Fingerhut in einem Vorgarten in Tarkeghyang
Maisfelder im Indravati-Tal
Frau beim Trocknen von Mais in Timbu
Mani-Mauer und Stupa vor den Häusern in Tarkeghyang
Fingerhut in einem Vorgarten in Tarke Ghyang
Liebe Birgit,
nun sitze ich also auf 2500 m Seehöhe in Tarke Ghyang, einem von Sherpa bewohnten Dorf in der grünen Bergwelt des Helambu-Nationalparks. Die Anreise war gar nicht einfach, und beim Gedanken an die Abreise steigen mir die sprichwörtlichen Grausbirnen auf.
Maisfelder im Indravati-Tal
Und so kommt man hierher: Von Kathmandu fahren viele Busse mit dem hochtrabenden Namen “Helambu Super Express” über Bhaktapur, Banepa und Dhulikhel, biegen dann irgendwo nordwestlich vom Araniko-Highway ab und folgen dem breiten, grünen Indravati-Tal mit seinen Maisfeldern und Bananenstauden. Dann erreicht man Melemchi, eine kleine Bazar-Stadt mit beschränktem Newar-Ambiente und recht heißem Klima. Dort ist für die meisten Busse Schluß; zwei oder drei pro Tag fahren aber das Melemchi-Tal hinauf, bis nach Timbu. Und wenn den Busfahrer richtig der Hafer sticht, wenn das Wetter paßt, wenn genug Diesel im Tank ist und wenn auch das Horoskop nichts dagegen hat, dann fährt einer davon in weiteren zweieinhalb Stunden acht Kilometer Luftlinie, tausend Höhenmeter und angeblich fast 20 Straßenkilometer nach Tarkeghyang. In sehr seltenen Fällen sollen die Busse noch weiter bis Melamchi Gaon kommen, aber das glaube ich erst, wenn ich es sehe.
Frau beim Trocknen von Mais in Timbu
In Melemchi angekommen, erfuhr ich, daß ich Tarke Ghyang nicht mehr am selben Tag erreichen könnte, daß mein Bus aber immerhin nach Timbu weiterfahren würde. Ich war froh, von der Ebene wegzukommen, und nahm das Angebot auf Weiterfahrt gerne an. Zwei Stunden später war ich in Timbu und checkte dort gleich im Riverside Guest House ein, das von einer freundlichen Sherpa-Dame geleitet wird. Am nächsten Tag, so versprach man mir, könnte ich dann weiterreisen.
Mani-Mauer und Stupa vor den Häusern in Tarke Ghyang
Stupa; das Dorf Melamchi Gaon ist rechts hinten sichtbar
Frau beim Trocknen von Mais in Timbu
Timbu ist ein kleines und nicht besonders interessantes Dorf auf 1500 m Seehöhe; es liegt am Rande des Helambu-Nationalparks. Die Helambu-Region ist ein trotz der Nähe zur Hauptstadt nur schlecht erschlossenes Gebiet, das fast ausschließlich von den berühmten Sherpa bewohnt wird. Die Sherpa sind eine tibetische Ethnie, die vor etwa 500 Jahren aus dem Hochland von Tibet nach Nepal eingewandert ist; der Name bedeutet eigentlich „Ostvolk“. Die meisten Sherpas leben in der Khumbu-Region (Solukhumbu-Distrikt) rund um den Sagarmatha, den wir als Mt. Everest kennen; die Helambu Sherpa sprechen einen leicht anderen Dialekt und nennen sich selbst Yholmo. Sie sind eine kleine Gruppe von weniger als 10000 Menschen und folgen wie fast alle tibetischen Völker dem Vajrayana-Buddhismus, und zwar in einer Rotmützen-Variante.
Stupa; das Dorf Melamchi Gaon ist rechts hinten sichtbar
Der Haupttempel von Tarke Ghyang
Ein Gauri-Baby
Avalokiteshvara und Padmasambhava im Kloster Chiri Gumba
Stupa; das Dorf Melamchi Gaon ist rechts hinten sichtbar
Der Bus am nächsten Tag fiel kommentarlos aus; ich überlegte mir bereits, denn ganzen Helambu-Plan aufzugeben, aber am übernächsten Tag kam ich dann doch noch weiter. Eigentlich wollte der Fahrer sogar bis Melamchi Gaon, aber der leichte Regenfall stimmte ihn bedenklich; deshalb wurde ich in Tarkeghyang abgesetzt, und das ist auch nicht schlecht. Das Dorf besteht aus grauen Steinhäusern, die sich dicht am Hang drängen; am unteren Ende steht ein großer Tempel mit vielen bunten Gebetsfahnen. Überhaupt kann man auf Schritt und Tritt irgendetwas Buddhistisches sehen, wie Stupas, Gebetsfahnen und Gebetssteine und Mani-Mauern; die letzteren sind sinnfreie Steinmauern, in die Gebetssteine eingelassen sind, und meist gehört noch ein Stupa (auf Tibetisch Chörten) zum Ensemble. Das Gelände fällt nach Nordwesten hin steil zum Fluß Melamchi Khola ab, und am gegenüberliegenden Hang sieht man Melamchi Gaon in der Morgensonne glänzen; das Wetter ist aber sehr instabil, und ab Mittag wechseln Sonne, Wolken und schlimmstenfalls leichte Regenschauer im Viertelstundentakt.
Ein Gauri-Baby
Eigentlich kann man hier nicht allzuviel unternehmen, denn das Dorf bietet keine touristischen Vergnügungen; solchen dekadenten Firlefanz wie Restaurants, Internet-Cafés oder auch nur Teestuben sucht man ganz vergebens. Allerdings gibt es zwei buddhistische Tempel: Der Haupttempel ist so etwas wie das spirituelle Herz des Dorfes und steht gleich am unteren Rand dessselben, an einer Wiese, die auch als Kuhweide und als Wendeschleife für die Busse aus Melamchi dient. Die Meditationshalle ist stimmungsvoll wenngleich nicht allzu reichlich geschmückt; eine genauere Beschreibung spare ich mir, denn die kommt im nächsten Brief. Der zweite Tempel heißt Chiri Gumba und liegt etwas außerhalb, am Weg nach Melamchi Gaon. Es ist frisch renoviert und trägt ein weithin leuchtendes gelbes Dach.
Avalokiteshvara und Padmasambhava im Kloster Chiri Gumba
Anemone
Orchidee
Kobralilie
Diese Chiri Gumba scheint ein echtes Kloster zu sein; zwar habe ich keine Mönche gesehen, aber wenigstens einige Kinder, die zwar nicht in das typische buddhistische Rot gekleidet sind, aber hier offenbar zur Schule gehen. Der Innenraum der Meditationshalle besticht durch zwei Statuen von Avalokiteshvara und Padmasambhava (Guru Rimpoche), durch mit Yakfell bespannte Trommeln, bunte Wimpel und farbige Freschi an den Wänden. Vor der Halle war ein zotteliges aber recht liebenswertes Kalb angebunden; es handelt sich dabei aber nicht um einen Yak (für die ist es jetzt in dieser niedrigen Lage zu heiß), sondern um eine Kreuzung aus Yak und Rind, die Gauri (oder tibetisch Dzo) heißt. Das optisch recht unansehnliche Yakfell fühlt sich übrigens seidenweich und sehr angenehm an, und deshalb hätte das Tier in jeden Streichelzoo gepaßt, zumal es mit riesgen Kulleraugen auch noch das Baby-Schema perfekt bediente.
Anemone
Orchidee
Kobralilie
Wilde Erdbeere
Bärlapp mit Marienkäfer
Glücksbringer
Wer gerne wandert (Regenfestigkeit vorausgesetzt), der hat die Auswahl zwischen einigen Fußpfaden, die Tarke Ghyang mit den benachbarten Dörfern verbinden. Nach wenigen Schritten ist man mitten in einem Wald, der zwar nur aus Laubbäumen besteht, sonst aber durchaus an alpine Forste in Höhenstufen von 1200 bis 1500 m erinnert: Der Boden ist mit Kräutern und Zwergsträuchern bewachsen, manchmal bilden größere Gebüsche ein echtes Unterholz, und von den Zweigen der Bäume hängen Flechten (dazu kommen dann noch grüne Epiphyten, die man bei uns vergebens suchen würde). Manche Arten oder Gattungen erkennt man sofort: Bärlapp, Fingerhut, Anemonen, Erdbeeren und Fingerkräuter sehen gleich oder nicht viel anders als in den Alpen aus, und besonders erfreut war ich über drei oder vier Aronstab-Gewächse (ich vermute, aus der Gattung der Kobralilien), die gerade in Blüte stehen. Eine Orchideenart, die schattige Felsen bewächst, trägt ebenfalls gerade blaßviolette, exotisch geforme Blüten, andererseits bin ich für die Rhododendron-Bäume wohl einen Monat zu spät dran.
Dedo Masu, Mais mit Fleisch
Maisknödel mit Pilzsauce
Glücksbringer
Die Verpflegung erzeugt nur beschränkte Wollust. Wie bereits erwähnt, gibt es keine Restaurants, aber an der Bus-und-Kuhwiese steht ein kleiner Laden, der (wenn er einmal nicht zugesperrt ist) zumindest Instant-Nudelsuppen nepalischer Bauart (Markenname Wai Wai) um vernünftiges Geld anbietet; mit viel Glück und Vorbestellung bekommt man auch ein Dalbhat oder eine Gundruk-Suppe. Wirklich aufregend ist das alles nicht, aber dafür habe ich auf der Anfahrt beim Zwangsaufenthalt in Timbu erstaunlich gut gegessen.
Dedo Masu, Mais mit Fleisch
Maisknödel mit Pilzsauce
Denn dort gab es wieder einmal Mais. Die Besitzerin des Riverside Guest House offerierte mir als Trostpflaster für die lange Warterei Dedo Masu, das sind in der Pfanne knusprig angebratene Polenta-Knödel mit pikantem trockenen Büffelfleisch. Durch das Anbraten gewinnen die Dedo eine dünne, sehr glatte und beim Zerbeißen splitternde Oberfläche, die in einem angenehmen Gegensatz zu dem weichen, fast pappigen Innenleben steht; dasselbe gilt auch für das Fleisch, das offenbar langsam und lange gebraten wurde, bis es austrocknet und eine gewisse Zähigkeit entwickelt. Am nächsten Tag bekam ich in einer anderen Bude ein Frühstück, das aus weichen Maisknödeln mit einer milden Sauce aus Gemüse und Waldpilzen bestand und ebenfalls sehr gut mundete.
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