Landkarte
Dharan Basantapur

Hile हिले (Nepal)

View to Makalu Himalayan Peak, from Hile, Nepal

Blick zum Makalu-Massiv (8481 m) im Mahalangur Himal

Houses and terraces near Hile, Nepal

Häuser in der Umgebung von Hile

Main bazaar road, Hile, Nepal

Die „Hauptstraße“ von Hile ist ein einziger Bazar

Liebe Birgit,

mit dem ver­schlafenen Hile habe ich nun einer Ort er­reicht, der wohl als einiger­maßen typisch für das nepal­ische Leben in der mittleren Höhen­stufe gelten kann: Die bunt ange­malten Holz­fassaden glänzen in der klaren Gebirgs­sonne, der tibetische Tempel ver­breitet in seiner Buntheit einen Hauch von Walt Disney, und der kleine aber sehr lebendige Markt ist ein einziges Gewirr von Farben, Formen und Düften. Dort kann man alle Völker des Himalaja auf engstem Raum antreffen: Dazu gehören die Nepali-sprachigen Hindus, die meist der Kaste der Chhetri angehören, sino–tibetische Völker der Mittelgebirgs­region wie die Newar, Tamang, Gurung oder Limbu, und sogar einige Sherpa-Familien haben sich hier angesiedelt, obwohl diese ja ihren Schwer­punkt weiter nördlich im Hoch­gebirge haben.

Buddhist monk in medidation, Hile, Nepal

Meditierender buddhistischer Mönch

Eigentlich be­steht Hile nur aus einem Straßen­zug mit ein paar Neben­ästen; die Haupt­straße ist zum größten Teil Bazar­gebiet, und dort findet man auch die paar Hotels, die beiden tibeti­schen Tempel und das einzige Internet-Café. Abge­sehen von pittores­ken Markt­viertel gibt es nichts zu sehen, aber man kann die freund­liche Atmo­sphäre ein­saugen und in der hüb­schen Land­schaft umher­spazieren. Zwischen 10 und 15 Uhr ist es einiger­maßen warm, aber außer­halb dieses schmalen Zeit­fensters ist Frieren angesagt, zumal das ent­zückende Zimmer mit Aussicht, das ich hier bewohne, natürlich keine Heizung hat. Übrigens auch kein Warm­wasser, aber dafür schleppe ich ja einen Tauch­sieder mit mir herum.

Der tibe­ti­sche Tempel begrüßt den Sonnen­aufgang täglich mit einem stunden­langen Om mani padme hum, aber nicht live gesungen, sondern von der CD abge­spielt (Hör­probe, siehe auch Baudha); ein einzelner Mönch sitzt dabei murmelnd in der Ecke und vertieft sich in die Rezi­tation irgend­welcher Mantras. Viele buddhisti­sche Be­wohner, vor allem die Tamang, besuchen morgens den Tempel, betätigen die Gebetsmühlen und betrachten kurz die Statue des Guru Rimpoche, ehe sie ihre Tages­geschäften aufnehmen.

Clubmoss (Lycopodium clavatum, Nagbeli), in Himalaya near Hile, Nepal

Bärlapp (Nagbeli)

Thysanolaena maxima: Flowering broom grass, near Hile, Nepal

Die Blüten dieser Grasart (Amliso) dienen als Besen im Haushalt

Man kann aber die kurze Sonnen­schein­periode nutzen, um ein bißchen in der Um­gebung zu wandern. Die meisten Felder liegen zwar jetzt brach, aber ge­legent­lich trifft man auf ein gelb blü­hen­des Senf­feld, und auch eine kleine Gras­art names Amiliso steht gerade in Blüte; die Blüten werden gesam­melt und auf den Märkten als Staub­wedel ver­kauft. Bald hat man die letzten Ausläufer des Dorfes mit ebenso pit­toresken wie erbärm­lichen Hütten auf terras­siertem Terrain hinter sich gelassen, und wandert in einer montanen bis alpinen Landschaft dahin. Teile der Berg­hänge sind zu Reis­terrassen umge­staltet, aber der größere Teil ist noch mit dichtem Laub­wald bedeckt, mit höchstens ein paar einge­streuten Kiefern. Expo­niertere Rücken sind von Zwerg­stäuchern, Bärlappen und Flechten bewachsen und erinnern sehr stark an die Alpen über der Baumgrenze.

Am Donners­tag ist Markt­tag, und dann erwacht das Dorf zu buntem Leben: Alles ist voll von Dörflern, die in wunder­baren Trachten landwirt­schaft­liche und hand­werk­liche Güter ver­kaufen. Die meisten von ihnen sind Frauen, und viele von ihnen sind die fleisch­gewordene Ver­suchung für den Photo­graphen: Es ist ja ir­gend­wie respekt­los, wie im Zoo wild drauflos­zuknipsen, aber die von Wind und Wetter ge­gerb­ten Ge­sichter mit gold­enen Ohr- und Nasen­ringen lie­fern sich gerade­zu einen Wett­bewerb um das schönste Photomotiv.

Sherpa tribal woman, Hile, Nepal

Sherpa-Frau

Chetri caste woman, Hile, Nepal

Chetri-Frau

Rai tribal Man, Hile, Nepal

Rai-Mann

Limbu tribal woman, Hile, Nepal

Limbu-Frau


Sherpa restaurant in Hile Bazaar, Nepal

Kleines Restaurant im Marktviertel

Nepalese food: Thukpa with potatoes (Noodle soup)

Thukpa mit Kartoffeln

Nepaliese Food: Akabare Achar (pickled Capsicum chinense chili )

Eingelegter Akabare Khorsani

Sukuti (dried water buffalo) drying over an oven in Hile, Nepal

Sukuti trocknet über der gemauerten und mit Lehm verkleideten Feuerstelle

Das Essen hier ist über­raschend viel­fältig. Der Markt­bereich ist auf der Süd­seite von einer ununter­brochenen Reihe kleiner und kleinster Restau­rants gesäumt, die mit den üblichen nepalischen Speisen wie Chow Mein, Thukpa und Momo auf­warten. Das alles schmeckt hier durch­gehend besser und wird herz­hafter zu­bereitet als im Terai und selbst in Kath­mandu: Das Chow Mein ist mit Kicher­erbsen oder Erd­nüssen aufge­wertet, und die beste Thukpa des Ortes wirkt durch die Kartoffel­stücke schon wie ein echtes Hauptgericht.

Weiters be­kommt man trockene Kartoffel- oder Kicher­erbsen­curries, die bei Um­gebungs­temperatur (also: Kühl­schrank­temperatur) serviert werden und daher eher den Charakter von würzigen Snacks haben; dazu knabbert man Chiura, flach­gepreßte trockene Reis­körner. Eines meiner Lieblings­restaurants, geführt von einem dynami­schen Duo aus einer Sherpa-Frau und ihrer Tochter, punktet mit in Salzlake eingelegten Akabare Khorsani, dem superscharfen lokalen Chili. Durch das Einlegen nimmt er einen leicht an Oliven erin­nern­den Geruch an, bewahrt jedoch sein typisches Aroma ganz ausge­zeichnet. Frische Exemplare bekommt man auch am Markt. Ich führe immer einen Dreitages­vorrat davon mit mir herum, und wahr­scheinlich wird man sich hier noch in Jahren legenden­haft ausge­schmückte Geschichten vom ver­rückten Australier mit den Taschen voller Chilies erzählen.

Nepalese Food: Chow Mein with Sukuti (Chinese-style fried noodles with dried buffalo meat)

Chow Mein mit Sukuti

Es gibt aber auch inter­essan­tere, regionale Möglich­keiten. Allem voran ist hier Sukuti zu nennen. In Zusam­men­hang mit der Newari-Küche habe ich es ja schon einige Male erwähnt, aber auch hier ist es sehr ver­breitet, und man kann auch sehen, wie es gemacht wird: Streifen von magerem Büffel­fleisch werden einfach über die Feuer­stelle ge­hängt und trocknen dort im Lauf einer Woche vor sich hin, gewürzt vom Rauch des Feuer­holzes und von den verschie­denen Dämpfen, die aus den Koch­töpfen auf­steigen. Danach wird es in Stücke geschnitten und ist in Plastik-Schraub­gefäßen monate­lang haltbar.

Bisher hatte ich Sukuti immer in Form von Salaten oder Snacks ge­gessen; hier wird es ange­braten und ent­weder genau so gegessen, oder zum Auf­bessern von Chow Mein und Thukpa verwendet. Trotz seiner etwas zähen Kon­sistenz schmeckt es sehr gut, würzig–rauchig; dagegen ist frisches Hühner- und Lamm­fleisch nicht zu empfehlen, außer man liebt Knochen, Flechsen und Knorpel.

Women producing Gundruk (fermented green leaves) in Hile, Nepal

Frauen bei der Herstellung von Gundruk

Nepali Food: Gundruk soup

Gundruk-Suppe

Tong-ba (Himalaya Millet Beer) in Hile, Nepal

Das schreckliche Tong-Ba

Erstmals konn­te ich hier eine für den nepali­schen Hima­laya ganz typische Spezia­lität ver­kosten: Gundruk. Darunter ver­steht man grünes Gemüse, üblicher­weise Kohl, der in der Sonne ange­welkt, in dünne Streifen ge­schnitten und danach langsam in Erd­löchern fermen­tiert und getrock­net wird. Dabei färbt er sich bräun­lich und nimmt einen etwas an Soja erin­nernden Geruch und einen säuer­lichen Geschmack an. Aus dem fertigen Gundruk kann man ganz schnell eine schmack­hafte Suppe bereiten, indem man es in Wasser aus­kocht und ein paar frische Gemüse zugibt. Die graugrüne Gundruk-Brühe riecht ein bißchen nach Sauer­kraut, und das zähe Gundruk darin wirkt wie eine Suppeneinlage.

Ich muß noch eine weitere Hima­laya-Spezia­lität erwähnen, auch wenn ich sie nicht gekostet habe: Tongba, das National­getränk der Limbu. Es besteht aus ver­gorener Hirse und riecht ziem­lich durch­dringend, wie eine Mischung aus Essig und Fusel. Tongba wird heiß getrunken, und dazu gibt es spezielle iso­lierende Bambus­gefäße mit einem Holz­deckel, durch den ein am unteren Ende flach zusammen­gedrückter Aluminium­halm geführt wird: Durch den Halm zieht man die Flüssig­keit, während die Hirse­körner im Gefäß zurück­bleiben. Diesem Gebräu sprechen nur Männer zu, und ich hege den starken Verdacht, daß es einen wesent­lichen Anteil an den im Ver­gleich zur Ver­kehrs­dichte geradezu astro­nomisch hohen Opfer­zahlen im nepalischen Straßen­verkehr hat.

Auf Empfehlung eines Ange­stellten im Internet-Café werde ich nicht, wie geplant, in den flacheren und wärmeren Süden zurückkehren, sondern noch weiter ins Gebirge vorstoßen: Angeb­lich nur eine Bus­stunde entfernt liegt Basantapur, noch höher gelegen, noch kälter, aber dafür auch mit noch mehr Gebirgs-Charme.


Dharan Basantapur

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