Landkarte
Tarke Ghyang 1 Siehe auch Boudhnath, Namobuddha, Rangamati Patan 2

Tarke Ghyang 2 तार्के घ्याङ / ཏར་ཀེ་གྱང་ (Nepal)

Buddhist Butter sculptures (Torma) in Tarke Ghyang, Helambu, Nepal

Im Tempel: Butterskulpturen (Torma)

Trumpet blowers announcing a Buddhist temple ceremony in Tarke Ghyang, Helambu, Nepal

Die Trompeten kündigen den Beginn der Puja an

Sherpa girls in Tarke Ghyang, Helambu, Nepal

Sherpa-Mädchen bei einer Pause von der Küchenarbeit

Liebe Birgit,

in den letz­ten Wo­chen hat mich das Glück ziem­lich ver­folgt: Wo auch immer ich hin­kam, lief gerade ein Fest. Diese Sträh­ne hält an, denn auch hier in Tarkeghyang wird ge­rade eine Feier ab­ge­halten. Der Grund dazu ist aller­dings tra­gisch: Vor 30 Tagen starb ein Dorf­bewohner, ein 25­jähri­ger Mann, der von Geburt an gelähmt gewesen war.

Nach tibe­tisch–buddhisti­scher Vor­stel­lung er­war­tet den Toten zunächst eine kurze Zwischen­phase, das Bardo, in der er sich seiner Vor­leben bewußt wird und seine ver­gange­nen Taten und Moti­va­tionen ana­lysieren kann, um sein eigenes Karma besser zu ver­stehen und für die Zu­kunft positiv zu be­ein­flussen; dieser Prozeß wird oft als „Reini­gung“ bezeich­net. Danach steht die nächste Wieder­geburt an, deren genaue Art vom Karma abhängt. Unter „Karma“ versteht man in diesem Zusam­men­hang primär Resul­tate vergan­gener Taten, die sich als Gewohn­heiten (und vorwiegend Laster) am Bewußt­sein anheften und dort weitere Folgen nach sich ziehen.

Da aber al­les mit allem zu­sam­men­hängt, läßt sich dieses Karma aber auch von außen be­ei­nflus­sen: Bud­dhisten glauben an ein von Re­geln domi­niertes (aller­dings nicht mate­rielles son­dern bewuß­tes) Uni­versum, und wer die Regeln gut be­herrscht, der kann Ein­fluß auf zu­künfti­ge Er­eignis­se nehmen. Das ist grund­sätz­lich gar nicht weit von der natur­wissen­schaft­lichen Denk­weise ent­fernt, und manch­mal be­zeichne ich bud­dhisti­sche Priester des­halb als „Ingenieure des Karma“.

Gong and Conch music during Buddhist Puja temple ceremony in Tarke Ghyang, Helambu, Nepal

Immer wieder erklingen Becken und Muschelhorn

Horn blowers during Buddhist Puja temple ceremony in Tarke Ghyang, Helambu, Nepal

Die langen tibetischen Hörner werden dagegen selten eingesetzt

Recitation from the Tibetan Book of Deads during Buddhist Puja temple ceremony in Tarke Ghyang, Helambu, Nepal

Rezitation aus dem Buch der Toten

Tibetan Butter tea served during Buddhist Puja temple ceremony in Tarke Ghyang, Helambu, Nepal

Während der Puja wird ständig Buttertee nachgefüllt

Die Totenfei­er dau­ert ins­gesamt drei Tage. Begin­nend vom Abend des ersten Tages wer­den im mysti­schen Halb­dunkel des Tem­pels (Gumba) fast pausen­los Zere­monien ab­ge­halten: Gemein­same Rezita­tionen und Ge­sänge aus dem tibe­tischen „Buch der Toten“ (Bardo Thodol), die dem Ver­stor­benen eine tiefere Ein­sicht bringen sollen. Immer wieder unter­brechen Glocken, Becken, Trom­peten, Trom­meln und lange Hörner laut­stark und effekt­voll den mono­tonen Sing­sang. Solche Zere­monien werden meist einfach Puja ge­nannt, worun­ter man im ganzen indi­schen Kultur­raum reli­giöse Rituale mit Opfer­gaben ver­steht (in die­sem Fall sind die Gebete selbst die Opfer, die er­bracht wer­den). Damit Du einen kleinen Ein­druck bekommst, wie so etwas klingen könnte, hier eine Hör­probe des Mantras Om mani padme hum von einer bud­dhisti­schen Erbauungs-CD.

Die tibeti­schen Bud­dhisten wis­sen min­de­stens so gut wie die Ka­tholi­ken, wie man eine wirk­same Zere­monie auf­baut: Lange Strecken von mehr­stim­migen aber sehr repeti­tivem Ge­murmel werden von plötz­lichem Ein­satz der Instru­mente ge­gliedert, und zwischen­durch sind auch körper­liche Hand­lungen ge­for­dert, z. B. das Werfen von Reis­körnern. Diese müs­sen übri­gens vor­her in der zur Mandala-Mudra-Geste ge­form­ten Hand ge­halten werden, wobei die Finger bei­der Hände kom­pli­ziert mit­einan­der ver­bunden sind.

Da es im Dorf keine Mön­che gibt, wird diese Auf­gabe von Laien wahr­genom­men; zur Leitung wurde aller­dings ein Rim­poche, also ein höher­gestellter Mönch, aus einem ent­fern­ten Kloster ver­pflichtet. Manch­mal hört man übri­gens auch die Be­zeich­nung „Lama“ für solche Mönche, aber das ist nicht kor­rekt; ein echter Lama ist nicht nur einfach ein hoch­gelehr­ter Geist­licher, sondern er ist die (Teil-)Wieder­geburt eines Bodhi­sattva, und auf eine sol­che wird man als Tourist kaum jemals stoßen. Damit es nicht so einfach ist, gibt es auch noch Sherpa, die den Namen Lama als Clan­namen führen; das wird auf Englisch dann oft als „Kaste“ wieder­gegeben (“I am from the Lama caste”).

Sherpa dance in Tarke Ghyang, Helambu, Nepal

Einziges Instrument ist die Trommel

Sherpa dance in Tarke Ghyang, Helambu, Nepal

Sherpa-Tänzerinnen in voller Tracht

Sherpa women communal singing in Tarkeghyang, Helambu, Nepal

Die Damen beim Singen und Beten

Sherpa dance in Tarkeghyang, Helambu, Nepal

Sherpa-Tanz: Die Tänzerinnen kreisen um die Zuseher

Auch die Damen blei­ben nicht un­tätig: Vor dem Tem­pel steht ein Haus, eher eine Hüt­te, mit Küche und großem Ge­mein­schafts­raum. Dort ver­sam­meln sich die Frauen und tragen das Ihre für eine bessere Wieder­geburt des Ver­stor­benen bei, indem sie (unter männ­licher Auf­sicht) Lieder singen, die gar nicht viel anders als in­brünstig gesun­gene Kir­chen­lieder im kat­holi­schen Öster­reich klingen. Manch­mal ver­senken sie sich minuten­lang in ein mono­ton gemur­meltes Om mani padme hum, was in tibe­tischer Aus­sprache übri­gens wie Ohm manni bemme hum klingt; dabei gleiten die Kugeln eines Rosen­kranzes (Mala) durch die Finger der Be­terin­nen, damit keine aus dem Tritt kommt. Dieser Teil war beson­ders am letzten Tag sehr be­eindruckend, weil dann viele Besucher aus Nachbar­dörfern an­gereist waren, die den Chor ver­stärkten und durch ihre schönen Fest­tags­gewänder und den schweren Schmuck mit großen Brocken von Halb­edel­steinen eine festliche Atmosphäre schufen.

Am letzten Abend kam dann der Höhe­punkt, nämlich der Tanz: Viele Frauen und einige Män­ner tanz­ten stunden­lang im Ge­mein­schaft­ssaal; dazu bildeten sie eine Schlange (Männer natürlich an der Spitze), die fast so lang wie der Umfang des Saales war und die lang­sam im Uhr­zeige­sinn die in der Mitte des Saales sitzen­den Zu­schauer umkreiste. Musik­begleitung gab es keine, außer einer Trom­mel, die an einem Be­grüßungs­schal von der Decke des Saales bau­melte; aber der Trom­mler hatte den ganzen Abend über wenig Lust, und so muß­ten die tan­zen­den Damen und Her­ren selbst für die not­wen­dige Ge­räusch­kulis­se sorgen. Das geschah in Form eines Wechsel­gesangs zwischen Män­nern und Frauen, der un­glaublich getragen und würdig wirkte, ganz in Über­einstimmung mit den langsamen Bewegungen und dem ersten Anlaß des Festes.

Wie jede Leichen­feier hatte auch dieses Toten­fest eine sehr starke soziale Kom­po­nente: Die ganze Ge­mein­schaft zeigt darin der Familie des Ver­storbe­nen An­teil­nahme und Zu­wen­dung. Des­halb ruht die Arbeit, und das halbe Dorf hat sich in der Tempel­küche ver­sam­melt, um den Fest­schmaus für die Beter, die An­gehöri­gen und — die Touristen zu­zu­berei­ten. In­zwischen haben sich näm­lich außer mir noch einige wei­tere Aus­länder in Tarke Ghyang ein­ge­funden, alles eifrige Trek­ker, die wegen dieser Feier ihre Wan­derung auf ein oder zwei Tage unter­brochen haben; dazu kommt noch ein deutscher Student des Bud­dhis­mus, der hier Medi­tation übt.

Nepali/Sherpa Food: Polda (Tsampa ball) with potatoes and beef and butter tea

Polda mit Kartoffeln und „frisch­gestorbenem“ Rind, dazu Buttertee

Nepali/Sherpa Food: Fried bread (puri) with chickpeas, potatoes and Skuti (dried buffalo meat)

Ballonbrot Puri mit Kichererbsen, Kartoffeln und Sukuti (getrocknetem Büffel)

Nepali/Sherpa Food: Pasta, noodles fried with onion, turmeric and garlic

Pasta

Nepali/Sherpa Food: Tibetan butter tea prepared during a temple festival in Tarkeghyang, Helambu, Nepal

So macht man Buttertee im Dong-Mu

Nepali/Sherpa Food: Butter (yak or cow)

Die Butter kommt von Yak oder Kuh

Kulinarisch an erster Stel­le steht der But­ter­tee, der von jedem ein­zel­nen täg­lich in Liter­mengen kon­sumiert wird; die Sherpa nen­nen ihn Tsa Chiya, also „Salz­tee“. In der Küche kochen in einem großen Tee­kessel Blätter von Grün­tee vor sich hin; die Flüssig­keit wird regel­mäßig ab­ge­zogen und mit Salz und Butter ver­mengt. Der tradi­tionelle Butter­tee-Stössel (Dong-Mu) kommt aller­dings nicht mehr zum Einsatz, oder genauer gesagt nur dann, wenn ein Strom­ausfall die Küchen­maschine lahm­gelegt hat, oder wenn der kuli­narisch ambitio­nierte Tourist um eine Vor­führung bittet. Der Tee wird dann in großen Metall­kannen zum Tempel trans­portiert und rundum an die Beter aus­geschenkt. Die Butter hat immer einen leichten „Stich“ und macht die Sache recht pikant, aber keines­wegs penetrant.

Dreimal täg­lich, näm­lich am mitt­leren Vor­mittag, am späten Mit­tag und am frühen Abend, gab es war­mes Es­sen — und zwar er­staun­lich gutes. Sehr ge­wun­dert habe ich mich über das Rind­fleisch am ersten Abend, von dem mir erklärt wurde, das Tier sei rein zu­fällig am vorigen Tag ver­storben. Bud­dhisten dürfen ja grund­sätz­lich keine Tiere töten oder eine Schlach­tung in Auf­trag geben, aber Rinder sind doppelt heikel, weil sie in Nepal gesetz­lich ge­schützt sind: Wer das Na­tio­nal­tier des Landes tötet, muß mit 2 Jahren Ge­fäng­nis rechnen. Also kam ich zum Schluß, daß irgend­jemand hier ein ex­zel­lentes Karma hat, so daß dieser Lecker­bissen spontan und ziel­genau in den Topf fiel. Am zweiten Tag gab es Sukuti, also getrock­neten Wasser­büffel, der erst re­hydrati­siert und dann zu einem sehr würzigen Schmor­gericht mit an­genehm biß­festen Mund­gefühl verkocht wurde; des Büffel hatte dabei eine leichte Fer­mentations­note, die fast an Trocken­fisch erinnerte und über deren Ursprung ich mir nicht klarwerden konnte.

Die Ge­müse­beilagen waren nicht so span­nend: Kar­toffel­curry und ro­te Boh­nen schmecken eben doch über­all ähn­lich. Dagegen freute ich mich sehr über die Stärke­lieferan­ten: Am ersten Tag bekam ich Polda, das sind Kugeln aus Gersten­mehl (Tsampa), Butter­tee und Butter­fett (indisch Ghi, auf Nepali Ghyu), das ähn­lich aber durchaus nicht gleich wie die Butter für den Tee schmeckt. Der Teig wird gut durch­geknetet und zu etwa 8 cm großen Kugeln geformt. Alter­nativ kann man Tsampa übrigens auch mit Butter­tee zu einem steifen Brei ver­men­gen. Da das hell­beige Tsampa-Mehl aus vor­gerösteten Gersten­körnern ge­mahlen wird, ist es ohne Kochen verzehr­fertig und schmeckt etwa wie pulveri­sierte Corn­flakes; es ist extrem sät­tigend. Später lernte ich auch ein frit­tiertes Brot ähnlich dem indischen Puri kennen, und auch Art Nudel­pfanne, die simpel als Pasta bezeich­net wurde. Diese Pasta bestand aus breiten, weich­gekochten Nudeln, die mit Zwiebeln, Curcuma- und Chili­pulver in einer Pfanne angebraten wurden; das ganze erinnerte mich etwas an heimischen Grenadiermarsch.


Tarke Ghyang 1 Patan 2

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