Landkarte
NH 1A Jaipur

Shivkhori शिवखोड़ी (Jammu & Kashmir)

Jammu und Kashmir: Anfahrt nach Shivkhori

Die Straßen in J & K leiden unter dem Monsun

Liebe Birgit,

Jammu gefällt mir. Das ist zwar nichts Neues, davon habe ich Dir ja schon beim letzten Mal vorge­schwärmt — nichts zuletzt dank Herrn Soma, dem Besitzer der kleinen (und etwas schäbigen) Lodge, in der ich wohne. Begierig sieht er sich meine Bilder aus Süd­indien oder Nepal an und kommen­tiert sach­kundig die Ikono­graphie und Mytho­logie der von mir eher in Un­kenntnis ab­photogra­phierten Statuen und Malereien.

Außerdem hat Herr Soma auch immer gute Vorschläge, was man sich noch alles in der Umgebung ansehen kann. Gestern bin ich seinem Vorschlag gefolgt, das Höhlenheiligtum von Shivkhori zu besuchen, das sich gaaanz abgelegen im bergigen Hinterland der Jammu-Provinz versteckt und das nicht einmal von der All­wissenden Müll­halde, ähh, ich meine dem lonely-planet-Reiseführer, erwähnt wird.

Um sieben Uhr morgens konnte ich keinen Direktbus von Jammu nach Ransoo, dem Ausgangspunkt des Pilgerweges nach Shivkhori, finden; also machte ich einen Umweg über Katra. Katra ist übrigens selbst Startpunkt eines berühmten Pilgerweges, der 14 km auf einen Berg führt, wo man dann das Heiligtum der Vaishno Devi findet. Von Jammu aus ist der Trip kaum an einem Tag zu erledigen, und eine Nachtwanderung ist um diese Jahreszeit schon recht frostig; daher zeigte ich der Höhlengöttin die kalte Schulter, und erkundigte mich stattdessen nach den Transportmöglichkeiten nach Shivkhori.

Träger am Pilgerweg von Shivkhori

Wer will, kann sich auch tragen lassen …

Ponies am Pilgerweg von Shivkhori

… oder sich der Höhle hoch zu Roß nähern.

Welcome to Holy Lard Shiva (Shivkhori)

Echt fetter Gott!

Den Bus nach Shiv­khori zu finden, war nicht das Pro­blem; eher, ihn zum Fahren zu bringen. Ein Passa­gier ver­spätete sich um eine halbe Stunde; als er erschien, hielt es es offen­bar für selbst­verständ­lich, das alle auf ihn ge­wartet hatten. Kurz später gab es eine weitere Ver­zögerung mit einem magen­verstimm­ten Klein­kind, und als krö­nender Ab­schluß platzte ein Reifen, der uns dann zwei Stunden bei frucht­losen Reparatur­versuchen festhielt, bis ein Ersatz­bus eintraf. Nach zwei weiteren Stunden, es war in­zwischen 15:30 und die Sonne stand nicht mehr sehr hoch über dem Gebirge, lud uns der Bus dann am Anfang des drei Kilometer langen Pfades zur Höhle aus.

Trotz der Ein­schicht wim­melte es von Men­schen, die die Pilger­schaft (Yatrā) an­tra­ten oder gerade von dieser zu­rück­kamen. Jeder Pilger (Yatri) wird EDV-gestützt erfaßt, und so treibt jetzt auch ein gewis­ser KARO NATH KHALSHA in der Daten­bank sein Un­wesen, wie ich auf dem mir ausgehändigten Ausdruck fassungslos lesen mußte.

Ein einiger­maßen ordentlich betonierter Weg führte von dort ins Gebirge, auf dem die Pilger der Höhle entgegen­schlendern konnten; alternativ kann man sich auch von einem Pony oder von vier Trägern in der Sänfte befördern lassen. Das lehnte ich dann doch ab und schaffte den Weg in einer halben Stunde, gerade rechtzeitig, um den Höhlen­eingang von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne gekitzelt zu sehen.

Shivkhori Aufgang

Die letzten Meter zur Höhle

Shivkhori Eingang

Der Höhleneingang

Wie ich ei­gent­lich schon im Vor­feld be­fürch­tet hatte, war dann fürs erste Schluß mit Ka­mera; die Armee wacht da­rüber, daß kein Handy und kein Taschen­messer, und schon gar keine Kamera (nicht einmal mein Zweit­objektiv) in den Tempel gelangt; lediglich meine im Geld­gürtel getragene USB-Platte haben sie durch­gehen lassen (aber sehr wohl kontrolliert). Der Weg führt durch einen trockenen, sehr engen Fluß­lauf (dessen ab­geschlif­fener Boden sich unter den nackten Füßen richtig gut anfühlt) in einen großen Dom mit betonier­tem Fuß­boden. Dort stehen einige mehr oder minder bizarr geformte Stalag­miten, jeder ge­schmückt mit qual­menden Räucher­stäbchen, bunten Tüchern, Blumen­girlanden und einem segen­spendenden und bakshish­heißenden Brahmanen. Die Beleuch­tung ist stimmungs­voll aber einfach; glücklicher­weise hat man auf animierte ॐ-Zeichen auf mehr­farbigen Leuchtdioden-Arrays verzichtet.

No Devi Höhle nahe Jammu

In der Höhle der Neun Göttinnen

Man erzählt sich: Der Dämon Bhasmasura hatte lange Zeit zu Shiva gebetet und sich damit ein Recht auf einen Wunsch er­worben; er ver­langte die Gnade, daß jedes Wesen, dem er die Hand auf die Stirn legen würde, sofort sterben müßte. Shiva sagte ihm das ge­zwungener­maßen aber etwas wider­willig zu; der Dämon je­doch begann erwartungs­gemäß sofort, eine Terror­herrschaft auszu­üben. Shiva versuchte, den Dämon in einem Gespräch zu einer fried­licheren Haltung zu über­reden, aber dieses Konflikt­management endete (absehbarer­weise) damit, daß Shiva selbst vor der erho­benen Hand seines ehe­maligen An­beters in eine Höhle flüchten mußte, die so eng war, daß der etwas korpulente Bhasmasura ihm nicht folgen konnte. Vishnu, bekanntlich selten um einen guten Rat verlegen, fand schließ­lich eine elegante Lösung: Er trat in Gestalt der wunder­schönen Tänzerin Mohini auf und bezirzte Bhasmasura, mit ihr zu tanzen. Das Hormon­opfer tat wie geheißen und kopierte jede ihrer Bewegungen, bis sie sich mit der Hand auf die Stirn klopfte. Jaya!

Diese Shiva-Höhle ist wirklich ein wunderbarer Ort voller Ruhe und dezenter Spiritualität. Sogar zu ein paar Photos sollte ich noch kommen, denn auf der Heimfahrt stoppte der Bus vor der Höhle der Neun Göttinen (No Devi) nahe Katra, und in dieser sehr viel kleineren Höhle erlaubten mir die Brahmanen, ein paar verzitterte Bilder zu schießen. Erst Punkt Mitternacht schaffte ich es nach Jammu zurück.

Rajma (braune Bohnen)

Reis mit Rajma (roten Bohnen)

Masala Chana (Kichererbsen)

Chana Masala (würzige Kichererbsen)

Paratha mir Kohl und Kreuzkümmel (Jeera)

Paratha mit Kohl und viel Kreuzkümmel

Wie bereits letztens ange­deutet: Die Art und Weise, wie hier in Jammu und Um­gebung Hülsen­früchte zu­berei­tet werden, ist einfach nur rekord­verdächtig. In Indien hat eigentlich der Punjab den besten dies­bezüg­lichen Ruf, aber Jammu ist ja der Nachbar­bundes­staat, und daher kann die hohe hiesige Kompetenz beim Kochen von Dal nicht wirklich ver­wundern.

Grundsätz­lich sind Hülsen­früchte nach indi­scher Art sehr ein­heit­lich zu­bereitet: Man kocht sie zunächst in Wasser ohne weitere Zutaten (Linsen aber oft mit Curcuma) weich und versieht sie in einem zweiten Schritt mit Würze. Diese kann einfach aus in Fett angebratenen Gewürzen wie Kreuz­kümmel, Ajowan, Chili und Knoblauch bestehen, oft aber auch mit Zwiebeln und Tomaten angereichert sein. Am besten schmeckt es, wenn eine Schöpf­kelle der vorgekochten Hülsen­früchte mit der Gewürz­zubereitung gemeinsam in der Pfanne eingekocht werden; dann spricht man auch oft Hinglisch von “Dal Fry”.

Die lokal be­lieb­testen Hülsen­früchte sind hier die fest­kochende Kicher­erbse, erhäl­tlich in weiß und braun; die cremige Rajma, eine rote Bohne mit nussigem Geschmack; und die braune Linse, die üblicher­weise zusammen mit Zwiebel und Knoblauch zu einem Püree verkocht wird. In meinem Stamm­lokal am Bus­bahnhof haben die Leute eine merk­würdige Koriander­leiden­schaft und bestreuen die fertigen Gerichte nochmals mit Koriander­pulver und manchmal auch ein paar frischen Koriander­blättern. Zu allen Dal-Gerichten kann man sich auch ein Stück Butter extra kommen lassen: Die schmeckt nämlich gut, bringt ein paar Extra­kalorien und ist außerdem als Kuh­produkt auch spirituell wertvoll.

Rettich-Chutney (Muli, Mooli)

Rettichsalat mit Pfefferminzsauce

In den klei­nen Restau­rants am Bus­bahnhof (auf Hindi meist Dhaba oder Rhaba ge­nannt) sind so ca. fünf bis zehn Speisen zu be­kom­men, die in großen Metall­töpfen gelagert werden; dazu gehören außer den Hülsenfrüchten auch Speisen auf der Basis von Panir und ein seltsames Gericht namens Pakora Curry, das aus Pakora (in Kichererbsenteig getauchtes und frittiertes Gemüse) in einer cremigen, mit Mehl gebundenen Currysauce besteht. Die Hülsenfrüchte liegen in einer mild gewürzten Version vor und werden auf Wunsch portionsweise mit Gewürzen frisch angebraten.

Meist be­kommt man auch auto­matisch einen Salat als Vor­speise serviert, der aus roher Rettich­wurzel (Muli) mit einem pikanten Chutney besteht; das ist scharf und sehr erfrischend, da das Chutney aus geriebenem Rettich und entweder rotem getrocknetem Chili oder grünem Chili plus frischer Pfefferminze einen erfreulichen Kontrastpunkt zu dem doch etwas erdig schmeckenden Dal bietet.


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