
◀ Bhopal | Pushkar ▶ |
Delhi दिल्ली/دلّی |

Glücksbringer: Shiva und Parvati am Motorrad

Trotz großflächiger Umbaumaßnahmen sind die Straßen von Pahar Ganj mit prallem indischen Leben erfüllt.

Auf den Straßen von Pahar Ganj trifft man Heilige Kühe und andere Verkehrsteilnehmer
ich bin zurück in Indien! Es hat zwar lange gedauert, aber nun bin ich mit einem Ein-
Und das auch noch in Begleitung: Petra (Name von der Redaktion geändert), meine Gastgeberin in den letzten Wochen, hatte sich spontan entschieden, mich einen Monat lang durch Indien zu begleiten. Die Jahreszeit ist natürlich nicht optimal, aber man kann eben nicht alles haben; die europäische Feriensaison und die indische Monsunzeit passen naturgemäß nicht besonders gut zusammen. Allerdings wurde mir bereits in den ersten Stunden klar, daß meine Begleiterin möglicherweise etwas realitätsferne Erwartungen gehegt hatte — meine Schuld, was erzähle ich auch immer von den traumhaften Erlebnissen in Indien, und blende die Schattenseiten aus?
Also beschwerte sie sich, daß das Hotelzimmer keine Fenster habe (hat es schon, allerdings führen die in einen stockfinsteren, mit verstaubten Kabeln vollgestopften Luftschacht), daß es dreckig sei (stimmt, aber keine Kakerlaken!), daß es eng sei (kann man eben nicht umfallen), daß man das permanente Hupen auf den Straßen überlaut hören könne (muß man denn darauf achten?) und daß man morgens von kotzenden Indern geweckt würde. Mir wäre das alles gar nicht aufgefallen! Letzter Beschwerdepunkt ist übrigens eine echt indische Reiseerfahrung: Die lauten morgendlichen Würge- und Spuckgeräusche haben nichts mit Magenverstimmung zu tun; Inder räuspern sich nämlich nach dem Aufwachen überdeutlich, um den Schleimbelag von Gurgel, Gaumen und Zunge abzuhusten. Das gilt als gesundheitsverheißendes Reinigungsritual, das man jeden Morgen betreiben soll.
Wegen der Umbaumaßnahmen muß man sich mancherorts fast kniehoch durch den Bauschutt quälen.
Das Marktviertel Pahar Ganj liegt gleich am Bahnhof von New Delhi. Das ist wohl der Hauptgrund, weshalb es bei Touristen so beliebt ist: Man kommt schnell wieder weg, und das ist in einer Stadt von 1.2 Crore Einwohnern und extrem räuberisch veranlagten Rikshafahrern ein riesiger Pluspunkt. Außerdem bietet es bezahlbare Unterkünfte, eine gute touristische Infrastruktur mit Souvenirläden und Reiseunternehmern, und auch annehmbar kurze Wege zum Sightseeing in den interessanteren Teilen von Delhi.
Und das wuselige, hyperaktive Leben in Pahar Ganj ist auch nicht ohne Reiz. Die Hauptstraße, der Main Bazar, ist von unzähligen bunt aufgemachten Läden gesäumt, und kleine, enge Fußwege führen in ein immer noch sehr geschäftiges „Hinterland“. Allerdings leidet das ganze Gebiet unter großangelegten Umbaumaßnahmen, die den Main Bazar abschnittsweise zur einer mit Bauschutt bedeckten postapokalyptischen Wüstenlandschaft umgestaltet haben, die ein bißchen an Deutschland 1945 erinnert. Beim täglichen Monsunregen verwandelt sich das Gelände zu allem Überfluß in eine Ansammlung von morastartigen Schlammpisten, mit gelegentlichen Schutthäufen zur besseren Orientierung. Offenbar werden, ganz im Stile sozialistischer Planwirtschaft, alle Fassaden gleichzeitig erneuert, das heißt, erst mal arbeits- und geräuschintensiv weggehämmert und danach (vielleicht) neu aufgemauert.
Straßenverkehr am Weg nach Old Delhi
Delhi ist im wesentlichen eine muslimische Ansiedlung, wie bereits der Name verrät: Er ist persisch und bedeutet „Schwelle“, passend für die Eintrittspforte des Islam nach Indien. Vom reichen muslimischen Erbe seht man in Pahar Ganj jedoch nichts; dazu muß man sich schon nach Old Delhi bemühen. Die Fahrt dorthin wuchs sich für Petra zu einer bizarren Mischung aus Alptraum, Geisterbahnfahrt und Nahtoderfahrung aus, als wir nämlich mit der Fahrradrisksha durch den (in meinen Augen) höchstens mittelprächtig chaotischen Verkehr von Old Delhi pilotiert wurden. Petras Frage „Warum hupen die Inder eigentlich dauernd?“ konnte ich allerdings auch nicht beantworten; wir einigten uns auf die Arbeitshypothese, sie wollen den anderen Verkehrsteilnehmern mitteilen, daß sie gerade einen Atemzug getan haben.
Innenhof der Großen Moschee
Aufgang zum Südtor Bab Abd al-Ghafur
In der Gebetshalle der Großen Moschee
Den Aufenthalt in Old Delhi nutzten wir zu einer ausgiebigen Besichtigung des Viertels rund um die Jama Masjid, die größte Moschee Indiens. Dieses Bauwerk aus der Mogulenepoche liegt in der Mitte des historischen Delhi und gilt, zusammen mit der stilistisch ähnlichen Lal Qila, dem Roten Fort, als ikonisch für die Stadt. Die aus rotem Sandstein und weißem Mamor auf einer Plattform errichtete Moschee besteht aus einem großen Innenhof, die sich jeden Freitag fünfmal mit bis zu einem Viertel Lakh Betenden füllt, einem darumherum laufenden Säulengang, der auf drei Seiten von Toren durchbrochen wird, und schließlich auf der Ostseite einer vielsäuligen Halle für den Vorbeter und hervorragende Gemeinschaftsmitglieder.
Limettenverkäufer am Connaught Place in New Delhi
Gobhi Matar (Karfiol mit Erbsen)
Was die Verpflegung betrifft, so steht witterungsbedingt an erster Stelle der Nimbu-Wallah, der Limettensaftverkäufer. Diese lebensspendenden Zeitgenossen bereiten aus frischgepreßten Limetten und Salz ein hervorragend durstlöschendes, isotonisches Getränk; dazu wird natürlich Leitungswasser verwendet, aber wer will, kann ja auch eine Flasche Plastikwasser, ähh, eine Plastikflasche mit Mineralwasser kaufen und sie dem Nimbu-Wallah reichen, und ganz Paranoide verzichten dann auch noch auf das Eis, das in gräulich schimmernden Styroporbehältern gammelnd auf Kunden wartet. Petra entschied sich für die Kompromißvariante aus Mineralwasser plus Eis und hatte damit keine Probleme.
Wegen der Kürze unseres Aufenthaltes ergab sich keine Gelegenheit, nach irgendwelchen echten Delhi-
Da Petra in der urbanen Wüste Delhis langsam zu vergehen droht, habe ich mich entschieden, daß wir möglichst bald einen erholsameren Ort aufsuchen; deshalb nutzten wir die erste passende Gelegenheit, per Zug in den Westen zu kommen, in das Wüstendorf Pushkar.
Das Wahrzeichen Delhis, das Rote Fort (Lal Qila), haben wir nicht besucht. Auf diesem Photo vom Winter 2009 verschwimmt es im Smog.
◀ Bhopal
Pushkar ▶