Landkarte
Mamallapuram Siehe auch Nalanda Puducherry

Kanchipuram காஞ்சிபுரம் (Tamil Nadu)

Towers of Kamakshi Amman Koyil Hindu Temple, Kanchipuram (Tamil Nadu, India)

Die Türme des Kamakshi Amman Koyil

Gopuram of Arulmigu Katchabeshwarar Tirukoyil Temple, Kanchipuram (Tamil Nadu)

Ein Eingangsturm (Gopuram) ziert die Zugänge der meisten südindischen Tempel (hier den Arulmigu-Katchabeshwarar-Tempel)

Hindu milk festival at Kanchipuram (Tamil Nadu)

Hindu-Prozession nahe dem Kailasha-Natar Koyil

Elefant Elephant giving bliss in Kanchipuram (Tamil Nadu)

Glückselefant am Busbahnhof von Kanchipuram

Liebe Birgit,  

vielleicht findest Du das schon etwas ein­tönig: Gut die Hälfte meiner Reise­ziele sind mit Tempeln gespickt. Zu meiner Recht­fertigung kann ich diesmal aber ein­wenden, daß die Tempel von Kanchipuram einen ganz neuen Archi­tektur­typus ver­körpern, und außer­dem hat einer von ihnen einen gewissen kulinarischen Bezug.

Kanchipuram, eine Ein-Lakh-Stadt im nörd­lichen Tamil Nadu, ist für zwei Dinge berühmt: Für gut tausend­jährige, prächtige Tempel aus der Pallava-Zeit und für Seiden­saris. Da der Besuch eines Texil­ladens für mich bereits in Berlin ein Horror­erlebnis ist, lasse ich die Klamotten einfach aus (Saris sieht man auch auf der Straße genug), und widme mich aus­schließlich den Tempeln.

Stone-carved chain at the Varda-Rajan Temple in Kanchipuram (Taml Nadu)

Steinkette (aus einem einzigen Stein geschnitten) am Varada Rajan Koyil

Portrait Xuan Zang Vaikuntha Perumal Koyil temple, Kanchipuram (Tamil Nadu)

Die Abbildung von Xuan Zang im Vaikunta Perumal Koyil

Die süd­indi­sche Tempel­archi­tektur ist un­glaub­lich be­ein­druckend, und die Tempel sind viel größer als im Nor­den. Sie be­stehen aus mehre­ren Räumen und viel­säuligen Hallen aus Stein, die fast wie Höhlen wirken. Dieser Tempel­typ wurde auch nach Südost­asien ex­portiert, daher sind Ähnlich­keiten zum groß­artigen Tempel von Angkor Wat in Kambodscha nicht ganz zufällig. Von außen machen sie dagegen nicht viel her, abgesehen von riesigen Turm (Gopuram) über dem Eingangs­tor — diese Türme prägen hier und in vielen anderen süd­indischen Städten die Skyline.

Bei der Be­sichti­gung des Vaikunta-​Perumal-Tempels, eines wunder­baren alten Bau­werks mit einer Relief­galerie um einen Hof, in dem das zentrale Heilig­tum steht, fand ich zu meinem Er­staunen eine Figur, die nicht so sehr wie ein alt­indischer Asket als wie ein Kung-Fu-Meister oder meinet­wegen Yoda aus dem „Krieg der Sterne“ aussah. Als ich mich nach dieser Darstellung erkundigte, erfuhr ich, daß hier Xuan Zang 玄奘 abgebildet war, ein chinesischer Mönch, der im 7. Jahr­hundert Indien besuchte und umfang­reiche Reise­aufzeich­nungen hinter­ließ, in denen er auch die Küche der Inder recht genau beschrieb. Es gab auch weitere Abbil­dungen von Xuan Zangs Familie, die aber deutlich weniger chinesisch wirkten.

Entry Hall (mandapa) in the Ekambaranathar Koyil temple in Kanchipuram (Tamil Nadu, India)

Die Vorhalle (Mandapa) zum Ekambaranatar Tirukoyil

Inner Hall in the Ekambaranathar Koyil temple in Kanchipuram (Tamil Nadu, India)

Halle im Hauptbereich des Tempels

Shiva-Lingam gallery in the Ekambaranathar Koyil temple in Kanchipuram (Tamil Nadu, India)

Galerie von Shvalingams

Nandi statue gets washed with buttermilk in the Ekambaranathar Koyil temple in Kanchipuram (Tamil Nadu, India)

Der Bulle Nandi bekommt seine Buttermilchdusche

Shiva and Parvati in the Ekambaranathar Koyil temple in Kanchipuram (Tamil Nadu, India)

Shiva und Parvati

Sacred Mango tree in the Ekambaranathar Koyil temple in Kanchipuram (Tamil Nadu, India)

Der Heilige Mangobaum (Junior)

Der Grund, wes­wegen ich eigentlich hierher­gefahren bin, ist jedoch der riesige Tempel Ekambara­natar Tiru­koyil. Im Kern von der Pallava-Dynastie erbaut, erhielt er sein heutiges Aus­sehen (und sein 60 m hohes Gopuram) erst im 16. Jahr­hundert. Hat man das Tempel­tor durch­quert und seine Schuhe ab­gegeben, dann hüpft man zuerst mit schmerz­verzerr­tem Gesicht über einen von spitzen Steinen bedeckten und glühend heißen Beton­weg zu einer säulen­getrage­nen Vor­halle (Mandapa), in der man unter anderem eine Statue des Bullen Nandi (der ist das Reittier Shivas) bewundern kann, die von Gläubigen mit Butter­milch über­gossen und von den Tempel­brahmanen danach wieder rein­gewaschen wird. Von dort geht es dann in den eigent­lichen Tempel, wo man als Aus­länder zwar aus dem inneren Heilig­tum mit seiner Shiva-Statue verbannt bleibt, aber zu­mindest im Rest der An­lage hemmungs­los photo­graphieren darf, immer voraus­gesetzt, man hat seinen Obulus dafür bezahlt.

Bereits die lange Ga­lerie mit hunder­ten von Säulen und fast ebenso­vielen Shiva­lingams wäre die zwei Euro Photo­gebühr wert ge­wesen, aber in einem Innen­hof steht eine ganz beson­dere Spe­zialität: Ein Mango­baum. Leider ist der be­rühmte, uralte Baum mit seinen vier Zweigen, an denen angeb­lich unter­schiedlich schmecken­de Früchte wachsen, vor ein paar Jahren ein­gegangen, und er mußte durch einen Ableger ersetzt werden; der alte Baum wurde für heilig ange­sehen, weil seine vier Zweige die vier Veden sym­boli­sieren, die ältesten Schriften des Hinduismus. Der neue ist noch zu jung, um Früchte zu tragen, aber ehrlich gesagt habe ich ohnehin nicht an­genom­men, daß mir die freund­lichen Tempel­brahmanen ein paar Exemplare zum Kosten anbieten würden. Ein knor­riges Stamm­fragment des alten Baums wird in einem Neben­raum hinter Glas als Reliquie auf­bewahrt, womit die As­sozia­tionen zum Herrn der Ringe perfekt sind. Am neuen Mango­baum findet man eine Dar­stel­lung von Shiva und Parvati bei ihrer Hochzeit, und junge Paare lassen sich gerne ihre Heirat unter dem Baum segnen.

Seit Khajuraho habe ich absicht­lich nichts mehr über Mangos geschrie­ben, weil ich mir das für hier auf­heben wollte. Seit einigen Wochen bereits sind Mango-Verkaufs­stände an der Straße ein all­täglicher Anblick, und die gelben bis roten, zwischen 100 und 400 g schweren Früchte werden be­geistert gekauft und geges­sen — nicht nur von mir, denn auch die Inder wissen die Freuden der kurzen Mango­saison zu schätzen. Mangos sind die Äpfel des tropischen Asien: Es gibt hunderte verschiedene Sorten, die sich in Größe, Farbe, Konsistenz und Geschmack so unter­scheiden wie ein Granny Smith von einer Schaf­nase, und ein­heimische Genießer er­ken­nen viele davon blind beim Verkosten. Der Mogulen­kaiser Jahan Gir muß wohl ein solcher gewesen sein, denn sein Mango­garten soll mehr als tausend ver­schie­dene Sorten umfaßt haben.

Unripe Mango street food

Unreife Mango mit Salz und Gewürzen

Mango food stall (Tamil Nadu, India)

Mango-Stand

Mango fruits (Mangifera Indica) on a tree

Unreife Mangofrüchte

Halbreife Man­gos bekommt man am Straßen­rand eß­fertig ange­boten: Sie werden fein zer­schlitzt und mit Salz und Gewürzen bestreut, was bei den schweiß­treiben­den Tempera­turen äußerst er­frischend wirkt. Mango-Pickles bereitet man sowohl im Norden als auch im Süden aus unreifen Mangos zu, deren Säure und harziges Aroma perfekt zur inten­siven Würzung paßt, und unreife getrock­nete Mangos dienen in Nord­indien als Säuerungs­mittel (dazu nimmt man aller­dings eine klein­früchtige Sorte, die man reif nicht essen könnte).

Die meisten Mangos werden je­doch reif ge­erntet und roh ge­ges­sen, als Snack zwischen­durch und in hoch­preisigen Restau­rants auch als so eine Art Dessert. Auf der Straße bekommt man sie auch als Saft an­geboten, das ist einfach gekühltes Mango­püree, das aber leider immer mit einer Un­menge Zucker verschlimm­bessert wird, wenn man nicht gaaanz rasch „Stop!“ schreit.

Zwar habe ich immer noch nicht gelernt, wie man eine Mango ißt, ohne hinter­her wie ein Ferkel aus­zu­sehen (meine Lösung: Aus­ziehen, Essen, Duschen), aber trotz­dem habe ich in den letzten Tagen fast täglich welche verzehrt. Die Aroma­unterschiede sind enorm: Zwischen honig­süß und harmonisch süß–sauer ist alles möglich, kom­biniert mit dem typi­schen, etwas ter­pentin­ähnlichen Mango­aroma in wech­selnder Stärke und einer Kon­sistenz, die zwischen speckig, mürbe, fasrig und elastisch schwankt.

Unser Wort „Mango“ stammt übrigens wahr­schein­lich aus der tamili­schen Sprache. Eine der zahl­losen Bezeich­nungen für Mango, beson­ders in un­reifer Form, lautet hier mangai, wobei das Element -gay einfach „Frucht“ be­deutet. Dieses Wort, oder ein ähn­liches in der eng verwandten Malayalam-Sprache des Nachbar­staates Kerala, haben die Portu­giesen im 15. Jahr­hundert auf­geschnappt und nach Europa getragen.

Von hier werde ich weiterziehen nach Puducherry, dem ehemaligen Pondicherry und der noch ehemaligeren französischen Kolonie.

P.S.: Xuan Zang bin ich später wieder begegnet, und zwar in Nalanda.


Mamallapuram Puducherry

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