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Karnali Highway 2 कर्णाली राजमार्ग (Nepal) |

Antike schlägt 21. Jahrhundert

Nagma Bazar ist wirklich winzig

In Nagma staut es sich
nun bin ich also am A… der Welt gestrandet. Mein Verbannungsort heißt Nagma (gesprochen Nangma) oder Nagmaghat, und bei genauerer Betrachtung erweist sich Lage als gar nicht so sehr hoffnungslos. Es ist ja erst neun Uhr, und die Ankündigung, der Streik werde fünf Tage dauern, kann nur ernst nehmen, wer noch nie in Nepal gewesen ist: Die Nepali haben schlicht und einfach niemals recht, wenn sie Aussagen über die Zukunft treffen. Wirkliche Sorgen mache ich mir nur um den Laptop: Wenn ich die Photos nicht bald von der Karte bekomme, dann steht in ein paar Tagen ein ernstes Kapazitätsproblem an.
Außerdem ist Nagma gar nicht so unattraktiv. Die zwei Zeilen von billigen Kaschemmen und Shops am Straßenrand gewinnen zwar keinen Schönheitspreis, aber die Lage am Ufer des Tila-
Der erste Besucher des Jahres (?) wird auf allen Ebenen begafft
Frau beim Verlesen des Weizens
Stümperhafte Montage von stümperhaften Adlerphotos
Das Dorf ist wie ein indianisches Pueblo an den steilen Hang geklebt
Ich nutzte die Zeit zu einem Spaziergang, der mich in das eigentliche Dorf Nagma brachte; an der Straße steht ja nur der kommerzielle Teil davon. Wenn man die Tila auf einer schwingenden Drahtseilbrücke überquert und dann zehn Minuten bergauf wandert, kommt man in ein urtümliches Dorf aus düsteren Steinhäusern. Buntgekleidete Menschen hängen herum, winken mir zu oder sind mit der Verarbeitung der Weizenernte beschäftigt. In so einem traditionellen Dorf gibt es keine Händler, Techniker, Dienstleister oder sonstigen zivilisierten Kokolores: Alle arbeiten in der Landwirtschaft oder stellen daraus Produkte für den Familienbedarf her.
Zurück in der Herberge wurde ich mit Blut konfrontiert: Zwei Gäste aus dem gleichen Bus wie ich waren nach Genuß einiger Achtel Vodka über die Rechnung nicht einig geworden und hatten sich gegenseitig die Gesichter amateurchirurgisch umgestaltet. Jetzt saßen sie schwer betrunken aber wieder einträchtig zusammen, und einer erklärte mir lallend mit Mikrovokabular, wie lieb er mich habe und wie gerne er mir helfen würde, sogleich nach Jumla zu kommen; er würde sogar mein Gepäck tragen. Als er mich umarmen wollte, trat ich die Flucht an und schloß mich in meinem Zimmer ein, mit dem festen Vorsatz, es nie wieder zu verlassen; das redeten mir später einige Damen der Umgebung aus, die sich über meine Schreckhaftigkeit köstlich amüsierten und offenbar überall davon herumerzählten, denn meine Reputation unter der Bevölkerung von Nagma war fortan irreparabel geschädigt.
Abends beobachtete ich noch die vielen Adler, die durch die Lüfte schwebten und und ihre Horste anflogen, die sie auf den kahlen Hängen der Umgebung errichtet hatten. Nach einem kräftigen Abendessen (natürlich Dalbhat) ging ich schlafen. Das Essen war übrigens wirklich gut, und das Dal übernahm sogar die Führung in der zeitoffenen Nepal-
Dörfler im Gerstenfeld
Holzbrücke
Gerstenfeld und Dorf auf der Weiterfahrt
Am nächsten Tag weckte mich die Wirtin auf und erklärte freudig, daß die Busse wieder fahren — die Nachforschung ergab, daß alle bereits weg waren, bis auf einen, der völlig leer und verlassen herumstand. Ich ärgerte mich über meinen langen Schlaf und die Saumseligkeit der Wirtin, aber das morgendliche Dalbhat war noch nicht verzehrt, als dieser letzte Bus auch schon wild hupend vor der Bude stand: Der Fahrer hatte jetzt auch genug von hier, wollte endlich weg und hatte gehört, daß ein Ausländer auf Weiterfahrt hoffte. Ich stürzte den Tee hinunter, schnappte den Rucksack und los ging es, endlich nach Jumla. Gerüchten von einer zweiten Blockade ein paar Kilometer weiter wollte ich keinen Glauben schenken. Die Leute erzählen ja viel, wenn der Tag lang ist (und das ist er immer).
Wir blieben am Ufer der Tila. Das Tal weitete sich enorm aus, und eine erstaunlich flache Landschaft erfreute das Auge mit endlosen Ausblicken über wogende Gerstenfelder — leicht zu erkennen an den weiß schimmernden Wellen, die der Wind darauf zeichnet (wenn man die Sonne im Rücken hat). Dörfer flogen am Bus vorbei, mit steinernen Häusern und hölzernen Brücken über den hier wieder ruhigen und breiten Fluß. Vereinzelt gab es Gegenverkehr, und das war mir Beweis genug, daß die Straße jetzt wieder offen sei.
Nahbegegnung
Tierisch viel Gegenverkehr
Ähh, wo bin ich hier?
So sieht der Karnali Highway aus der Fahrerperspektive aus, gesehen durch eine schmutzige aber reichdekorierte Windschutzscheibe
Seit seinem ruhmreichen Beginn in Surkhet, wo er sogar mit einem Asphaltbelag protzen konnte, hatte der Karnali Highway beängstigende Veränderungen durchgemacht. Bereits seit gestern mittag war der Asphalt als Gauklerstück entlarvt, der nur Leichtgläubige in falscher Sicherheit wiegen sollte. Über den Lauf des Tages hatte die Straße dann zunehmend ihren wahren und sehr unebenen Charakter offenbart, ganz im Gegensatz zu ihrem nepalischen Namen Karnali Rajmarg: Das Sanskrit-
Denn der „Königspfad“ entpuppte sich entweder als Lehmpiste voller Schlaglöcher, oder als Schotterstraße, deren steiniger Belag kunstvoll um präzise designte Schlaglöcher herumgeschichtet worden war. Eine sehr innovative nepalische Technik verdichtet pure Schlaglöcher zu einem unsichtbaren Straßenbelag, und am zweiten Tag dominierte diese Bauweise vollständig. Die Schläge erfolgten daher trotz der lächerlichen Reisegeschwindigkeit von über weite Strecken nur
Nach etwa drei Stunden Fahrt in einem halbleeren Bus (welch ein unbeschreiblicher Luxus in diesem Land der dichtesten Kugelpackungen!) blieb das Fahrzeug etwas unmotiviert in einer diffusen Siedlung mit einem großen Busparkplatz stehen; offenbar ging es nicht weiter. Der grinsende Busfahrer erklärte mir, hier sei die Fahrt zu Ende. Einigermaßen entgeistert versuchte ich in Erfahrung zu bringen, was denn jetzt wieder los ist, und wo zum Teufel wir eigentlich waren. Das sei Jumla, meinte er, und ich zweifelte, ob er nun die Provinz oder die Stadt meinte. Konnte das wirklich Jumla Bazar sein, die einzige größere Stadt in den Bergen Westnepals und die Hauptstadt nicht nur des gleichnamigen Bezirks, sondern der ganzen Karnali-
Sie war es. Also freute ich mich erst einmal, bezahlte dann mit innerlichem Zähneknirschen für die Fahrt (die ja eigentlich in meinem Ticket aus Surkhet bereits enthalten war, aber was will man machen, andere Busfirma), suchte mir ein Hotel und machte mich daran, das so schwierig erreichte Ziel zu erkunden.
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