Landkarte
Nalanda Kolkata

Hazaribag हज़ारीबाग़, हजारीबाग (Jahrkhand)

Church of Northern India, in Hazaribag, Jharkhand, Northern India

Das Gebäude der protestantischen Church of Northern India

Hindu temple at dusk, in Hazaribagh, Jharkhand, Northern India

Hindu-Tempel bei Sonnenuntergang

Liebe Birgit,

was mache ich in Hazari­bagh, einer 1.5-Lakh-Stadt im Norden des touris­tisch un­bedeu­tenden Bundes­staates Jhar­khand, deren Ein­wohner sich selbst nicht sicher sind, ob man die Stadt nun eigentlich Hazari­bagh oder Hazari­bag schreibt? Eigent­lich weiß ich es selbst nicht so genau.

Hazaribagh (ich bleibe bei der Schrei­bung, die die gehörte Aus­spache am besten wieder­gibt) trägt einen persi­schen Namen, der ungefähr „Tausend Gärten“ bedeutet; aber ich habe hier nichts gesehen, was per­sisch (oder mogulisch) aus­sieht oder gärt­nerisch be­merkens­wert wäre. Die Stadt liegt auf dem ca. 600 m hoch gele­genen Chota-Nagpur-Plateau, das von zahl­losen eth­nischen Minder­heiten bewohnt wird; aber in der Stadt sieht man davon natür­lich nichts, denn die Adivasi leben ja fast nur in den Dörfern, und wenn sie in die Stadt kommen, können sie der As­simi­lierung durch die indi­sche Mehr­heits­gesellschaft nicht lange widerstehen.

Monument of Bhagwan Birsa Munda in Hazaribagh, Jharkhand, Northern India

Das Denkmal von Munda in Hazaribagh

National Highway 33 near Hazaribagh, Jharkhand, Northern India

Der NH 33 führt vierspurig durch das bewaldete Land

Nur das et­was ver­lorene Gottes­haus der Church of North India erinnert in Hazari­bagh daran, daß man sich in einer Minder­heiten­region auf­hält — und natürlich das kupfer­rot glän­zende Denk­mal gleich vor meiner Unter­kunft, das einen Adivasi-Krieger mit Pfeil und Bogen dar­stellt. Es handelt sich um den „BhagwanBirsa Munda, einen politi­schen und religi­ösen Führer des späten 19. Jahr­hunderts. Er trat für die Rechte der Ur­einwohner ein; obwohl sich sein Protest vor allem gegen die Ab­hängig­keit von indi­schen Grund­besitzern und Geld­verlei­hern richtete, geriet er in Konflikt zu den Briten und wird deshalb heute als „Freiheits­held“ verehrt. Er starb mit nur 25 Jahren in einem britischen Gefängnis.

Nach zwei­einhalb Jahren in Indien ist dies das erste Mal, daß ich in einer Stadt ab­steige, die nicht im all­wis­senden Reise­führer des lonely-planet-Verlages auf­scheint; es scheint, daß die Austra­lier allen Grund haben, die Gegend zu meiden, denn außer enorm ag­gres­siven Moskitos scheint es in der ganzen Stadt nichts zu geben, was die An­reise lohnen läßt. Wenn wir schon bei Tieren sind, dann sollte man auch noch die Ratten und Mäuse er­wähnen, die ständig durch mein sif­figes Hotel­zimmer huschen. Dazu kommen erheb­liche Ver­ständigungs­probleme, denn Englisch ist hier ein gerade­zu außer­gewöhn­liches Phänomen; statt­dessen quatscht mich jeder auf Hindi nieder, und kapiert einfach nicht, daß ich nicht ant­worten will (die indische Methode sagt: Klappt es beim ersten Versuch nicht, dann probiere es einfach nochmals).

Temple of eight Goddesses in Rajarappa, near Hazaribagh, Jharkhand (Northern India)

Der Tempel der Acht Göttinen (nur vier davon sind zu sehen)

Lotus Temple in Rajarappa, near Hazaribagh, Jharkhand (Northern India)

Der Lotus-Tempel

Coal-laden bicycle in Rajarappa, near Hazaribagh, Jharkhand (Northern India)

Tatwerkzeug eines erfolgreichen Kohlediebes

Confluence (Sangam) of Bhera and Damodar rivers in Rajarappa, near Hazaribagh, Jharkhand (Northern India)

Bei Rajarappa mündet die Bhera (rechts) in die Damodar

Also raus aus der Stadt! Ein­einhalb Bus­stunden auf dem NH 33 Richtung Ranchi liegt Ram­garh, von wo man in etwa der gleichen Zeit mit dem Sammel­jeep nach Raja­rappa fahren kann. Der National High­way 33 ist stecken­weise vier­spurig aus­gebaut und ver­spricht rasches Fort­kommen, aber viele Um­lei­tungen auf die Gegen­fahrbahn nehmen der Kon­struktion viel von ihrem Glanz. Dafür kann man aus­giebige Blicke in das wald­reiche Hinter­land des Bundes­staates Jharkand werfen, dessen geringer Entwick­lungs­zustand die Umwelt besser erhalten hat als andern­orts in Indien. Die Dörfer sehen zu meiner Ent­täu­schung nicht viel anders aus als sonst in Indien, und man bekommt keinen Hin­weis darauf, daß die Be­völ­kerung hier zu einem Viertel aus Stammes­gruppen bestehen soll; ledig­lich die Hirse­felder fielen mir als Besonder­heit ins Auge.

In Raj­rappa tref­fen zwei Flüs­se auf­einan­der: Die Bhera mündet in die Damodar. Solche Zusam­men­flüsse werden meist Sangam oder Sam­udra genannt und, das habe ich ja schon mehr­fach er­wähnt, sind immer heilig. Des­halb hat man an dieser Stelle in den 70ern eine An­zahl extrem bunter Tempel er­richtet, die angeb­lich in ganz Jhar­khand berühmt sind. Als ich nach­mittags ab­gekämpft dort ankam, war sehr wenig Betrieb, und aus Angst, den letz­ten Bus heim­wärts zu ver­passen, riskierte ich nur eine gute Stunde zur Besich­tigung der an das Damodar-Ufer gebau­ten Heiligtümer.

Durch eine Gasse von Devo­tionalien­händlern ge­langt man zu den durch­wegs recht kleinen Tempel­chen, die in allen mög­lichen Stilen erbaut und quietsch­bunt an­gemalt sind. Beson­ders in Er­in­ne­rung bleibt der Tempel der Acht Göt­tinnen, eine lineare An­ordnung von 8 klei­nen turm­gekrönten Heilig­tümern auf einer gemein­samen Platt­form, und ein lotus­förmiger Shiva-Tempel. Ein paar Pilger badeten in der Bhera, und einige zweifel­haften Gestalten, die in der Wasch­anlage einer nahe­gelegenen Kohle­mine säcke­weise Kohle ein­gepackt hatten, waren eben­falls er­schie­nen, wahr­schein­lich zur post­kriminel­len karmi­schen Reini­gung. Ein junger Mann, den ich in Ramgarh getrof­fen hatte, er­zählte mir, daß Kohle­diebstahl in Rajarappa so eine Art Volks­sport sei, und er muß es wohl wissen, denn sein Vater arbeitet in der Mine.

Kartik Purnima procession in honour of Satya Sai Baba, in Hazaribagh, Jharkhand, Northern India

Ein Kamel an der Spitze der Kartik Purnima

Kartik Purnima procession in honour of Satya Sai Baba, in Hazaribagh, Jharkhand, Northern India

Bei der Kartik Purnima wird zu lauter Musik getanzt.

Auch in Hazari­bagh stol­perte ich über etwas Hindu­isti­sches, näm­lich eine farben­frohe und laut­starke Pro­zes­sion am Tag des Voll­mondes (Kartik Purnima); sie war dem letztes Jahr ver­stor­benem Satya Sai Baba ge­wid­met. Selbst in der schil­lernden Szene der indi­schen Heiligen war Sai Baba mit seiner ikoni­schen Hochspannungs­frisur eine überaus auf­fäl­lige Gestalt, und viele Inder halten ihn für Gott selbst; seine An­hänger­schaft wird in Krors gezählt, und sein Ver­mögen in Lakhs von Krors. Ent­sprechend ex­zentrisch war dann auch die Pro­zession mit einem ge­schmück­tem Kamel, mehreren Wagen und einem riesigen Array von Laut­sprechern, die die zahl­reichen tanzenden Mäd­chen zu­dröhnten und extasisierten.

Zu essen gibt es in Hazari­bagh er­wartungs­gemäß nicht be­son­ders viel; da ich aber gleich vor meiner Ab­steige aus­gespro­chen gute ge­bra­tene Nudeln bekam, ergreife ich die Gelegen­heit, mich etwas mehr über dieses in Indien und Nepal so ver­breitete Gericht zu schreiben, denn seit meinem Bericht am Anfang der Reise habe ich natürlich viel dazugelernt.

Indian-Chinese Food: Chow Mien, fried noodles

Zubereitung von indisch–chinesischem Chow Mein (rechts hinten die Würzsaucen)

Indian-Chinese Food: Chow Mien, fried noodles

Indisch–chinesisches Chow Mein

In Indien gel­ten ge­bra­tene Nudeln als „chi­nesi­sches Es­sen“ und wer­den Chow Mein genannt (das wird fast imi­mer in Latein­buch­staben ge­schrie­ben, weil die Sache ja fremd im Land ist). Die Nudeln werden ge­kocht oder ge­dämpft und dann in einer fla­chen Pfan­ne mit ein paar Ge­müsen, grünem Chili und op­tional etwas Hühner­fleisch an­gebra­ten. Wich­tig sind dabei die Würz­saucen: Da das ganze ja chine­sisch sein soll, kommt etwas Soja­sauce zum Ein­satz, die aber von einer säuer­lich–scharfen grünen Chli­sauce und einer süß­lich-fruch­tigen roten Tomaten­sauce ge­schmack­lich in den Hinter­grund ge­drängt wird. So schmeckt es vor allem süß–sauer–scharf, eine Kom­bina­tion, wie man sie in Indien von „chinesischem Essen“ gewohnt ist; der­artige Würz­saucen kommen in der echten indischen Küche ja niemals vor.

Nepalese Food: Chow Mien, fried noodles

Zubereitung von nepalischem Chow Mein

Nepalese Food: Chow Mein, fried noodles

Nepalisches Chow Mein

Chow Mein ist dabei weniger ein Grund­nahrungs­mittel als ein Fast Food mit eher urbaner Ver­breitung, das man zwischen­durch kon­sumiert („fast ein Essen“). Anders liegt die Sache im Himalaya und auch in Naga­land, wo das Gericht eher all­täglich ist und weniger fruchtig, oft nur mit ein wenig Soja­sauce, zu­bereitet wird (die Nagas geben auch gerne ein paar Brocken Schweine­fleisch dazu). Daher sticht es weniger aus dem gewohn­ten Geschmacks­arsenal hervor und wirkt kon­ventionel­ler; außer­dem ist es weiter ver­breitet und wird eher als Haupt­mahlzeit verzehrt.

In Nepal wird diese Ten­denz zur Spitze ge­trie­ben: Chow Mein wird dort mit typisch indi­schen Ge­würzen wie Kreuz­kümmel, Cur­cuma oder rotem Chili­pulver ab­geschmeckt und oft auch mit ge­koch­ten Kicher­erbsen ver­mengt. Das ist also die am stärksten indi­sierte Version, die bezeich­nender­weise auch häufig im nativen Alpha­bet als Chau Min ge­schrie­ben wird; vielen gilt es als nepali­sches National­gericht, und man bekommt es wirklich überall.

Was das alles mit echten chinesi­schen Chao Mian 炒面 zu tun hat, muß ich offen­lassen. Chine­sische Touristin­nen, die ich in Kath­mandu ge­trof­fen habe, fanden es jeden­falls unter ihrer Würde, sich über dieses Zeug auch nur lustig zu machen.


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