Landkarte
Bhopal Pushkar

Delhi दिल्ली/دلّی

Shiva and Parvati idols mounted on an Royal Ensfield motorcycle, New Delhi, India

Glücksbringer: Shiva und Parvati am Motorrad

Streets in Pahar Ganj, the bazaar area of New Delhi, India

Trotz großflächiger Umbaumaßnahmen sind die Straßen von Pahar Ganj mit prallem indischen Leben erfüllt.

Sacred cows are part of the traffic in Pahar Ganj, New Delhi, India

Auf den Straßen von Pahar Ganj trifft man Heilige Kühe und andere Verkehrsteilnehmer

Liebe Birgit,

ich bin zurück in Indien! Es hat zwar lange ge­dauert, aber nun bin ich mit einem Ein-Jahres-Visum aus­ge­rüstet, wie man es offen­bar nur bei der indi­schen Bot­schaft in Berlin bekommt, und end­lich atme ich wieder die monsun­dunstige, mit Kuh­exkre­menten, Ver­kehrs­abgasen und Räucher­stäbchen gewürzte Luft von Pahar Ganj, dem Markt­viertel von New Delhi.

Und das auch noch in Beglei­tung: Petra (Name von der Redak­tion geändert), meine Gast­geberin in den letzten Wochen, hatte sich spontan ent­schieden, mich einen Monat lang durch Indien zu be­glei­ten. Die Jahres­zeit ist natür­lich nicht optimal, aber man kann eben nicht alles haben; die euro­päische Ferien­saison und die indi­sche Monsun­zeit passen natur­gemäß nicht be­son­ders gut zu­sammen. Aller­dings wurde mir bereits in den ersten Stunden klar, daß meine Beglei­terin mög­licher­weise etwas realitäts­ferne Er­war­tungen ge­hegt hatte — meine Schuld, was erzähle ich auch immer von den traum­haften Erleb­nissen in Indien, und blende die Schatten­seiten aus?

Also be­schwerte sie sich, daß das Hotel­zimmer keine Fenster habe (hat es schon, aller­dings führen die in einen stock­finsteren, mit ver­staubten Kabeln voll­gestopften Luft­schacht), daß es dreckig sei (stimmt, aber keine Kaker­laken!), daß es eng sei (kann man eben nicht umfallen), daß man das per­manente Hupen auf den Straßen über­laut hören könne (muß man denn darauf achten?) und daß man morgens von kotzen­den Indern geweckt würde. Mir wäre das alles gar nicht aufge­fallen! Letzter Be­schwerde­punkt ist übrigens eine echt indische Reise­erfahrung: Die lauten mor­gend­lichen Würge- und Spuck­geräusche haben nichts mit Magen­verstim­mung zu tun; Inder räuspern sich näm­lich nach dem Auf­wachen über­deutlich, um den Schleim­belag von Gurgel, Gaumen und Zunge ab­zuhusten. Das gilt als ge­sundheits­verheißendes Rei­ni­gungs­ritual, das man jeden Morgen be­treiben soll.

Pahar Ganj Full-scale reconstruction, Delhi India

Wegen der Umbaumaßnahmen muß man sich mancherorts fast kniehoch durch den Bauschutt quälen.

Das Marktviertel Pahar Ganj liegt gleich am Bahn­hof von New Delhi. Das ist wohl der Haupt­grund, weshalb es bei Touristen so beliebt ist: Man kommt schnell wieder weg, und das ist in einer Stadt von 1.2 Crore Ein­woh­nern und extrem räube­risch ver­anlag­ten Rikshafahrern ein rie­si­ger Plus­punkt. Außer­dem bietet es be­zahl­bare Unter­künfte, eine gute touristische Infra­struktur mit Souvenir­läden und Reise­unter­nehmern, und auch an­nehm­bar kurze Wege zum Sight­seeing in den inter­essan­teren Teilen von Delhi.

Und das wuselige, hyper­aktive Leben in Pahar Ganj ist auch nicht ohne Reiz. Die Haupt­straße, der Main Bazar, ist von un­zähli­gen bunt aufge­machten Läden gesäumt, und kleine, enge Fuß­wege führen in ein immer noch sehr geschäf­tiges „Hinter­land“. Aller­dings leidet das ganze Gebiet unter groß­angeleg­ten Umbau­maßnahmen, die den Main Bazar ab­schnitts­weise zur einer mit Bau­schutt be­deckten post­apokalypti­schen Wüsten­landschaft um­gestaltet haben, die ein bißchen an Deutsch­land 1945 erinnert. Beim täg­lichen Monsun­regen ver­wandelt sich das Ge­lände zu allem Über­fluß in eine An­samm­lung von morast­artigen Schlamm­pisten, mit ge­legent­lichen Schutt­häufen zur bes­seren Orien­tierung. Offen­bar werden, ganz im Stile sozialisti­scher Plan­wirtschaft, alle Fas­saden gleich­zeitig er­neuert, das heißt, erst mal arbeits- und geräusch­intensiv weg­gehämmert und danach (viel­leicht) neu aufgemauert.

Street traffic scene in Old Delhi, India

Straßenverkehr am Weg nach Old Delhi

Delhi ist im we­sent­lichen eine muslimi­sche An­siedlung, wie be­reits der Name ver­rät: Er ist per­sisch und be­deutet „Schwelle“, pas­send für die Ein­tritts­pforte des Islam nach Indien. Vom reichen muslimi­schen Erbe seht man in Pahar Ganj jedoch nichts; dazu muß man sich schon nach Old Delhi be­mühen. Die Fahrt dort­hin wuchs sich für Petra zu einer bizar­ren Mischung aus Alp­traum, Geisterbahn­fahrt und Nahtod­erfahrung aus, als wir näm­lich mit der Fahrrad­risksha durch den (in meinen Augen) höchstens mittel­prächtig chaoti­schen Ver­kehr von Old Delhi pilotiert wurden. Petras Frage „Warum hupen die Inder eigentlich dauernd?“ konnte ich allerdings auch nicht be­ant­wor­ten; wir einig­ten uns auf die Arbeits­hypothese, sie wollen den anderen Verkehrs­teilnehmern mit­teilen, daß sie gerade einen Atem­zug getan haben.

Courtyard inside of the Jama Masjid (Red Mosque, Friday Mosque) in Old Delhi, India

Innenhof der Großen Moschee

Jama Masjid Southern (Bab Abd al-Ghafur), Old Delhi, India

Aufgang zum Südtor Bab Abd al-Ghafur

Prayer Hall, Jama Masjid (Red Mosque, Friday Mosque) in Old Delhi, India

In der Gebetshalle der Großen Moschee

Den Aufent­halt in Old Delhi nutzten wir zu einer aus­giebigen Besichti­gung des Viertels rund um die Jama Masjid, die größte Moschee Indiens. Dieses Bau­werk aus der Mogulen­epoche liegt in der Mitte des histori­schen Delhi und gilt, zusam­men mit der stilis­tisch ähnlichen Lal Qila, dem Roten Fort, als ikonisch für die Stadt. Die aus rotem Sand­stein und weißem Mamor auf einer Platt­form er­richtete Moschee besteht aus einem großen Innen­hof, die sich jeden Freitag fünfmal mit bis zu einem Viertel Lakh Betenden füllt, einem darum­herum laufen­den Säulen­gang, der auf drei Seiten von Toren durchbrochen wird, und schließ­lich auf der Ostseite einer viel­säuligen Halle für den Vorbeter und hervor­ragende Gemein­schafts­mitglieder.

Nimbu Wallah (Lemon juice Vendor, Lemonade seller) Connaught Place, New Delhi)

Limettenverkäufer am Connaught Place in New Delhi

Indian Food: Gobhi Matar (Cauliflower with peas)

Gobhi Matar (Karfiol mit Erbsen)

Was die Ver­pflegung betrifft, so steht witte­rungs­bedingt an erster Stelle der Nimbu-Wallah, der Limetten­saft­verkäufer. Diese lebens­spendenden Zeit­genossen bereiten aus frisch­gepreßten Limetten und Salz ein hervor­ragend durst­löschendes, iso­tonisches Getränk; dazu wird natürlich Leitungs­wasser verwendet, aber wer will, kann ja auch eine Flasche Plastik­wasser, ähh, eine Plastik­flasche mit Mineral­wasser kaufen und sie dem Nimbu-Wallah reichen, und ganz Paranoide verzichten dann auch noch auf das Eis, das in gräulich schim­mernden Styropor­behältern gammelnd auf Kunden wartet. Petra entschied sich für die Kompromiß­variante aus Mineral­wasser plus Eis und hatte damit keine Probleme.

Wegen der Kürze unseres Auf­ent­haltes ergab sich keine Ge­legen­heit, nach irgend­welchen echten Delhi-Speziali­täten zu forschen; statt­dessen speisten wir ein­fach in einigen der vielen kleinen Restau­rants von Pahar Ganj. Dort bekommt man ver­hältnis­mäßig un­charak­teristische, aber grund­solide Küche mit leichtem Punjabi-Ein­schlag, wie man sie auch aus heimi­schen Indien-Restau­rants kennt: Chana Masala, also gut ge­würzte Kicher­erbsen in einer Zwiebel-Tomaten-Sauce, Palak Paneer, an­gebra­tener Frisch­käse in Spinat­sauce, oder Alu Gobi, Karfiol mit Kar­tof­feln. Mein Lieblings­wirt vom letzten Mal be­grüßte mich freund­lich und er­inner­te sich auch noch an meine Vor­liebe, Un­mengen schwarzen Tee zum Essen zu trinken — er­staun­lich, welches Ge­dächt­nis Inder manch­mal zeigen!

Da Petra in der urbanen Wüste Delhis lang­sam zu ver­gehen droht, habe ich mich ent­schieden, daß wir möglichst bald einen erhol­sameren Ort auf­suchen; des­halb nutzten wir die erste pas­sende Gelegen­heit, per Zug in den Westen zu kommen, in das Wüsten­dorf Pushkar.

Lal Kila, the Red Fort of Old Delhi, India

Das Wahrzeichen Delhis, das Rote Fort (Lal Qila), haben wir nicht besucht. Auf diesem Photo vom Winter 2009 verschwimmt es im Smog.


Bhopal Pushkar

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