Landkarte
Dharamsala 2 Mandi

Amritsar 2 ਅੰਮ੍ਰਿਤਸਰ (Punjab)

Golden Temple (Harimandar Sahib) in Amritsar, Punjab (India)

Der Goldene Tempel des Sikhs ist das Wahrzeichen Amritsars, aber diesmal berichte ich von etwas anderem.

Liebe Birgit,

aus Amritsar habe ich Dir ja schon vor eineinhalb Jahren berichtet. Nun habe ich es wieder besucht, denn meine Begleiterin Petra (Name von der Redaktion geändert) muß in zwei Tagen im Flugzeug nach Deutschland sitzen, und wegen der guten Verkehrs­anbindung bot es sich an, die letzte Fahrt von Amritsar anzutreten: Von hier ist es gerade eine Nachtbus­fahrt bis nach Delhi.

Natürlich haben wird uns den Goldenen Tempel, den Harimandar Sahib, einen Tag lang ausführlich angesehen, und auch die hervor­ragenden Linsen in der kommunalen Küche erneut versucht; ich kann Dir versichern, daß der Knoblauch­anteil keineswegs geringer geworden ist. Diese Fest­stellung allein würde einen neuerlichen Brief aus Amritsar nicht recht­fertigen; aber ich hatte beim letzten Mal auch etwas kryptisch angemerkt, daß die Stadt noch einige weitere Sehens­würdigkeiten bereithält, und der jetzige Aufenthalt gibt mir die Gelegenheit, Dir auch davon zu berichten.

Denn Amrit­sar bietet zwei Hindu-Tempel, die in ge­wis­sem Sinne einzig­artig sind. Beide liegen in Geh­entfer­nung vom Bahn­hof, von wo auch unser Nacht­bus abfuhr, und so konn­ten wir den letzten Tag zu einer einiger­maßen ent­spann­ten Be­sich­tigungs­tour nutzen.

Labyrithine stairways inside Mata Mandir (Mother Temple) in Amritsar, Punjab (India)

… führt zunächst durch ein Labyrinth von Stiegen …

Mirror-clas room with Sarasvati idol inside Mata Mandir (Mother Temple) in Amritsar, Punjab (India)

… durch viele verspiegelte Räume mit Göttinnen (hier Saraswati) …

Kali statue in main room of Mata Mandir (Mother Temple) in Amritsar, Punjab (India)

… in einen Hauptraum mit Kali …

Shiva Lingam with face in main room of Mata Mandir (Mother Temple) in Amritsar, Punjab (India)

… und vielen Lingams mit androgynen Shiva-Köpfen.

Entry to Mata Mandir (Mother Temple) in Amritsar, Punjab (India)

Der Eingang zum Mata Mandir …

Artificial subterrestrian stream inside Mata Mandir (Mother Temple) in Amritsar, Punjab (India)

… und einen aus Plastik gebauten unterirdischen Wasserlauf …

Müßte ich den Mata Mandir („Mutter­tempel“) knapp be­schrei­ben, so würde ich sagen, es ist ein femi­nisti­scher Hindu-Tempel, aber er hat auch etwas von Disney­land und einem Grusel­kabinett an sich. Petra kommen­tierte den Tempel nur mit „Diese Inder sind doch alle Freaks!“. Ich glaube, wir haben beide Recht.

Der Tempel liegt in einem relativ ruhigen Wohn­gebiet. Von außen kann man nicht viel Spiritu­elles erkennen, außer glitzern­dem La­metta auf beiden Seiten der Straße; und wenn man den Tem­pel be­tritt, dann blickt man einer zu­nächst in eine sehr unauf­regende große Halle, die nichts Unge­wöhn­liches offen­bart. In diesem Moment wird man aber vom Brahmanen am Weiter­gehen gehindert und links in einen kleinen Durch­gang geschubst, an den sich eine schmale Treppe an­schließt. Und in diesem Moment beginnt das Abenteuer.

Man klettert treppauf und treppab, wobei sich die Treppen immer mehr zu einem Laby­rinth aus­wachsen, das im Einbahn­system durch­wandert werden muß. Immer wieder kommt man zu bereits bekannten Hallen, oder erblickt etwas von oben, was man schon zuvor von links gesehen hat. Absper­rungen ver­hindern dabei, daß man bereits durch­laufene Weg­strecken ein zweites Mal betritt. An einer Stelle muß man sich sogar durch einen aus Plastik nach­gebauten Höhlen­durchgang zwängen, an einer anderen kommt man in ein Spiegel­kabinett, das aussieht wie der Moti Mahal des Maharajas von Phantasistan, einge­richtet von seinem schwerst LSD-abhängigen Innen­architekten. Als krönendes Finale durch­watet man einen geisterbahn­artig wirkenden nach­gebauten unter­irdischen Wasser­lauf, der mit Tropf­steinen in Form von Kuh­eutern sehr geschmack­voll dekoriert ist.

Denn das The­ma des Tempels ist die Weib­lich­keit. Des­halb de­filiert man an langen Galerien von Statuen diverser Mutter­gott­heiten vorbei, die aus allen Teilen Indiens zu­sammen­gesam­melt sind, und kommt nach vielen Ab­lenkun­gen schließ­lich in einen großen Saal voller Shiva­lingams, die alle einen äußerst weib­lich an­muten­den Kopf Shivas tragen; an der Stirn­seite streckt Kali in­mitten einer hochglanz­verspiegelten Umgebung ihre lange rote Zunge heraus. Danach muß man nochmals durch das Labyrinth und landet zu­letzt in jener großen eben­erdigen Halle, die man bereits ganz zu Anfang kurz gesehen hat.

Auch in der Halle drän­gen sich bunte Göttinnen­statuen an­einander. In der Mitte der Stirn­seite kann man sich dann den übli­chen Segen ab­holen, aber er wird tat­sächlich nicht etwa von einem Mann, sondern von einer echten Brahmanin ge­spendet! Über­all in der Halle findet man Porträts einer brillen­tragen­den Frau: Das ist Anfang des letzten Jahr­hunderts im heutigen Paki­stan geborene hin­duisti­sche Heilige Lal Devi. In ihrem Namen agiert ein Trust, der unter anderem auch den Mata Mandir betreibt.

Durgiana Mandir Temple in Amritsar, Punjab (India)

Der Durgiana Tirath ist auf der Ostseite nur ganz wenig vergoldet …

Durgiana Mandir Temple in Amritsar, Punjab (India)

… aber auf der Westseite glitzert es ganz ordentlich.

Inside Durgiana Mandir Temple in Amritsar, Punjab (India)

Innenraum des Durgiana-Tempels

Silver Gate (with Brahma and Gayatri Mantra) at Durgiana Tirath Temple in Amritsar, Punjab (India)

Silberverkleidete Holztür mit fünfköpfigem Brahma und dem darunter geschriebenem Gayatri-Mantra

Nach die­sem Erleb­nis mach­ten wir uns dann zum Durgiana Tirath auf, den Du öfter unter seinem Hindi-Namen Durgi­yana Mandir finden wirst. In den Reise­führern trägt er auch oft Spitz­namen wie „Kleiner Goldener Tempel“; tat­sächlich wirkt er wie eine Kopie des letz­teren, aber da sich die Hindus nicht so viel leisten können wie die wirt­schaft­lich er­folg­reiche­ren Sikhs, ist er eben ein paar Kon­fektions­größen kleiner aus­gefal­len, und die Ver­gol­dung bleibt auf die ober­sten Dach­partien und die kleine Kuppel beschränkt.

Wie sein großes Vor­bild liegt der Durgiana-Tempel in einem Teich und wird über einen Steg, und zwar von der Nord­seite, er­reicht. An die­ser Stel­le wurden wir von einem Inder ange­halten, der sich als Mr. Dev­endra, der Mana­ger des Tem­pels, zu er­kennen gab und uns erklärte, daß er große Pläne zum Um- und Ausbau habe, die teil­weise gerade umge­setzt würden. Voller Stolz, aber mit geringem Respekt für die an­wesenden Gläubigen, zeigte er uns die Kunst­schätze des Tempels, von denen die ver­silberten Holz­türen am beein­druckendsten wirkten. Er schien ein fähiger und engagierter Ad­ministrator zu sein, ließ aber gleich­zeitig wenig eigenes spirituelles Inter­esse durch­blicken — auf eine solche Persönlich­keit bin ich in Indien noch nie gestoßen, und viel­leicht brauchen manche Tempel genau so jemanden.

Tatsächlich fielen mir einige Ver­änderungen seit meinem letzten Besuch auf. Der Säulen­gang rund um den See wird gerade total­renoviert, und an der Ost­seite findet man nun hinter dicken und staubigen Glas­scheiben einige in ihrem Stil über­raschend naturalisti­sche plasti­sche Dar­stel­lun­gen mytho­logischer Szenen. Herr Devendra hatte einen Narren an mir gefressen, weil ich die Szenen alle erkannte, und schleppte mich zur Belohnung noch in einige weitere assoziierte Tempel, darunter einen für Hanuman und einen, der einem gewissen Tulsi Das gewidmet war, der das Ramayana auf Hindi nachgedichtet hat. Alle diese waren — sehr bunt.

So brachte dieser Tag einen Farben­rausch sonder­gleichen, und er markiert auch auch das Ende meiner sehr ange­nehmen Reise zu zweit. In einem Tag werde ich Petra in ihr Flug­zeug setzen und mich in die Berge zurück­ziehen, aber nicht, um gleich Shiva ein paar Jahr­hunderte zu meditieren, sondern um mich für meine bevor­stehende Reise nach Ladakh zu akklimatisieren.

Indian sleeping on foot-over bridge in Amritsar, Punjab (India)

Zimmer mit Aussicht: Ein Inder hat sein Schlaflager auf einer Fußgängerbrücke gerade vor dem Bahnhof aufgeschlagen und döst, während unter ihm halb Amritsar die Betätigung der Hupe übt.

Indian / Punjabi Food: Panir Pakora

Paneer Pakora

In den zwei Tagen hier haben wir nicht beson­ders viel Inter­essantes ge­gessen; es gab ziem­liche Standard-Punjabi-Küche, wie ich sie Dir ja schon oft be­schrieben habe. Erst­mals stolperte ich hier aber auf eine Speziali­tät, die ich sonst nur aus euro­päischen Indien-Restau­rants kenne: Paneer Pakora. Pakora sind ja Gemüse­stücke, die in einen Teig getaucht und frittiert werden; das dazu nötige Mehl (Besan) wird übrigens aus gekochten und danach getrockneten und gemahlenen Kichererbsen gemacht. In diesem Fall kamen aber statt Gemüse Würfel von Frischkäse zum Einsatz, die mit Tanduri-Gewürz­mischung mariniert waren. Ich muß zugeben, daß Paneer Pakora der rajasthanischen Mirch Pakora aus grünen Chilies nicht den Rang ablaufen kann, aber für eine solide Nummer Zwei auf der ewigen Pakora-Hitliste reicht es allemal.


Dharamsala 2 Mandi

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