Landkarte
Kolkatta Puthia

Rajshahi রাজশাহী (Bangladesh)

Electric three-wheeler (Riksha) in Rajshahi, Bangladesh

Elektro-Riksha

Textile shop in Rajshahi, Bangladesh

Bangladesh ist für seine Textilprodukte berühmt

Recycled paper in Rajshahi, Bangladesh

Verpackungsmaterial aus Altpapier und wiederverwertbare Plastiknetze

Liebe Birgit,

nun bin ich also in dem Land, das kein Tourist kennt (und das auch selbst keinen Touris­mus kennt): Bangla­desh, das „Land der Ben­galen“. Von Kolkata er­reicht man es ein­fach mit dem Bus, der die Grenze zwischen Petrapol und Benapol überquert; viele Busse fahren direkt nach Dhaka weiter, aber ich schlug mich mit Lokal­bussen über Jessore [sprich: Joshor] in das weiter nörd­lich gelegene Raj­shahi durch. Eigent­lich ist das ein un­sin­niger Um­weg, da Rajshahi direkt an der indi­schen Grenze liegt, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich die Grenze an dieser Stelle hätte über­queren dürfen — hier wird alles Büro­kratische fürchter­lich ernst­genom­men, das habe ich bei der Ein­reise selbst erlebt.

Bangladesh macht über­haupt keinen schlech­ten Ein­druck. Das Land ist, soweit ich das bisher ge­sehen habe, deut­lich sau­berer als Indien, was wohl auch daran liegt, daß Plastik­sackerln (für Dich: Plastik­tüten) generell verboten sind und durch wieder­verwend­bares oder bio­logisch ab­bau­bares Verpackungs­material ersetzt werden. Auch das Fehlen der knat­ternden Motor­rikshas macht sich positiv bemerk­bar: Statt­dessen kommen Elektro-Vehikel chinesi­scher Fabri­kation zum Einsatz, die ganz leise schnur­rend entlang fester Routen die Straßen ab­fahren. Das Dumme ist nur, daß man leicht in eines hineinl­äuft, da man es ja nicht hören kann.

Students enjoying view across Podda river (Ganga) in Rajshahi, Bangladesh

Studenten am Ufer der Padma

Pharmacy in Rajshahi, Bangladesh

Die Rettung des Reisenden: Apotheke am Straßenrand

Saheb Bazar Road in Rajshahi, Bangladesh

Bangladesh ist ziemlich übervölkert schon…

Auch die Men­schen sind eine Über­ra­schung: Zwar neig­en die Bangla­deshi dazu, fürch­ter­lich neu­gierig zu sein und kein Eng­lisch zu spre­chen, aber wenn man mal mit je­man­dem reden kann, dann er­wei­sen sich die Men­schen als sehr hilfs­bereit und vor allem ehr­lich. Auch fällt mir der hohe An­teil von Frauen, auch jungen Frauen, im Stadt­bild auf; ma­nche sind ganz west­lich ge­kleidet, andere tragen einen Hijab (also einen Schleier um die Haare), aber mit dem das Gesicht ver­bergen­den Niqab läuft keine herum, dafür sitzen die Damen in Mittel­klasse-Restau­rants und snacken und plau­dern gemüt­lich vor sich hin. Man sieht auch ge­misch­te Grup­pen, und das ist etwas, was in Indien ex­tremen Sel­ten­heits­wert hätte. Viel­leicht liegt diese Pro­gres­sivi­tät aber auch darin begründet, daß Raj­shahi eine Studenten­stadt ist und deshalb viele fort­schritt­lich ge­sinnte junge Leute an­zieht. Die Raj­shahi Uni­versity ist mit einem Viertel Lakh Stu­denten die größte Hoch­schule außer­halb von Dhaka, dazu kom­men noch einige Privatuniversitäten.

Rajshahi liegt direkt an der Ganga, die hier Padma [sprich: Podda] heißt und die Gren­ze zu Indien bildet. Süd­lich des Stadt­kerns er­streckt sich eine kurze Ufer­prome­nade mit Stühlen, Sonnen­schirmen und sogar einem freien WLAN (auch etwas, was ich in Indien nie ge­sehen habe). Ent­sprechend treiben sich dort immer ein paar Stu­denten mit ihren Smart­phones herum.

Rajshahi ist eine wohl nur mäßig inter­essante Stadt, eignet sich aber ganz gut dafür, das Land ein biß­chen kennen­zulernen. Außer­dem muß ich hier die schlimmste Magen­verstim­mung aus­kurieren, die ich auf meiner ganzen Reise erlebt habe: Ein spätes Früh­stück in Benapol erwies sich als Klasse‑3-Bio­abfall mit par­tieller Anti­biotika-Re­sistenz. Seither lebe ich von Cipro­floxacin und werde trotz­dem spora­disch von Magen­krämpfen gequält, die den Wunsch nach Opiaten wach­rufen. Keine Ahnung, wie ich das so schnell ge­schafft habe; of­fen­bar ist das Wasser hier deut­lich schlimmer als in Indien.

Bengali/Bangladeshi Food: Cha (Tea) is offered in small glasses

Der Tee wird in kleinen Gläsern auf der Straße verkauft

Bengali/Bangladeshi Food: Fish head curry

Der ikonische Fischkopf-Curry (Murighanto)

Bengali/Bangladeshi Food: Meal of various vegetable and fish dishes

Vielfalt ist Trumpf

Bengali/Bangladeshi Food: Mutton Kabab

Kebab aus Ziegenfleisch

Aber es­sen muß man ja trotz­dem, und so­lange ich mit Gy­rase-In­hibi­toren voll­gestopft bin, kann ich mir sogar Aben­teuer­lust und Un­vor­sichtig­keit er­lauben. Somit stellte sich schnell die Frage, was es eigent­lich im Dorf zu essen gibt, und die Ant­wort ist gar nicht so einfach. Das le­bendi­ge Markt­viertel von Raj­shahi heißt Saheb Bazar [sprich: Shaheb Bazar] und bietet alles zwi­schen Gemüse und Textil; auch Tee­buden lassen sich leicht finden, aber kaum Restau­rants. An der Haupt­straße, wo es dann am Tee mangelt, finden sich dagegen schicke Läden, die fast food westlicher oder chinesischer Prägung anbieten. Als aber hinter dem Moschee-Roh­bau end­lich eine namen­lose Freß­bude mit benach­bartem Tee­stand gefunden war, konnte das Aben­teuer „Bengali­sche Küche“ losgehen.

Bengalen, egal ob Hindus oder Mo­slems, es­sen ziem­lich viel Fleisch. Am be­lieb­testen sind Schaf und Huhn, aber nicht Rind: Offen­bar aus Rück­sicht auf die Hindu-Minder­heit werben viele Restau­rants sogar mit dem Prädi­kat No Beef. Was in den Cur­ries ser­viert wird, schmeckt so zäh, daß man es kaum ge­nießen kann; bes­sere Quali­täten enden als Shish Kebab, also ge­hackt, ge­würzt und ge­grillt, und das kann man sich schon eher ge­fal­len las­sen. Wich­tiger als Fleisch ist jedoch der Fisch, der in dem von un­zäh­ligen Wasser­läufen durch­zogenen Land präch­tig ge­deiht, mir aber wegen seines enormen Gräten­reich­tums nicht so recht be­kommen will: Bauch­gräten hat be­kannt­lich der Teufel er­funden, um den Genuß zu verderben.

Die mei­sten Fische schei­nen der Karpfen-Familie an­zuge­hören und prä­sen­tieren sich ent­spre­chend ver­grätet. Von einer Art na­mens Rui (Labeo rohita) kann man sich wahl­weise Schwanz oder Kopf als Curry ser­vieren lassen, und das schmeckt gut (so­ferne man es ertragen kann, daß man vom Essen dau­ernd an­ge­starrt wird), ist aber großer Bastel­aufwand. Die Ben­galen scheint das nicht zu stören, die essen die Gräten einfach mit, aber mir als Binnen­länder, der fernab von Flüssen und Seen mit für Pisci­kultur geeigneter Wasser­qualität auf­gewachsen ist, will das ein­fach nicht gelingen.

Bengali/Bangladeshi Food: Fish curry

Fischcurry

Bengali/Bangladeshi Food: Taki-Macha Bhotta (snake head fish paste)

Püree aus Schlangenkopf-Fisch

Bengali/Bangladeshi Food: Kochu Curry (Taro stems)

Curry aus Taro-Stengel

Bengali/Bangladeshi Food: Alu Bhotta (Mashed potatoes)

Kartoffelpüree

Bengali/Bangladeshi Food: Kochu Bhotta (Mashed taro tubers)

Püree aus Taro-Knollen

Bengali/Bangladeshi Food: Kochu Shak (Mashed Taro leaves)

Püree aus Taro-Blättern

Bengali/Bangladeshi Food: Pungent mustard seed oil (Grade Virgin, sorishar tel)

Scharfes Senföl

Bengali/Bangladeshi Food: Amra Jalpay Chutney (condiment made from unripe mango and ripe jalpai (Indian olive) fruits

Mango–„Oliven“-Chutney

Unter den ve­ge­tari­schen Spei­sen hat mich Bharta am mei­sten be­ein­druckt; darun­ter ver­steht man im Nord­westen In­diens eine Art Ge­müse­püree, und eigen­tlich habe ich es bisher vor allem mit Auber­ginen gesehen (und natür­lich auch davon be­rich­tet). Hier, wo man das Wort übri­gens Bhotta aus­spricht, be­rei­tet man Bharta aber auch aus an­de­rem Ma­te­rial zu. So bekam ich ein Alu Bhatta aus Kar­tof­feln, das mit einer er­kleck­li­chen Menge Chili­pulver rot gefärbt war und ent­spre­chend feurig schmeck­te. Als per­fektes Kon­trast­programm dazu servierte man mir Kachu Bhatta, eine bläß­liche, dicke Paste aus ge­kochten Taro-Knol­len, gewürzt mit dem für Ben­galen typi­schen scharfen Senf­öl. Zwei weitere Pasten rundeten das Mahl ab: Kachu­shak, ge­kochte und pü­rier­te Taro-Blätter, und ein schwer zu de­finie­ren­des Etwas na­mens Taki-Macha-Bhata, was sich nach einiger Re­cherche als eine Paste aus ge­koch­tem (und ent­gräte­tem!) Schlangen­kopf­fisch erwies. Taro kann man übrigens auch als Gemüse­curry pro­bieren: Die Stengel haben eine an­genehm weiche, ein bißchen an Spargel er­in­nern­de Konsistenz.

Senföl (Sarishar Tel [sprich: Shorishar Tel]) ist das cha­rak­teristi­sche Ge­schmacks­mittel der bengali­schen Küche, und des­halb will mich jetzt etwas darüber ver­brei­tern; viel­leicht folgt später noch ein Update, wenn ich mehr darüber gelernt habe. Das dunkel­gelbe, fast goldene Öl wird aus schwar­zen Senf­samen gepreßt und dient fast überall in Nord­indien als bil­liges Brat­medium, das (ähn­lich wie Oliven­öl) an jeder damit zu­berei­teten Speise einen aroma­tischen Finger­abdruck hinter­läßt. Nur in Ben­galen gibt es darüber­hinaus das „scharfe Senföl“, eine Quali­tät, in der die natür­liche Schär­fe der Senf­samen er­halten bleibt. Das Öl schmeckt dabei nur ganz leicht scharf, von der Inten­sität her viel eher mit Ret­tich als mit Kren ver­gleich­bar; aber da diese Schär­fe auf die Nasen­schleim­haut wirkt, kann sie auch neben Chili-Feuer be­stehen und wird davon keines­falls über­deckt (häufig bekommt man das Alu Bhatta in einer at­trak­tiv „doppel-geschärf­ten“ Variante). Schar­fes Senf­öl kauft man, das es ja Würze und nicht Koch­medium ist, in ganz kleinen Flaschen, und es kostet auch viel mehr als ein Kochfett.

Senföl wird auch für Chutneys ver­wendet, um diesen eine zu­sätz­liche Pikanz zu ver­leihen. Am besten schmeck­te mir ein herr­lich er­fri­schend–saures Chutney aus un­rei­fen Mangos und reifen Früchten von Elaeo­carpus robustus, die hier Jalpai heißen. Letztere ähneln rein äußer­lich großen grünen Oliven und werden manch­mal auch als „Indi­sche Oliven“ be­zeich­net; da sie jedoch aroma­tisch–sauer und nicht bitter schmecken, halte ich das für eine un­glück­liche Benennung.


Kolkatta Puthia

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