und Mehl herstellt und dann in einem etwas improvisierten Lehmofen (Tandur) gegart. Dazu formt man einen Fladen, legt diesen auf ein kleines Stoffkissen und klatscht das ganze beherzt an die Innenwand des brennheißen Tandur. Das Maisbrot erinnerte in der brüchigen Konsistenz und dem vollen Geschmack sehr an selbstgemachte Maistortillas. Die Hirsebrote erwiesen sich als ganz extrem schmackhaft, mit einem vollkornigen, an Frühstückscerealien erinnernden Aroma und einer bißfesten Konsistenz. Sie sind wesentlich dunkler als Weizenbrote und auch etwas trockener; außerdem sättigen sie viel stärker, und ich frage mich, warum sie nicht überall serviert werden, zumal Hirse hier nicht teuerer als Weizen oder Reis ist. Wahrscheinlich ist das ein Fall von Prestige: Helles Gebäck sieht einfach besser aus als dunkles. Schade!
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