Landkarte
Kotagiri Periyar

Kochi കൊച്ചി (Kerala)

St. Francis Church, Fort Kochi, Kerala, India

Die Franziskanerkirche in Kochi

Santa Cruz basilica, Fort Kochi, Kerala, India

Die Basilika Santa Cruz

Colonial building, Fort Kochi, Kerala, India

Manchmal wirkt Kochi sehr europäisch

Liebe Birgit, 

ich bin nun in Kochi, das früher Cochin hieß und im Zentrum der indi­schen Pfeffer­industrie steht. Kochi ist eigent­lich nur ein Stadt­teil der Milli­onen­stadt Ernakulam (oder war es umge­kehrt? Das konnte ich nie ganz durch­schauen), aber es ver­sprüht die reinste Kurort-Atmo­sphäre, weil es auf einer vor­gelager­ten Insel liegt und damit von all dem Verkehrs­lärm Erna­kulams verschont bleibt; selbst die Brücke zum Fest­land ist erst ein paar Jahre alt, vorher wurde aller Ver­kehr mit Fähren abgewickelt. Die Passa­gier­boote fahren aber auch heute noch im Halb­stunden­takt und sind schneller als die Busse, die sich über die weit im Süden gelegene Brücke quälen müssen.

Der Name Fort Kochi“ hat als Bezeich­nung für einen Stadt­teil an der Nord­küste der Insel über­lebt, aber ein histori­sches Fort wird man vergebens suchen. Statt­dessen gibt es einige Kirchen zu bestaunen, darunter die Franziskaner­kirche, in der Vasco da Gama ein paar Jahre begraben lag, ehe seine Gebeine nach Lisboa rück­überführt wurden. Angeblich ist die Franziskaner­kirche die älteste europäische Kirche Indiens, und auf das Wort „europäisch“ kommt es dabei an: Denn gerade in der Umgebung von Kochi leben auch heute noch viele „syrische Christen“, die ihre Religion auf den Ungläubigen Thomas zurückführen und schon lange vor den Europäern nach Indien kamen. Auch wenn es heute nur ein paar tausend Familien in Kochi sind, so stellen sie doch einen guten Teil des Geld-, äh, Pfefferadels.

Chinese fishing nets (China-vala) in Fort Kochi, Kerala, South India

… brauchen eine Handvoll Operateure …

Chinese fishing nets (China-vala) in Fort Kochi, Kerala, South India

… und liefern nur geringe Fänge.

Chinese fishing nets (China-vala) in Fort Kochi, Kerala, South India

Die berühmten Fischernetze (China-Vala) …

Das Wahr­zeichen der Stadt sind die Chinavala oder chinesi­schen Fischer­netze, deren Ur­sprung wohl nicht mehr klar eruier­bar ist; manch­mal werden sie auf Kublai Khan und manch­mal auf Zheng He 郑和 zurück­geführt, wohl, weil sich eine bedeu­tende geschicht­liche Persön­lichkeit in jeder Le­gende gut macht. Die Netze stehen in einer langen Reihe am Ufer; sie sind quadra­tisch, etwa 10 m² groß und hori­zontal ge­spannt. Mit einer ausge­klügelten Appara­tur aus Holz­balken und steiner­nen Gegen­gewichten lassen sie sich bis auf den Meeres­grund absenken und ein paar Minuten später wieder rasch hoch­heben, wobei grundelnde Fische im Netz bleiben und augen­blicklich verkauft werden.

Bereits wenige Minuten später kann man sie essen, denn an die Straße der Fischernetze schließt direkt der Fischmarkt mit seinen on-demand-Imbißbuden an. Der Kunde kauft bei ersterem den Fisch ein und übergibt ihn dann sofort an zweitere, die ihn schnell in Gewürze wickeln und dann in die Pfanne werfen. Das ganze ist erschreckend teuer, aber schlägt jede professionelle Kühlkette um Längen.

Jewish window, Mattancherry, Kochi, Kerala (India)

Fenster in der „Judenstadt“ in Mattancheri

Spice sovenir shop, Mattancherry, Kochi, Kerala (India)

Diese Verkäuferinnen in einem Gewürze-Souvenir-Shop hatten viel Spaß mit meinen unbeholfenen Versuchen, Namen von Gewürzen in Malayalam zu recherchieren und aufzuschreiben.

Chile store, Mattancherry, Kochi, Kerala (India)

Chili-Großhändler

Sonst besteht Kochi aus oft medi­terran ange­hauchten oder, als Kontrast­programm, echt holländisch ge­bauten Ko­lonial­häusern, zwischen denen das üppige tropische Grün wuchert. Jedes Haus hat einen Garten, in dem man unter anderem auch Mango- oder Curry­bäume findet. Natürlich ist die Gegend die reinste Touristen­falle, aber da der Monsun hier bereits voll einge­setzt hat, wirkt es trotz­dem recht ruhig, und die zahl­reichen Schilder „Zimmer frei“ oder „Echte Hausmanns­kost“ machen einen ver­lorenen Ein­druck. Diese Beschau­lichkeit und die niedrigen Preise bezahlt man sich eben mit zwei­maligem täglichen Naßwerden.

In Mattan­cheri, auf der gleichen Insel wie Fort Kochi gelegen, findet man ein altes jüdi­sches Viertel samt Syn­agoge. Auch die Juden waren eine bedeu­tende Größe im Pfeffer­handel gewesen, und es ist ziemlich viel­sagend, daß die Inder ihre Syn­agoge aufbauen ließen, nachdem die Portu­giesen sie nieder­gebrannt hatten. Heute ist die jüdische Gemeinschaft zwar nicht mehr allzu groß, aber eine der lebendigsten Indiens. Ein Spaziergang durch das Marktviertel mach wirklich Spaß: Wo sonst kann man schon eine ganze Lagerhalle voller getrockneter Chilies besuchen und beriechen?

Boat in the Backwaters, Kochi, Kerala (India)

Man stakt sich durch die Backwaters

Water ways in the Backwaters, Kochi, Kerala (India)

Hauseinfahrt

Floating basket in the Backwaters, Kochi, Kerala (India)

Schwimmender Korb (Kotavanchi)

Fish eagle in the Backwaters, Kochi, Kerala (India)

Fischadler

Black cormoran in the Backwaters, Kochi, Kerala (India)

Kormoran

Alle Touristen schwär­men hier von den so­genann­ten Back­water Tours, und nach­dem ich eine ge­macht habe, weiß ich auch, warum. Die Back­waters sind ein halb amphi­bischer Lebens­raum im unmittel­baren Hinter­land der Küste, das von ein paar Flüssen und vielen brack­wasser­haltigen Kanälen durch­zogen ist. Darin liegen wunder­bar idyl­lischer Dörfer, die ihre Pro­dukte auf dem Wasser­weg transpor­tieren, und vor allem viel wuchern­des Grün. Hektik scheint ein Fremd­wort zu sein, wenn meine dreißig­sitzige Touristen­barke (beladen mit mir und einer argentini­schen Touristin, es ist ja auch Nebe­nsaison) gaanz langsam von den beiden Ruderern durch die engen Kanäle ge­trieben wird, von denen aus man Kühe im Sumpf oder pfeffer­bewach­sene Bäume sehen kann. Wir machten einige Male Station, um uns eine Muschel­kalk­fabrik oder traditionelle Be­hausungen anzusehen, bevor es ein simples Kerala-Mahl gab und wir durch Sturmböen und Regen wieder zurückruderten.

In den Back­waters werden übrigens auch Gewürze ange­baut, jeden­falls bekamen wir Zimt, Muskat und Pfeffer zu sehen, ganz zu schweigen von den all­gegen­wärtigen Un­kräutern wie Curry­bäumen, Ingwer und Curcuma. Auch Kakao­bäume gedeihen in diesem feuchten Klima. Pfeffer ist immer noch big business hier, obwohl sich jetzt ja Krethi und Plethi am Pfefferanbau versuchen und folglich die Preise eher im Keller liegen.

Indian Food: Beef curry (Kerala)

Rindfleisch-Curry

Indian Food: Okra curry with coconut milk vendakkaya kari (Kerala)

Okra-Curry

Indian Food: Toran (Kerala)

Toran

Kochi ist sehr gut eßbar. Die Süd­west­küste (oder Malabar­küste) ist für ihre un­zähligen Kokos­palmen berühmt, und folglich bekommt man viele Curries auf Kokosnuß­basis, fast so wie in Sri Lanka, an das mich das ganze Land leb­haft erinnert. Manche Speisen, wie das trockene Toran, enthalten geraspelte Kokos­nuß, aber häufiger trifft man auf cremige, mild–aro­matische Curries mit Kokos­milch. Ganz beson­ders beliebt ist der milde Curry Avial aus verschie­denen Gemüse­sorten, und auch der Beef Curry hat oft Kokosnuß­basis — denn, man staune, das friedlich wieder­käuende Abbild der Gottheit wird auch hier erstaun­lich gerne verzehrt und ist eigent­lich nach dem Huhn das häufigste Fleisch auf der Speisekarte.

In Kochi kann man auch in extrem intimen Re­stau­rants dinieren, die nur aus einem Familien­haus mit einem einzigen Tisch auf einem Balkon bestehen. Es emp­fiehlt sich, daß man sich tagsüber irgend­wann einmal für ein Abend­essen anmeldet; dann kommt man zur festgesetzten Zeit, nimmt auf dem Balkon Platz und speist ganz ent­spannt, während unter dem Tisch ein Topf mit glühendem Weih­rauch (Kuntirikka) vor sich hinqualmt. Da glaube ich dann die Bezeichnung “homely food”, auch wenn die Preise eher unheimlich sind. Aber der Okra-Curry in Kokosmilch­sauce (Vendakka Kari) war auch wirklich göttlich!

Jedenfalls habe ich mir hier sogar ein Kochbuch über die Küche der syrischen Christen in Kerala gekauft, das ist mir die paar hundert Gramm mehr im Rucksack wert.

Morgen mache ich mich dann endlich wirklich dorthin auf, wo der Pfeffer wächst.


Kotagiri Periyar

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