Landkarte
Puri Siehe auch Modhera, Almora 2 Bhubaneshwar

Konark କୋଣାର୍କ (Orissa)

South side of Surya Mandir Sun Temple in Konark, Odhisha, India

Ein Stück von der Südfassade des Sonnentempels von Konark, mit den Rädern 1 und 2.

Sun Temple Surya Mandir, in Konark, Orissa (India)

Der Aufgang zum Sonnentempel (Ostseite). Es steht nur noch die Vorhalle, der Tempelturm dahinter ist längst eingestürzt.

Restauration work at Sun Temple Surya Mandir, in Konark, Odhisha (India)

Der Tempel wird mit viel Arbeitskraft renoviert.

Sun Temple Surya Mandir, in Konark, Odhisha (India)

Der Sonnentempel (Surya Mandir) von Konark

Liebe Birgit,

obwohl Konark genau­so wie das letzte Woche be­sprochene Puri für einen Tempel berühmt ist, haben die beiden Orte eine sehr unter­schied­liche Atmo­sphäre. Konark ist ein kleines Dorf mit höch­stens ein paar Tausend Ein­woh­nern und ohne reli­giö­ses Leben, da der Tem­pel eine Ruine ist und folg­lich aus kunst­histori­schem und nicht aus spiri­tuel­lem Inter­esse be­sucht wird. Über­haupt kom­men die mei­sten Leute nur zu einem Tages­ausflug hier­her; daß ich schon einige Tage hier ver­weile, macht mich zu einer Art Exoten. Ent­sprechend geht es hier ziemlich friedlich und ruhig zu.

Allerdings kann Konark ein groß­kalibri­ges Stück UNESCO-Welt­kultur­erbe an­bie­ten: Den Sonnen­tempel. Dieser war dem Sonnen­gott Surya ge­weiht und be­ein­druckt durch seine wuch­tige Größe und seine vielen Dar­stel­lungen von Tages- oder Ka­lender­moti­ven; aber auch andere Themen­bereiche sind ver­treten, vom höfi­schen Leben bis zur Erotik. Alles in allem macht er auf mich heute den­selben un­geheu­ren Ein­druck wie 1995, als ich ihn zum ersten Mal sah, und meine da­mali­ge Er­kennt­nis, wo­nach dies der schönste Hindu-Tempel Indiens ist, muß fürs erste nicht re­vidiert wer­den (aller­dings darf Süd­indien in den kom­men­den Monaten gerne ver­suchen, diese Vor­gabe zu übertrumpfen).

Der Sonnen­tempel von Konark stammt etwa aus dem 14. Jahr­hundert und bestand, so wie die Tempel von Khajuraho, ur­sprüng­lich aus einer Vor­halle und einem Tempel­turm — aller­dings in giganti­schem Ausmaß, die Vor­halle erreicht 70 m Höhe, und der mittler­weile einge­stürzte Turm war bestimmt min­destens doppelt so hoch. Der ganze Tempel war nur etwa hundert Jahre in Gebrauch, bis er zu zer­fallen begann. Die Ein­heimi­schen er­zählen phantasie­volle Ge­schichten, warum der Tempel letzt­lich verfiel, etwa, daß er ur­sprüng­lich magneti­sche Steine als statisches Element ent­halten habe, die dann aber leider von irgend­wem geklaut wurden. Die Wahr­heit dürfte aber wohl sein, daß sich die Bau­meister in ihrer Giganto­manie über­nommen hatten, auch wenn es dem indi­schen National­stolz viel­leicht wehtut (es ist ja so schön, wenn man den räuberi­schen Moslems etwas in die Schuhe schieben kann).

Statue of Sun god at Sun Temple Surya Mandir, in Konark, Odhisha (India)

Der Sonnengott Surya lenkt den Sonnenwagen.

Sun Temple Surya Mandir, in Konark, Odhisha (India)

Die Südostseite des Sonnentempels

Erotic stone carving at Sun Temple Surya Mandir, in Konark, Odhisha (India)

Ein Relief mit einer eindeutigen Szene

Alle Archi­tek­tur des Tem­pels folgt ei­nem sym­boli­schen Prinzip, denn die ge­sam­te An­lage stellt den Wa­gen des Sonnen­gottes Surya auf seinem täg­lichen Weg über das Firma­ment dar. Ost­seitig steht ein steiner­nes Ge­spann aus sieben Pferden, die die Wochen­tage sym­boli­sie­ren. An Nord- und Süd­seite findet man je 12 Räder, die für Halb­monate ste­hen, mit je acht Spei­chen, die eine Unter­tei­lung des Tages in Ein­hei­ten von drei Stun­den wider­spie­geln. Und west­seitig blickt eine große Statue Suryas aus grün­lichem Granit Rich­tung Sonnen­untergang.

Die ge­sam­te Außen­fassade ist reich ver­ziert, und wenn die Statuen und Reliefs auch nicht die Fein­gliedrig­keit und Be­weg­lich­keit des Khaju­raho-Stils er­rei­chen, so sind sie doch sehr sehens­wert, und teil­weise äußerst def­tig; ähn­lich wie in Khaju­raho stel­len sie viele, ja viel­leicht so­gar alle Aspek­te des Lebens dar, und sexuelle Be­täti­gung ist ein Haupt­themen­komplex, neben dem höfi­schen Leben zwischen Krieg und Jagd, dem eben­falls viele Dar­stel­lun­gen ge­widmet sind. Der gute Er­haltungs­zustand ist übrigens dem einge­stürzten Tempel­turm zu ver­danken, unter dessen Schutt die Sandstein­skulpturen vor den Ele­men­ten ge­schützt in unsere Zeit überdauerten.

Wheal on Southern Side of Sun Temple Surya Mandir, in Konark, Odhisha (India)

Ein Rad auf der Südseite (Nummer 3)

Stone carving showing Giraffe at Sun Temple Surya Mandir, in Konark, Odhisha (India)

Relief mit Giraffe ganz rechts

Erotic stone carving showing threesome at Sun Temple Surya Mandir, in Konark, Odhisha (India)

Amusement zu dritt (auf der schattigen Nordseite)

Beson­de­res Inter­esse er­wecken die Räder. Sie sind etwa drei Meter hoch und sehr fein ge­arbei­tet; eine perlen­ketten­artige Reihe von punkt­förmi­gen Ver­zie­run­gen am Außen­rand dient als Skala, um aus dem Schat­ten eines an die Nabe ge­steck­ten Stabes die Zeit ab­zulei­ten. Diese Sonnen­uhr er­reicht eine Gang­genauig­keit von drei Minu­ten! Jede der acht Spei­chen des Rades ent­hält ein kleines Medaillon mit einer in den Sand­stein ge­schnitz­ten Dar­stel­lung; die acht Bilder pro Rad gehören im­mer einem gemein­samen Thema an, seien es nun die Avatare Vishnus oder die ver­schiede­nen Möglich­keiten, sich zu zweit oder zu dritt zu ver­gnügen.

Auch die rest­lichen Statuen und Reliefs sind sehens­wert. Man findet neben Götter­darstel­lungen auch viele welt­liche Bilder, etwa Jagd, Krieg und das pompöse höfi­sche Leben. Beson­ders inter­essant fand ich ein Relief, das un­verkenn­bar eine Giraffe zeigt — manche ver­binden dieses über­raschende Motiv mit den Ent­deckungs­fahrten des Zheng He 郑和, eines chinesischen Admirals, der im frühen 14. Jahr­hundert, also genau zur Erbauungszeit des Tempels, die Meere um Indien und Afrika befuhr und von dort er­wiesener­maßen einige lebende Giraffen nach China brachte. Legte er viel­leicht an dieser Tempel­baustelle, die damals noch direkt an der Küste lag, einen Zwischen­stop ein und ließ dabei seine exotischen Kost­bar­keiten kurz an die frische Luft?

Traditional ox-driven cart in a village near Konark, Odhisha (India)

Ochsengezogener Wagen

Anacardium occidentale: Cashew nut flower and immature fruits

Cashew-Staude mit Blüten und unreifen Früchten

Village scene near Konark, Odhisha (India)

Dorfleben

Hat man den Tem­pel ge­sehen, so lohnt es sich, in der Um­ge­bung von Konark etwas herumzu­spazie­ren. Nach den stau­bigen Braun­tönen der Land­schaft in Madhya Pradesh erfreut nun tropi­sche Grün das Auge, und die vielen kleinen Dörfer er­lauben einen Blick auf das länd­liche Indien, wie ihn der Tourist nicht jeden Tag ge­boten be­kommt. Man sieht: Hölzer­ne Wagen mit riesigen Rädern, gezogen von Rindern; Trauben von uni­formier­ten Schul­kindern, die ihre drei Englisch­vokabeln un­bedingt am jähr­lichen Touristen aus­pro­bieren wollen; bunt bemalte Lehm­häuser, auf deren Stroh­dächern Kürbis­ranken wuchern; und aus­gedehnte Cashew-Plantagen, deren Sträucher zur Zeit mit honig­süß duftenden Blüten über­zogen sind. Das Cashew-Gewerbe bringt den Bauern hier bei Kilo­preisen ab 300 Ru offen­bar gutes Geld ein.

Da die mei­sten Touristen den Ort nur als Tages­ausflug besuchen, sind die Unter­künfte be­scheiden, und die gastro­nomische Szene unter­bietet das Level von Puri ganz beträcht­lich. Inter­essanter­weise fand ich Gewürz-Souvenir­händler, die so exoti­sches Ma­terial wie Kubeben­pfeffer, Stern­anis und sogar Kümmel (an­geb­lich gut für Biryani!) anboten, und konnte die Ge­legen­heit gleich nutzen, um Gewürz­namen in der lokalen Oriya-Sprache zu recherchieren.

Das kuli­narische Angebot konzent­riert sich auf eine kurze Reihe von Restau­rants auf der Haupt­straße, die alle mit gleich­artigen und er­staun­lich kosmo­politschen Schildern werben: Raja­sthani Thali, Gujarati Thali, bengali­sches und punjabi­sches Essen bevölkert die Speise­karten fast überall in derselben Reihen­folge, und man fragt sich, ob wirklich jede dieser Bruch­buden so multi­regional versierte Köche beschäf­tigen kann. Nach Ver­köstigung komme ich zum Schluß: Nein.

Indian Food: Onion Dosa

Onion Dosa ist eine nicht ganz alltägliche Abwandlung von Masala Dosa

Indian Food: Kheer

Kheer

Indian Food: Iddli in Konark

Idli mit Kichererbsencurry sind am Morgen nicht jedermanns Sache — meine aber schon.

Interes­san­ter sind die süd­indischen Speziali­täten, die sowohl in den Re­stau­rants als auch in klei­nen, sehr im­provi­sier­ten Eß­ständen beim Tempel­eingang ver­kauft wer­den. Be­son­ders die Idlis haben es mir an­getan, denn diese ge­dämpf­ten Küch­lein aus einem fer­men­tier­ten Reis–Bohnen-Teig machen selbst mich Morgen­muffel zum Früh­stücks­tiger; sie werden mit pikantem süd­indi­schen Sambar (einer dicken, säuer­lichen Gemüse­suppe) und mit einem pikantem Chutney aus frischer Kokos­nuß serviert, ebenso wie das tagsüber erhält­liche Masala Dosa. Sehr inter­essant sind auch die süd­indischen Reis­gerichte, die durch Joghurt oder Limetten­saft einen er­frischend säuer­lichen Geschmack haben und deren Würzung mit Senf­samen, Curry­blättern und Asant nach all dem nord­indischen Essen der letzten Zeit unglaublich exotisch und fremdartig wirkt; davon später einmal mehr..

In Konark bin ich schwach geworden und dem Charme industriell her­gestellter Nahrungs­mittel verfallen: Unter Flavoured Milk muß man sich eine Art Kaffee­sahne vor­stellen, die zurück­haltend gezuckert und mit viel Cardamom gewürzt ist. Das ganze kann man an einem Govern­ment Milk Booth in eiskalten 150-ml-Portionen kaufen, und es schmeckt einfach grandios. Wer es traditioneller mag, kann Milch auch in Form von Khir genießen, das ist ein dünn­flüssiger Reis­pudding, den ich hier in einem Dorf ein paar Kilometer vor Konark in einer Version mit Cardamom, ganzen Mandeln, Cashew­nüssen und Rosinen gegessen habe.

P.S.: Das Hintergrundbild für diese Reiseberichte stammt übrigens von der Südseite des Sonnentempels.


Puri Bhubaneshwar

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