Bei “Monastery No. 5” wurden zwei Wohnebenen freigelegt
Das Kloster “Monastery No. 10” mit Innenhof und Möchskammern (eine groß im Vordergrund)
“Monastery No. 11” zeigt noch gut erkennbar die Reste der Säulen des Rundganges
Bei “Monastery No. 5” wurden zwei Wohnebenen freigelegt
Das Kloster “Monastery No. 10” mit Innenhof und Möchskammern (eine groß im Vordergrund)
Liebe Birgit,
etwa 12 km nördlich von Rajgir, auf der Straße nach Bihar Sharif, liegt der kleine Ort Nalanda. Nochmals drei Kilometer tiefer in der Pampa trifft man auf die Ruinen des antiken Nalanda, einer buddhistischen Universität, die vom 5. bis zum 13. Jahrhundert blühte und eine internationale Studentenschaft auf ihren Campus lockte. Der Komplex besteht aus einigen Klöstern, die größtenteils in einer von Nord nach Süd orientierten Linie angeordnet sind, und einigen Tempeln, deren schönster und bekanntester nahe den nördlichsten Klöstern steht.
“Monastery No. 11” zeigt noch gut erkennbar die Reste der Säulen des Rundganges
Die Klöster dienten als Studentenwohnheime und boten auch einen Lehrbetrieb. Sie haben einen ziemlich standardisierten Bauplan und bestehen aus einen großen Innenhof, eingefaßt von einem zweistöckigen, viereckigen Gebäude, das fast nur aus kleinen Wohnkammern für die Mönche besteht. Vier Reihen von meist kaum erhaltenen Säulen zeigen, daß der Rundgang um den Hof von einem Flachdach beschattet war; auf der freien Flache des Innenhofes findet man meist Grundmauern von Tempeln, ein Podest oder einen Brunnen. Links und rechts vom Eingang befanden sich zwei „Schatzkammern“, die nach außen durch extra dicke Mauern gesichert waren und von innen nur durch einen langen, engen Schlurf von den ersten beiden Mönchskammern erreichbar waren; vermutlich wurden dort wertvolle Spenden gelagert.
Bei “Monastery No. 5” wurden zwei Wohnebenen freigelegt
“Temple No. 3” und Votivstupas
Entsprechend der langen Betriebszeit von einem halben Jahrtausend sind die meisten Klöster „doppelbödig“, d. h. sie wurden mehrfach neu auf dem Schutt ihrer Vorgänger aufgebaut. Teilweise hat der Archeological Survey of India die verschiedenen Ebenen freigelegt; es macht Spaß, das Labyrinth verschiedener Wohnebenen zu durchstreifen und mehrere Jahrhunderte fortgesetzter Bautätigkeit gleichzeitig zu betrachten, aber das hat natürlich nichts mit dem zeitgenössischen Erscheinungsbild des lebenden Klosters zu tun. Der Erhaltungszustand der Ziegelbauten ist generell schlecht, und viel mehr als Grundmauern sieht man ohnehin nicht.
“Temple No. 3” und Votivstupas
Aufgang zum “Temple No. 3”
Votivstupas vor dem “Temple No. 12”
Die Xuan Zang Memorial Hall im Sonnenuntergang
“Temple No. 3” und Votivstupas
Von den Tempeln ist der “Temple No. 3” am beeindruckendsten: Eine wuchtige Ziegelkonstruktion mit einer schon fast aztekisch wirkenden, breiten Treppe als einzigem Zugang und umgeben von einem wahren Wald von kleinen Stupas, die als Votivgaben identifiziert wurden. Auch er wurde in mehreren Phasen aufgebaut und dabei nach dem Matrioshka-Prinzip vergrößert, so wie die bekannten Maya-Pyramiden. Die anderen Tempel sind kleiner und schlechter erhalten; eine besondere Erwähnung verdient nur der “Temple No. 2”, weil er von einer Galerie aus über hundert Skulpturen umgeben ist. Sonst sind Skulpturen in Nalanda leider Mangelware (ein paar finden sich aber auf den größeren Stupas, und noch mehr im Museum). Nicht einmal in den inneren Heiligtümern der Tempel hat man welche gefunden, obwohl Sockel erhalten sind, die auf ziemlich große Buddha-Figuren als Kultobjekte deuten.
Votivstupas vor dem “Temple No. 12”
Über das Klosterleben in Nalanda ist recht viel bekannt. Die Inder haben ja keine Tradition der Geschichtsschreibung, aber freundlicherweise hat ein Chinese ausführliche Beschreibungen über den Betrieb von Nalanda hinterlassen: Kein geringerer als der berühmte Reisende Xuan Zang 玄奘 hat die Universität im 7. Jahrhundert besucht, und von ihm wissen wir, daß hier neben beiden buddhistischen Schulen (Theravada und Mahayana) auch Grammatik, Logik und Medizin unterrichtet wurden und daß die angeblich 10000 Studenten mit ihren Lehrern regelmäßig intensiv debattierten. Xuan Zang war von Westchina über Zentralasien nach Indien gekommen, besuchte die wichtigen Orte des Buddhismus in Nordindien und kam sogar bis tief in den Süden (siehe Kanchipuram); danach kehrte er mit einer wertvollen Sammlung indischer Schriften nach China zurück, wo er sie ins Chinesische übersetzte.
Die Xuan Zang Memorial Hall im Sonnenuntergang
In Rajgir drängen sich die Massen vor dem Pandal des Sri Panchasila Durgapuja Samiti …
An den großen Weltenbummler erinnert die zwei Kilometer südlich gelegene Xuan Zang Memorial Hall, ein schönes chinesischer Bauwerk, das die ganze Reise in Form eines riesigen Wandgemäldes in chinesischem Stil darstellt. Vor der Halle sieht man eine überlebensgroße Statue, die den antiken „Vater aller Traveller“ mit einem aus mehreren Modulen aufgebauten Rucksack und einem Sonnenschirm durchaus modern ausgerüstet auf der Walz zeigt.
In Rajgir drängen sich die Massen vor dem Pandal des Sri Panchasila Durgapuja Samiti …
… und sauen alles mit Opfergaben zu.
Straßendeko in der Dämmerung
In Rajgir drängen sich die Massen vor dem Pandal des Sri Panchasila Durgapuja Samiti …
In Rajgir ist übrigens gerade der Teufel los — genauer gesagt, die Göttin, der Löwe und der Dämon werden überall auf der Straße gesichtet. Die Rede ist natürlich von Durga und ihrem schon oft erwähnten Konflikt mit dem Dämon Mahisha (auch Mahishasura genannt). Einmal im Jahr gibt es zu diesem Anlaß ein großes Fest, das ich bereits einmal sehr friedlich als Dashaim in Nepāl und sehr prächtig als Dasara in Mysore erlebt habe; hier heißt es Durga Puja, Vijayadashami oder Dasahra (englisch meist Dussehra geschrieben) und dauert fünf Tage.
… und sauen alles mit Opfergaben zu.
Aufgang zum Sri Devi Sthan Mandir
Bereits bei meiner Ankunft in Rajgir fiel mir auf, daß nahe dem Busbahnhof, gleich neben einem kleinen Durga-Tempel, ein großes Latten- und Bambusgerüst gebaut wurde; später erhielt es eine Verkleidung aus grün–weißen Stoffbahnen und die Beschriftung Sri Panchasila Durgapuja Samiti. Am ersten Tag des Spektakels enthüllte sich eine Art Bühne mit Pappfiguren, die Durga beim Dämonenschlachten und andere Gottheiten darstellen, und sofort begann der Opferbetrieb: Gläubige konnten Süßigkeiten, rote Farbe und keimende Kokosnüsse opfern und damit das Privileg erwerben, auf die Bühne zu steigen und sich von der mit Kamerahandy ausgerüsteten Sippe neben der Göttin ablichten zu lassen.
Straßendeko in der Dämmerung
Durga beim Schlachten am Sraßenrand
Ähnliche Opferplätze (Pandal) waren binnen zwei Tagen an vielen weiteren Stellen in der Stadt aufgebaut worden; außerdem wurden die Straßen mit bunten Stofftunneln und ebensolcher Beleuchtung aufgemotzt. Verkaufsstände mit Puja-Zubehör schossen an alle Straßenrändern aus dem Boden, und angesichts der Massen von Pilgern kam der Verkehr einem Infarkt drohend nahe. Mit viel Hupe konnten die knappen Straßenkapazitäten aber doch irgendwie zwischen Religion und Motorverkehr aufgeteilt werden.
Eingang zum Sri Devi Sthan Mandir
Eingang zum Sri Devi Sthan Mandir
Durga beim Schlachten am Sraßenrand
Erbsenbrei für Matar Chat
Durga beim Schlachten am Sraßenrand
Aufgang zum Sri Devi Sthan Mandir
Am psychedelischsten wirkte der Sri Devi Sthan Mandir, der offenbar allen Aspekten der Frauen Shivas gemeinsam gewidmet ist. Bereits bei Tageslicht ist er in seinem Zuckerrosa ein schwerer Schlag für Empfindsame, aber in der Nacht verwandelt er sich in in eine Art Stil-Sodom, mit leistungsstarker Beleuchtung in den Komplementärfarben Rot und Grün, unterstützt von polychromatisch animierten LED-Displays, die das Om-Zeichen effekttechnisch in 21. Jahrhundert beamen. Zur optimalen Beschallung kommen mobile 1000‑PS-Lautsprecher zum Einsatz, nämlich LKWs, deren Vorderseite bis auf ein winziges Guckloch für den Fahrer mit Lautsprecherboxen zugepflastert wird.
Erbsenbrei für Matar Chat
Kabab, in der Pfanne gebraten
Den ganzen Tag sind die Leute damit beschäftigt, vor den Götterstatuen Kokosnüsse zu zerschmettern, einander zu photographieren und snackend durch die Straßen zu eilen. Der beliebteste Snack ist Matar Chat. Während im Nordwesten unter Chat eine trockene Knabbermischung verstanden wird, bedeutet das hier einen Erbsen-Brei, der mit zerquetschten Kartoffel-Laibchen (Chap) und einem Haufen Würzen (Salz, Schwarzem Vulkansalz [Kala Namak], Kreuzkümmel, Chili, Zwiebel und Tamarindenwasser) vermischt und gelöffelt wird.
Kebab, in der Pfanne gebraten
Rindfleisch-Curry
Kabab, in der Pfanne gebraten
Wegen des Gedränges in der Stadt habe ich meine Mahlzeiten in den letzten Tagen lieber außerhalb, in der muslimischen Badeanstalt Makhdm Kund, eingenommen, genauer gesagt im Hotel Firdausiya. Wie in vielen Muslim-Freßbuden ist es dort sehr fleischlastig, und man bekommt kaum Gemüse, was in Indien eine angenehme und etwas exotische Abwechslung darstellt. Neben dem gegrillten Sikh Kebab lernte ich auch eine in der Pfanne gebratene Version kennen und genoß einen feinwürzigen Rindfleischcurry mit einer an österreichisches Gulasch erinnernden Farbe.
Qima mit halben Kichererbsen
Khichari
Außer Reis und Paratha bekommt man auch Khichari, den erst kürzlich erwähnten Brei aus Reis und Hülsenfrüchten (hier nahmen sie rote Linsen, Masur Dal), und zwar in seiner üblichen, risotto-artig flüssigen Form. Dabei, und auch bei allen anderen gekochten Speisen, zeigte der Koch einen Hang zu indischen Lorbeerblättern.
Qima mit halben Kichererbsen
Diese Würznote dominierte auch das Qima (oder Kima), ein für die muslimische Küche Indiens ganz typisches Gericht, von dem ich sträflicherweise noch nie geschrieben habe. Es ist eine Art Hackfleisch-Curry mit der Konsistenz von Ragù Bolognese und wird meist aus Lamm, hier aber aus Rind hergestellt. Die aromatische, muslim-typische Würzung orientiert sich etwas an der Zusammensetzung des Garam Masala: Indische Lorbeerblätter, Zimt, Cardamom und Nelken geben den Ton an, und Chilis bleiben im Hintergrund. Qima kann ziemlich fett sein, besonders in der Lammvariante, aber hier war es wesentlich wäßriger und damit magenfreundlicher; außerdem mischte der Koch einige halbe Kichererbsen (Chana Dal) unter das Fleisch, und das kam bei mir ziemlich gut an.
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