Landkarte
Im Zug von Süd nach Nord Fikkal

Ilam इलाम (Nepal)

Vegetable market in Ilam, Nepal

Gemüsemarkt in Ilam

Kakarbhitta border station, Terai, Nepal

Grenzübergang in Kakarbhitta

Liebe Birgit,

ich bin vor einer Woche nach Nepal ge­kommen. Nach der gut vierzig­stündigen Zugfahrt von Südindien erreichte ich den Korridor von Siliguri, der nur 20 km breit zwischen Nepal und Bangladesh einge­klemmt liegt und vom indischen Kern­land in die Nordost­provinzen führt. Diese waren aber nicht mein Ziel, statt­dessen fuhr ich mit einem klap­prigen Bus zur Grenz­station von Panityanki, passierte die Grenze zu Fuß über eine etwa 100 m lange Brücke ins nepalische Kakar­bhitta und erle­digte dort den Papier­kram, den die Ein­reise so mit sich bringt, inclusive der Visa­gebühr von 90 €. So freund­liche Immigrations­beamte habe ich noch nirgend­wo gesehen!

Die nepali­sche Realität holte mich dann rasch ein. Wegen eines Streiks fuhr kein Bus von Birtamod nach Ilam, einem drei­einhalb Stunden entfernten Höhenkur- und Tee­anbauort. Also schlief ich eine weitere Nacht irgendwo zwischen Kakerlaken (macht mit den im Zug verbrachten bereits drei Nächte ohne erkennbare Annehmlich­keiten) und fuhr am Tag darauf die landschaft­lich wunder­schöne Straße nach Ilam hinauf. Sie beginnt nahe der Grenze im flachen und heißen Tarai (Nepals Anteil an der nord­indischen Tiefebene) und zieht sich dann in die sogenannte hills region, also die Himalaja-Fußhügel. Die See­höhe beträgt etwa 1300 m, und da spricht in Nepal niemand von einem „Berg“.

View of Ilam, Nepal

Stadtbild von Ilam

Tea garden in Ilam, Nepal

Teegarten

Ilam liegt inmitten freund­lich grüner Hügel, die teils noch echt be­waldet, teils aber auch zum Reis- oder Tee­anbau genutzt werden. Zu sehen gibt es außer der Land­schaft nichts, und auch diese verbirgt sich jetzt, zur Monsun­zeit, hinter einem gar nicht zarten Nebel­schleier. Das kommt aller­dings nicht un­erwar­tet, denn das nicht weit ent­fernte Darjeeling in Indien ist ja auch als Nebel­loch bekannt. Also spaziere ich durch die von Nebel­fetzen mystisch geadelten Tee­gärten (Chiya­bari), plaudere mit netten Nepalesen und lasse mir von ihnen interessante Gewürz­pflanzen zeigen: Hier, am Süd­rand des Hima­laya, sind immer­hin drei Gewürze heimisch, die man anderswo nicht oder zumindest nicht in dieser Form finden kann.

Zanthoxylum alatum: Nepalese native pepper, timur

Nepal-Pfeffer

Der nepali­sche Sichuan­pfeffer, eigent­lich sollte man wohl „Nepal­pfeffer“ sagen, heißt auf Nepali Timur und ist mit dem tibetischen ENg verwandt (den habe ich Dir bereits vor ein paar Monaten aus Dharam­sala beschrieben). Jetzt habe ich endlich auch einmal eine Pflanze gesehen, die reiche Büschel von unreifen Früchten trug. In so eine Frucht hineinzubeißen ist ein schräges Vergnügen, ungefähr so, wie eine 9V-Block­batterie zu verspeisen, denn es stellt sich das bekannte, halb elektrisch anmutende und halb an einge­schlafene Füße erinnernde Kribbeln auf der Zunge ein, und zwar um ein Viel­faches stärker als beim getrockneten Gewürz. Chinesisch heißt dieser Geschmack 麻 und drückt der Sichuan-Küche seinen prägenden Stempel auf, aber verwandte Gewürze werden auch in Südwest­indien, Sumatra, Japan und Korea verwendet.

Amomum subulatum: Black (brown, greater) Cardamom in Nepal

Die Früchte des schwarzen Cardamoms entwickeln sich in dichten Aggregaten an der Stengelbasis

Amomum subulatum: Black (brown, greater) Cardamom in Nepal

Laubwerk von schwarzem Cardamom

Amomum subulatum: Black (brown, greater) Cardamom pods in Nepal

Gruppe unreifer Cardamomkapseln

Überall ent­lang der Stra­ße nach Ilam sieht man Cardamom-Stauden. Das ist aller­dings nicht der ele­gant schmecken­de Grüne Cardamom, von dem ich Dir aus Süd­indien berichten konnte, sondern es handelt sich um eine lokale Art mit großen, dunkel­braunen Kapseln, die man schon einmal mit einem Kaker­laken ver­wechseln könnte (beides kommt hier ja massig vor). Das Aroma ist wenig subtil, eher kräftig nach Eucalyp­tus, und beim beim Trock­nen über offe­nem Feuer gesellt sich dann noch eine Rauch­note hinzu. Die Früchte ent­wickeln sich in dichten Aggre­gaten ganz in Boden­nähe und sind leider noch nicht reif. Dieser in ganz Nord­indien beliebte Schwarze Cardamom wächst eigent­lich nur hier, in den tieferen Himalaya­lagen Nepals und der benach­barten Regionen Indiens.

Cinnamomum tamala: Indian bay leaf, Cinnamm leaf growing in Nepal

Indischer Lorbeerblätter

Das dritte Gewürz war am schwer­sten zu finden, ob­­wohl ich es es so­gar am Markt ange­boten sah: Die so­genann­ten „Indi­schen Lorbeer­blätter“ stammen in Wahrheit von einer Zimt­art mit minder­wertiger Rinde, aber süß nach Zimt duftenden Blättern. Nach langer Suche schickte man mich schließ­lich in einen kleinen Haus­garten, in dem tat­sächlich zwei schlanke Bäume standen. Aber beide erwiesen sich als wenig photogen, da sie in einem unglaub­lichen Ausmaß von Raupen befallen waren, die das aromatische Laub im Zeitraffer­tempo annihilierten. Selbst ein Grünen-Partei­mitglied der ersten Stunde hätte diesen beiden armen Gewächsen eine Jahres­dosis DDT gegönnt!

Nepali food: Dal Bhat Tarkari (Dalbhat)

Dal Bhat Tarkari

Du fragst Dich jetzt bestimmt, wie die nepali­sche Küche schmeckt. Bislang ist das Fazit eher er­nüch­ternd. Die Restau­rants bieten neben chinesi­schem Chow Mein, in Berlin als „Nudelpfanne“ überall zu haben, eigentlich nur Dal Bhat Tarkari an, das heißt soviel wie „Linsen, Reis und Gemüsecurry“ und gilt als nepalisches Nationalgericht. Die Linsen sind oft ungeschält und werden in Gemüsebrühe gekocht, wobei sie ihre Bißfestigkeit behalten; in Indien sind dagegen meistens geschälte Linsen im Einsatz, die in kürzester Zeit zu einem Brei verkochen. Gewürzt wird das Dal nur mit Salz und (wenn man Glück hat) etwas Chili.

Auch die Gemüsecurries sind sehr mild; besonders beliebt ist zur Zeit Kürbis, und zwar ißt man die jungen Blätter und Stengel, die zuvor mühsam von den Ranken befreit werden. Die Zubereitung ist einfach: Das Blattgemüse wird gekocht oder gedämpft und daraufhin mit etwas Fett, Kreuz­kümmel und Bockshorn­klee in der Pfanne geschwenkt. Kartoffel­curries sind auch überall zu haben und auch trockene, frittierte Kartoffelraspel.

Capsicum chinense: Akabare khorsani chili (Capsicum chinense) in Nepal

Der superscharfe Akabare Khursani

Das alles schmeckt recht lasch, aller­dings be­kommt man auf Anfrage auch gerne Chilies zum Knab­bern dazu­gereicht. Außer den übli­chen langen Schoten gibt es hier auch rund­liche, in denen ich zu meinem Er­staunen die aggressive Schärfe und den blumigen Geruch der Art Capsicum chinense erkannte. Der lokale Name dieser in meiner umfang­reichen Chili-Literatur nicht erwähnten Sorte lautet Akabare Khorsani.

Sonst gibt es noch überall die bekannten Momos, meist in einer vegetarischen Variante, und die üblichen nord­indischen Snacks wie Samosa und gekochte Kicher­erbsen. Auch einen süßen Zahn scheinen die Leute zu haben, jedenfalls steht an jeder Straßen­ecke ein Süßigkeiten­händler, der Barfi, Pera, Gulab Jamun und ähnliches feilbietet, oft auch noch einfache pikante Mahlzeiten dazu (wie das ja auch viele Cafés in Deutschland tun).

Naja, daß man im Gebirge suboptimal ißt, kommt ja nicht wirklich unerwartet; hier eben sind Rustikalität und Einfachheit Trumpf. Trotzdem bleibe ich noch länger in der Gegend: Morgen fahre ich nach Fikkal und gehe dort was trinken.


Im Zug von Süd nach Nord Fikkal

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